Ohne die medizinische Biotechnologie wäre die Pandemie nicht zu bewältigen
Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARSCoV-2 wurden Ende 2019 erstmals bekannt. Seitdem breitete es sich auf der ganzen Welt aus und beeinträchtigte dabei wesentlich die Gesundheit der gesamten Weltbevölkerung, das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft. Im Laufe der Zeit veränderte sich das Virus, neue Varianten entstanden, von denen manche infektiöser und womöglich gefährlicher sind als die ursprüngliche Form. Deshalb wird die permanente Evolution der Viren weltweit beobachtet und in der in Deutschland ansässigen Datenbank GISAID dokumentiert.
Die Bewältigung dieser rasant fortschreitenden Pandemie stellt die biomedizinische Forschung vor gewaltige Aufgaben. Im Mai 2021 sind aber bereits entscheidende Erfolge auf drei Ebenen zu berichten: Es wurden Schnelltests zur Diagnose einer Infektion entwickelt. helfen Covid-19-Patient:innen mit milden bis mittleren Symptomen, schneller zu gesunden. Und die auf Hochtouren laufende Forschung konnte schon mehrere wirksame und sichere Impfstoffe zur Verfügung stellen. In Deutschland wurden (Stand: 27.05.2021) bereits über 47 Millionen Impfdosen verabreicht, weltweit waren es mehr als 1,7 Milliarden.(1)
Die WHO verzeichnet rund 300 weitere Impfstoffprojekte, davon fast 100 in klinischer Prüfung.
An vielen dieser Projekte sind deutsche Unternehmen und Institute beteiligt:
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Finanzielle und organisatorische Unterstützung für die Beschaffung von Impfstoffen für ärmere Länder gewähren nationale Regierungen, die EU sowie verschiedene internationale Organisationen wie CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations), die Impfallianz GAVI und die Initiative COVAX.
Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen schneller als je zuvor
Impfstoffe sind zur Bewältigung dieser viralen Pandemie fundamental wichtig. Sie innerhalb nur eines Jahres zu entwickeln war allein deshalb möglich, weil es bereits Erfahrungen mit Impfstoffen gegen verwandte SARS-und MERS-Viren gab, und Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Kliniken und Behörden gemeinsam die Entwicklung, Prüfung, Zulassung und Produktion der Impfstoffe mit Höchstgeschwindigkeit vorantrieben. Unterstützt wurden sie dabei durch den Einsatz vieler Zulieferer und Auftragshersteller, die innerhalb kürzester Zeit ihre Produktionsanlagen anpassten und die Kapazitäten erweiterten. Die dabei praktizierte Zusammenarbeit von eigentlich konkurrierenden Unternehmen ist beispiellos.
Im Mai 2021 gab es bereits vier in der EU zugelassene Impfstoffe, und bei einigen weiteren wurden die bisher eingereichten, aber noch unvollständigen Zulassungsunterlagen geprüft. Die bisher zugelassenen Impfstoffe werden in mRNA- und Vektorimpfstoffe eingeteilt.
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Die mRNA-Impfstoffe enthalten Bauanleitungen für das Spike-Protein auf der Oberfläche des Virus, verpackt in einer Hülle aus Lipidnanopartikeln. Körperzellen nehmen nach der Injektion diese Partikel auf und synthetisieren anhand der darin enthaltenen genetischen Information die viralen Spike-Proteine. Das Immunsystem erkennt diese als "fremd", und es bilden sich neutralisierende Antikörper und spezifische T-Zellen, die die Geimpften vor einer Infektion oder symptomatischen Erkrankung schützen, sollten sie mit den Viren in Kontakt kommen. Der weltweit erste zugelassene mRNA-basierte Covid-Impfstoff wurde von der Firma BioNTech in Mainz in Zusammenarbeit mit Pfizer entwickelt. Auch die deutschen Unternehmen CureVac in Tübingen (mit GSK) und baseclick in Neuried arbeiten an mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19.
Bei den Vektorimpfstoffen wird die Bauanleitung für die viralen Spike-Proteine, die das Immunsystem aktivieren, nicht in Form von mRNA, sondern von DNA geliefert. Diese DNA wird mittels Gentechnik in harmlose, nicht vermehrungsfähige Adenoviren verpackt. DNA-Vektorimpfstoffe sind robuster als mRNA-Impfstoffe und deshalb weniger anspruchsvoll bezüglich der Kühlbedingungen.
Die bisher in der EU zugelassenen Impfstoffe haben sich als sehr sicher und wirksam erwiesen. In sehr seltenen Fällen kam es nach der Impfung zu anaphylaktischen Reaktionen und bei Vektorimpfstoffen zu einer speziellen Form der Thrombose, teilweise in Verbindung mit Blutplättchenmangel. Nach Überprüfung der Fälle empfiehlt die europäische Zulassungsagentur EMA alle Impfstoffe angesichts ihres hohen Nutzens gegenüber dem sehr geringen Risiko weiterhin uneingeschränkt. Die Sicherheit der Impfstoffe wird nicht nur national vom Paul-Ehrlich-Institut, sondern auch EU-weit von der EMA und weltweit von der WHO und den Herstellern überwacht.
Therapien für Erkrankte
Unerlässlich sind nicht nur Impfungen, sondern auch Therapeutika für bereits Erkrankte.
Da Covid-19 verschiedene Stadien durchläuft und viele Organe betrifft, benötigt man Medikamente unterschiedlicher Art:
- Medikamente zur direkten Bekämpfung des Virus auf verschiedenen Ebenen
- Medikamente gegen Komplikationen des Herz-Kreislauf-Systems
- Medikamente zur Stabilisierung der Lungenfunktion bei Atemnot oder Pneumonie
- Medikamente, die das bei Schwerstkranken überschießende Immunsystem auf ein gesundes Maß dämpfen
Über 600 Wirkstoffe werden derzeit daraufhin geprüft, ob sie bei Covid-19 zu einer schnelleren Gesundung beitragen können. Die meisten davon sind bereits gegen andere Erkrankungen im Einsatz oder in der Entwicklung. Dieser "Repurposing" genannte Ansatz führte bisher zur Zulassung von zwei Medikamenten – Remdesivir und Dexamethason – zur Covid-19-Therapie.
Als wirksam, um Infizierte ohne oder mit leichten Symptomen vor einer Verschlimmerung des Krankheitszustands zu schützen, erwiesen sich in Studien . Sie neutralisieren die Viren – auch bekannte – und senken so die Viruslast. Mit ersten Zulassungen der EMA ist demnächst zu rechnen. Weitere virusbindende Moleküle sind in der Entwicklung, darunter auch solche, die sich strukturell von klassischen Antikörpern unterscheiden. Solche Aptamere, Nanobodies, Sybodies und DARPins wurden von Biotech-Firmen und Forschungsinstituten entwickelt und werden bereits oder in Bälde in Kooperation mit größeren Partnern klinisch getestet. Biotechnisch hergestellt werden auch viele der Medikamente, die zur Immundämpfung erprobt werden.
Bei der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen entfaltete die medizinische Biotechnologie also erneut ihr großes Potenzial. Dank der kontinuierlichen und jahrzehntelangen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, der vertieften wissenschaftlichen Kenntnisse über Viren auf vielen Ebenen, der technischen Expertise am Standort Deutschland und des ausgeprägten Miteinanders von akademischen und verschiedensten industriellen Partnern im Verlauf der Covid-19-Pandemie konnte und kann die medizinische Biotechnologie zur Eindämmung der Pandemie beitragen.