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Wie Impfstoffe gegen Covid-19 erprobt werden

Bei der Erprobung von Impfstoffen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 ist viel zu beachten. Eigene Studien sind nötig, ehe auch Kinder damit geimpft werden können.

Labormitarbeiter hält Covid19-Testsubstanz in Schutzhandschuhen und trägt Daten in eine Tabelle ein.

Die Phasen der Erprobung

Diese Infografik illustriert die drei klinischen Studienphasen für einen neuen Impfstoff mit der jeweils unterschiedlichen Anzahl von freiwilligen Versuchspersonen

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In Phase I wird der Impfstoff erstmals mit Menschen getestet. Im Fokus stehen Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffs sowie seine Fähigkeit, eine Immunabwehrreaktion hervorzurufen. In dieser frühen Phase geht es auch darum, die geeignetste Dosierung grob abzuschätzen. Vorgenommen werden die Tests mit einer kleinen Gruppe gesunder Frauen und Männer (typischerweise 10 bis 30), die in der Regel zwischen 18 und 55 Jahre alt sind. Die Ergebnisse in dieser Gruppe werden üblicherweise mit den Resultaten in einer gleich großen Kontrollgruppe verglichen; diese erhält einen Scheinimpfstoff oder einen bereits zugelassenen Impfstoff gegen eine andere Krankheit.

Der Impfstofftest beginnt mit einer Startdosis. Diese wurde auf der Basis vorheriger Tierversuche ermittelt. Covid-19-Impfstoffe werden meist als Injektionslösung in die Oberarmmuskulatur gespritzt. Verträgt der erste Proband die Dosis innerhalb eines Beobachtungszeitraums von ein, zwei Tagen gut, werden nach und nach weitere Testpersonen geimpft, dann auch mit verschiedenen Dosierungen. Jeder Proband wird mindestens sechs Monate lang weiter beobachtet, damit die Wirkungen und eventuellen Nebenwirkungen erfasst werden können und Ärzte erkennen, ob sie etwas für einen Probanden tun müssen. Dazu werden die Probanden zu bereits im Studienplan festgelegten Zeitpunkten ärztlich untersucht: Ihre Blutwerte werden bestimmt, und sie geben in standardisierten Fragebögen Auskunft über ihr Befinden. Gefragt wird etwa nach Hautreaktionen, Schmerzen, Müdigkeit oder Unwohlsein.

Für eine schnellere Prüfung von Covid-19-Impfstoffen können Phase I und Phase II miteinander verbunden werden: Bei positiver Bewertung von Zwischenergebnissen durch die Zulassungsbehörden kann schon innerhalb weniger Wochen nach Start der Phase I-Studie die nächste Phase beginnen.

In Phase II geht es bei einer deutlich größeren Gruppe (50 bis 500, z.T. auch über 1.000) darum, die bestmögliche Dosierung des Impfstoffs zu finden und das Wissen zu Verträglichkeit und Immunreaktion zu vertiefen. Auch in dieser Phase der klinischen Prüfung sind die Probanden meist zwischen 18 und 55 Jahre alt (einige Unternehmen beziehen hier aber auch ältere Teilnehmer ein). Auch hier wird in der Regel eine Vergleichsgruppe gebildet, die einen Schein- oder einen bereits zugelassenen Impfstoff erhält. Um zu ermitteln, welche Impfstoffmenge für eine optimale Aktivierung des Abwehrsystems erforderlich ist, teilt man die Versuchspersonen nach einem vorher vereinbarten Schema in Untergruppen auf. Erst wenn die niedrigste unter den festgelegten Dosierungen gut vertragen wurde, erhält die nächste Gruppe eine etwas höhere Dosis. Bei Covid-19-Impfstoffen werden in Phase II oft zwei unterschiedliche Dosierungen getestet. Wie sie wirken, zeigt sich bei regelmäßigen Laboruntersuchungen: In Blutproben wird dabei zum Beispiel der Gehalt an spezifischen, gegen den Erreger gerichteten Antikörpern und für die Immunregulation wichtigen Zytokinen bestimmt. Üblicherweise dauert diese Phase mehr als zwei Jahre; bei Covid-19-Studien allerdings nur einige Wochen bis wenige Monate.

Phase III ist die aufwändigste Etappe. Mit mehreren zehntausend Freiwilligen, die sich in ihrem normalen Alltag mit dem Virus infizieren könnten, soll sich jetzt erweisen, ob der Impfstoff zuverlässig vor einer SARS-CoV-2-Infektion schützt. Ermittelt wird das auch hier in der Regel mit zwei Gruppen, von denen eine den echten Corona-Impfstoff, die andere einen Scheinimpfstoff oder anderen Impfstoff erhält. Wer was bekommt, wissen die Probanden nicht. Oft werden sie zusätzlich in Altersgruppen unterteilt, wobei die Mehrheit 18 bis 55 Jahre alt ist. In einigen Studien können auch ältere Personen (ab 55 Jahre) dabei sein – nach oben gibt es bisher kein Limit. Die Prüfung von Covid-19-Impfstoffen bei Älteren ist aus zwei Gründen wichtig: Sie sind am stärksten von der Pandemie betroffen, und ihr Immunsystem ist nicht mehr so schlagkräftig wie das von Jüngeren. Sie zählen zur Risikogruppe, die bei Verfügbarkeit eines Impfstoffs mit am ersten geimpft werden sollten. Einige wenige Phase-III-Studien beziehen auch Minderjährige ein; aber das ist bisher die Ausnahme (mehr dazu siehe unten).
Bei mehreren Phase-III-Studien mit noch nicht zugelassenen Impfstoffen durften ausdrücklich keine schwangeren Frauen teilnehmen. Dazu gab es kontroverse Meinungen. BioNTech und Pfizer holen die Erprobung mit schwangeren Frauen aber nun, da ihr Impfstoff für andere Erwachsene zugelassen ist und eine Tierstudie zur Reproduktionstoxizität keine Hinweise auf ein Risiko erbrachte, mit einer eigenen Studie mit schwangeren Frauen in neun Ländern (darunter als einzigem EU-Staat Spanien) nach. Untersucht werden sollen neben den Frauen auch ihre Kinder, wenn sie erst geboren sind.

Umgang mit unerwarteten medizinischen Ereignissen

Bei allen klinischen Impfstoffstudien muss man damit rechnen, dass einige Teilnehmer während der Studie an etwas erkranken, das bei der Eingangsuntersuchung vor Teilnahmebeginn noch nicht diagnostiziert wurde. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist umso größer, je mehr Personen an der Studie teilnehmen und je länger ihre Teilnahme dauert.

Die sieben Etappen der Impfstoffentwicklung

Illustration der sieben Etappen zur Entwicklung eines neuen Impfstoffs

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Unternehmen und Behörden in engem Austausch

Human Challenge Trials?

Als Turbo für die Erprobung von Impfstoffen gegen Covid-19 haben einige Wissenschaftler 2020 sogenannte Human Challenge Trials vorgeschlagen. Die Idee dabei ist, eine kleine Gruppe junger freiwilliger Probanden zunächst mit einem Impfstoffkandidaten zu impfen und einige Wochen später gezielt mit dem Coronavirus zu infizieren. Ist der Impfstoff wirksam, geschieht ihnen nichts; ist er es nicht, müssten sie ihre Krankheit eben auskurieren. Auf diese Weise ließe sich, so das Konzept, die Schutzwirkung des Impfstoffs viel schneller und mit weniger Studienteilnehmern als sonst untersuchen. Denn dann müsste man nicht auf zufällige Infektionen im Alltag warten.

Dagegen stehen ethische Bedenken angesichts der Risiken, denen die Challenge-Teilnehmer ausgesetzt wären. Schließlich verläuft Covid-19 auch bei jungen Patienten nicht immer nur mild, und noch gibt es – trotz Fortschritten – keine Therapie, die sie dann sofort wieder heilen könnte. Einge, die Covid-19 durchgemacht haben, leiden an Langzeitfolgen.
Auch medizinisch-wissenschaftliche Einwände gibt es: Challenge-Studien zeigen vielleicht ein verfälschtes Bild, da Erkenntnisse, die nur mit jungen, gesunden Menschen gewonnen wurden, möglicherweise nicht auf Ältere und chronisch Kranke übertragbar sind. Aber diese Personengruppen sind durch Covid-19 am stärksten bedroht. Auch entspricht eine künstlich herbeigeführte Ansteckungssituation hinsichtlich Virendosis und Infektionsweg wahrscheinlich nicht den echten Infektionen im Alltag.

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Wir halten es für unethisch, Menschen vorsätzlich mit Coronaviren zu infizieren, wenn man die Krankheit nicht sofort heilen kann, falls sie ausbricht. Und für Covid-19 kann man das nicht garantieren.»

Han Steutel, vfa-Präsident, 25.09.2020

Der angeblichen Notwendigkeit von Human Challenge Studien trat vor Monaten auch der renommierte US-Molekularbiologe William A. Haseltine entgegen (auch veröffentlicht im Magazin „Project Syndicate“): Solange es eine Pandemie gebe, die Millionen Menschen einer realen Ansteckungsgefahr aussetze, schreibt Haseltine, seien Challenge-Studien nicht nur unnütz, sondern aufgrund ihrer Risiken auch gefährlich und somit unethisch.