Im Blick: Die Sicherheit der zugelassenen Covid-19-Impfstoffe
Die ersten Covid-19-Impfstoffe haben sich in den Zulassungsstudien als gut verträglich erwiesen. Die Sicherheitsüberprüfung endet aber nicht mit der Zulassung. Weil so viele Menschen geimpft werden, muss immer mal wieder untersucht werden, ob medizinische Ereignisse wie Fälle von neurologischen Erkrankungen oder Thrombosen nur zufällig in den Wochen nach einer Impfung auftraten oder doch damit zusammenhängen könnten.
Während der Entwicklung wurde die Verträglichkeit jedes Impfstoffs zunächst in Tierversuchen und dann (bei guten Ergebnissen) in den anschließenden klinischen Studien mit Freiwilligen geprüft. Alle in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffe zeigten dabei eine gute Verträglichkeit: Viele Studienteilnehmer erlebten zwar die üblichen Impfreaktionen (vorübergehende Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit oder etwas erhöhte Körpertemperatur etc.), aber keine problematischen Nebenwirkungen.
Wie Covid-19-Impfstoffe vor ihrer Zulassung erprobt werden, ist hier ausführlich beschrieben.
Weil die Phase III-Studien mit sehr vielen Teilnehmern (ca. 20.000 bis 45.000) durchgeführt wurden und von diesen ja rund die Hälfte Injektionen mit dem echten Impfstoff erhalten haben, war schon zum Zeitpunkt der Zulassung die Verträglichkeit breit abgesichert. Doch ist klar: Auch in Studien dieser Größenordnung können keine Nebenwirkungen auffallen, die nur sehr selten – also bei weniger als jedem oder jeder zehntausendsten Geimpften – auftreten. Deshalb wurden und werden nach der Zulassung die Impfreaktionen in der Anwendung beobachtet und bewertet. Daraus werden dann Maßnahmen abgeleitet, um für größtmögliche Sicherheit zu sorgen.
Erfahrungen in der Anwendung
Wie bei allen als Spritze oder Infusion verabreichten Medikamenten kann auch bei Covid-19-Impfstoffen in sehr seltenen Fällen eine sofortige heftige Immunreaktion auftreten, die Anaphylaxie genannt wird. Glücklicherweise wissen Ärztinnen und Ärzte, wie sie diese Reaktion mit gängigen Medikamenten behandeln können. Als Vorsichtsmaßnahme genügt es daher, die Geimpften nicht sofort heimgehen zu lassen, sondern sie noch mindestens eine Viertelstunde weiter zu beobachten. Nur Menschen, die bei der ersten Injektion anaphylaktisch reagiert haben, sollten die zweite Dosis (die sonst nach einigen Wochen ansteht) nicht erhalten.
Wie die Sicherheit der Impfstoffe überprüft wird, erläuterte vfa-Forschungssprecher Dr. Rolf Hömke in einem Beitrag von Deutsche Welle TV am 22.01.2021:
(© Deutsche Welle)
Viele Menschen, viele medizinische Ereignisse: Vor diesem Hintergrund spielen sich die Impfkampagnen ab
„Wer einen Impfstoff bekommt, hat ein Recht darauf zu wissen, dass dieser sicher und wirksam ist. Das müssen alle diejenigen beweisen, die Impfstoffe entwickeln wollen.“
Markus Löffler, Uniklinik Tübingen, erläutert bei Spiegel Online, weshalb die Entwicklung von Impfstoffen eng durch Behörden begleitet werden muss.
Gäbe es nur gesunde Menschen und sonst in der Medizin nichts anderes als SARS-CoV-2 und die Impfungen dagegen, dann wäre es vergleichsweise einfach zu erkennen, was Nebenwirkungen eines Impfstoffs sind und was nicht. Dann nämlich könnte jedes medizinische Ereignis in den Wochen nach einer Impfung – von Kopfweh bis Herzinfarkt oder Tod – nur auf die Impfung oder eine zwischenzeitlich erfolgte Infektion zurückzuführen sein. Aber so einfach ist es leider nicht: In jeder beliebig zusammengestellten größeren Gruppe von Menschen kommen im Laufe eines Monats – ganz ohne Impfung oder Infektion – etliche medizinische Vorfälle zusammen: Migräneschübe, Infarkte, Erstdiagnosen von Krebs oder Diabetes, Thrombosen, Blutungen und vieles mehr. Um dennoch erkennen zu können, ob von einer Impfung ein Gesundheitsrisiko ausgeht oder nicht, haben die Arzneimittelbehörden schon vor vielen Monaten anonymisierte Krankenakten ausgewertet und danach für verschiedene Altersgruppen und je nach Geschlecht ermittelt, wie häufig welche Ereignisse dieser Art auftreten. Sie wissen von daher auch, wie viele Menschen einer bestimmten Altersgruppe durchschnittlich binnen eines Monats versterben.
Einen Überblick, welche Nebenwirkungen bei den zugelassenen Covid-19-Impfstoffen bekannt sind und wie häufig oder selten sie auftreten, bietet die Übersicht "Welche Nebenwirkungen sind bekannt?" von ZDF Heute. Worauf die Impfungen übrigens keinerlei Einfluss haben: auf die Fruchtbarkeit.
Anhand solcher Auswertungen ist ersichtlich, dass es gar nicht anders sein kann, als dass bei Massenimpfungen einige Geimpfte Stunden, Tage oder Wochen nach der Impfung medizinisch behandelt werden müssen oder sogar sterben, ohne dass das etwas mit der Impfung zu tun hat. Erst eine erhöhte Rate solcher Ereignisse wäre ein deutliches Alarmzeichen.
Wann immer also der Verdacht geäußert wird, dass beobachtete Krankheitsfälle im Zusammenhang mit einer vorangegangenen Impfung stehen könnten (wie es aktuell für Autoimmun-Hepatitis diskutiert wird), wird von den Arzneimittelbehörden in zwei Richtungen ermittelt:
- Es wird verglichen, ob die Rate dieser Krankheitsfälle unter Geimpften höher ist als unter Ungeimpften.
- Es wird auch bei den Betroffenen selbst untersucht, ob es Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang gibt.
In aller Regel zeigt sich bei solchen Untersuchungen, dass der Impfstoff das Risiko nicht erhöht hat und es nur zu einem zufälligen zeitlichen Zusammentreffen von einigen Impfungen und medizinischem Notfällen kam.
Sollte aber auf diese Weise eine bis dato nicht bekannte schwere Impfnebenwirkung festgestellt werden, würden die Arzneimittelbehörden mit dem Hersteller unverzüglich Gegenmaßnahmen einleiten. Das könnte der Rückruf einer Produktionscharge sein, wenn die Nebenwirkungen nur bei dieser aufgetreten sind, oder der Ausschluss bestimmter Personengruppen mit ohnehin hohem Risiko für die betreffende Nebenwirkung.
Für Deutschland berichtet die zuständige Arzneimittelbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), in seinen Sicherheitsberichten über die gemeldeten medizinischen Ereignisse nach Corona-Impfungen.
Laufende Sicherheitsüberwachung
Mit der App SafeVac 2.0 können Geimpfte über Monate Auskunft geben, wie es ihnen gesundheitlich geht.Die Sicherheitsüberwachung der zugelassenen Covid-19-Impfstoffe (die in Fachkreisen Pharmakovigilanz genannt wird) beschränkt sich aber nicht auf das Auswerten von Meldungen, die medizinische Fachkräfte, Betroffene oder Angehörige bei den Behörden von sich aus einreichen. Vielmehr werden auch Geimpfte aktiv befragt und das Feedback aus aller Welt zusammengeführt.
Insgesamt gehen die Arzneimittelbehörden und die Impfstoff-Hersteller die internationale Pharmakovigilanz auf drei Arten an:
- Nachbeobachtung der Teilnehmer aus den Phase-III-Studien:
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studien, die die Grundlage der Zulassungen sind, werden auch nach der Ermittlung der Wirksamkeit weiter regelmäßig auf mögliche Nebenwirkungen untersucht – typischerweise zwei Jahre lang. - Untersuchung von Kohorten von Geimpften:
Unter den Geimpften werden in vielen Ländern Menschen rekrutiert, die bereit sind, in den Tagen nach der Impfung und auch noch ein halbes und ein ganzes Jahr danach über ihren Gesundheitszustand und mögliche Impfreaktionen Auskunft zu geben. Eine solche Gruppe von Personen heißt „Kohorte“. Die Teilnehmer:innen der deutschen Kohorte übermitteln ihre Auskünfte mithilfe der App SafeVac 2.0 vertraulich an die zuständige Arzneimittelbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut. Jeder und jede kann von sich aus der Kohorte beitreten: Einfach vor oder direkt nach der Impfung die App herunterladen und dort die ersten Eintragungen vornehmen. Ab dann ist man dabei. Mittlerweile (Stand 30.11.2021) machen schon mehr als 725.541 Geimpfte mit. - Und erst als drittes: die Spontanmeldungen von Geimpften:
Alle Meldungen von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen, die Geimpfte aus eigener Initiative („spontan“) abgeben, werden gesammelt. Zum Melden sind alle Geimpften aufgerufen. Melden können sie beispielsweise über ihren Arzt oder Apotheker oder das Meldeportal der Arzneimittelbehörden www.nebenwirkungen.bund.de (mehr dazu hier). Dabei muss der bzw. die Geimpfte nicht selbst den Nachweis erbringen, dass die erlebte negative körperliche Reaktion wirklich eine Impfnebenwirkung ist. Vielmehr kann jede Reaktion, von der jemand vermutet, dass es eine Nebenwirkung sein könnte, gemeldet werden. Die Meldungen gehen in die europäische Datenbank EudraVigilance und werden von Experten der nationalen Zulassungsbehörden gemeinsam mit der europäischen Zulassungsbehörde EMA gesichtet und daraufhin untersucht, ob die berichteten medizinischen Ereignisse wirklich eine Impffolge sein könnten oder rein zufällig kurz nach der Impfung aufgetreten sind.
Natürlich können nicht nur Geimpfte, sondern auch deren Angehörige potentielle Nebenwirkungen melden; und auch Angehörige der Gesundheitsberufe sind per Berufsordnung dazu verpflichtet, Verdachtsfälle von Nebenwirkungen zu melden.
Internationale Kooperation bei Sicherheitsüberwachung und Sicherheitsmaßnahmen
Die Verdachtsmeldungen sammelt nicht nur jedes Land oder die EU für sich allein. Sie werden im Rahmen der Aktivitäten der Weltgesundheitsorganisation WHO aus aller Welt zusammengeführt, damit eine bis dato noch unbekannte Nebenwirkung, die Gegenmaßnahmen erfordert, so schnell wie möglich erkannt werden kann, und die Risikominimierungsmaßnahmen auch weltweit angewendet werden. Das ist sinnvoll, da die Covid-Impfstoffe ja bereits in über 40 Ländern zur Anwendung kommen.
Neben der Überwachung der Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe geht es bei den internationalen Kooperationen natürlich auch um Erkenntnisgewinn.
Verträglichkeit für Schwangere und ungeborene Kinder
Im Rahmen der ersten klinischen Studien haben alle Hersteller und die mit ihnen kooperierenden medizinischen Einrichtungen darauf geachtet, dass keine schwangeren Frauen teilnehmen. Das ist das normale Vorgehen bei jedem neuen Medikament, ganz unabhängig davon, ob eine Gefahr für Mutter oder Kind vermutet wird oder nicht.
Trotzdem wurden vereinzelt unwissentliche Schwangerschaften bei Teilnehmerinnen entdeckt. Diese Schwangerschaften wurden und werden engmaschig überwacht und deren Ausgang dokumentiert. Zusätzlich werden die Mütter und die neugeborenen Kinder untersucht. Auch wurde darauf geachtet, ob aus Ländern, in denen bereits geimpft wird, Probleme gemeldet werden, die auf eine Covid-19-Impfung während der Schwangerschaft zurückzuführen sein könnten. Das war jedoch nicht der Fall.
Noch mehr Klarheit werden die Ergebnisse klinischer Studien mit schwangeren Frauen bringen; doch die sind noch nicht abgeschlossen. Eine solche Studie führen BioNTech/Pfizer durch. Auch Moderna hat eine solche Studie im Juli 2021 angekündigt. Eine ähnliche Studie ist zudem für den Oxford/AstraZeneca-Impfstoff in Vorbereitung.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat für Deutschland am 10.09.2021 die Impfung für schwangere Frauen ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel und für stillende Mütter empfohlen. Zuvor hatte sie nur empfohlen, Schwangeren mit Vorerkrankungen oder einem "erhöhten Expositionsrisiko aufgrund ihrer Lebensumstände" nach Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ausführlicher Aufklärung eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff anzubieten.