Europäisches HTA und Nutzenbewertung verzahnen
Das europäische Health Technology Assessment (EU-HTA) sieht eine Bewertung von neuen Arzneimitteln parallel zur Zulassung vor. Damit sollen europaweit die Verfügbarkeit von neuen Therapien verbessert und die Verfahren effizienter gestaltet werden. Auch im AMNOG, dem deutschen System der Nutzenbewertung, müssen dafür die richtigen Weichen gestellt sein. Es bedarf ergänzender nationaler Regelungen, die eine nahtlose Verbindung zum europäischen Prozess schaffen. Gelingt diese Integration, kann das EU-HTA den Pharmastandort Deutschland und Europa stärken.
Zukünftige Chancen nutzen
Mit der Entscheidung der Implementierung einer europäischen Nutzenbewertung zunächst für onkologische Therapeutika und Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMP) gab es einen grundlegenden neuen Impuls für die Bewertung von Arzneimitteln in Deutschland. Die entsprechende EU-Verordnung regelt die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei den klinischen Aspekten des HTA. Für Deutschland bedeutet das: Die klinische Bewertung von Studien erfolgt künftig auf europäischer Ebene. Die Beurteilung des Zusatznutzens und die Preisgestaltung verbleiben weiterhin in der nationalen Zuständigkeit. Konkret müssen die Mitgliedstaaten den europäischen HTA-Bericht bei ihren Entscheidungen angemessen berücksichtigen, dürfen aber bei Bedarf klinische Zusatzanalysen einfordern. Ein verbindlicher Mechanismus regelt die einmalige Einreichung klinischer Daten auf EU-Ebene, die auf nationaler Ebene nicht erneut angefragt und eingereicht werden dürfen.
Durch die effiziente Zusammenarbeit auf EU-Ebene soll die Verfügbarkeit von innovativen Therapien in der EU verbessert, der bürokratische Aufwand verringert und die Planungssicherheit gestärkt werden. Die Schaffung von Synergien auf europäischer Ebene soll Europa als erfolgreichen Pharmastandort und die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors stärken. Europa kann die Fragmentierung bei der klinischen Bewertung innovativer Therapien abbauen, ohne dass die nationale Souveränität in Erstattungsfragen beeinträchtigt wird. Um diese Chancen auch für Deutschland zu nutzen, müssen die richtigen Weichen im AMNOG gestellt werden. Erst durch gut verzahnte Prozesse, können die schnelle Verfügbarkeit neuer Arzneimittel in Deutschland und die unternehmerische Planungssicherheit erhalten bleiben.
Vorfahrt für europäische Bewertungen
EU- und nationale Prozesse müssen effizient aufeinander aufbauen. Um Doppelarbeit und zusätzlichen bürokratischen Aufwand zu reduzieren, müssen die Ergebnisse der europäischen Bewertung im AMNOG konsequent genutzt werden. Deshalb braucht es klare Vorfahrtsregeln für die europäischen Ergebnisse in der Nutzenbewertung durch die Umsetzung eines strengen Berücksichtigungsgebots. Ergänzende (unter-)gesetzliche Regelungen sollten eine maßgebliche Verwendung der europäischen Arbeitsergebnisse im nationalen Prozess sicherstellen.
Für mehr Effizienz der HTA-Bewertung sollten die nationalen Anforderungen an Auswertungen und Analysen im AMNOG in Ausrichtung an europäischen Leitlinien auf das notwendige Maß reduziert werden. Die Anforderungen in Deutschland sind derzeit außerordentlich umfangreich, übersteigen bei Weitem das Maß anderer europäischer Systeme und bergen das Risiko nationaler Zusatzanalysen. Deshalb braucht es eine Anpassung, um unnötigen Dokumentationsaufwand zu vermeiden. Änderungen in der G-BA-Verfahrensordnung müssen insbesondere Subgruppen- und bestimmte Arzneimittelsicherheits-Analysen reduzieren.
Für weitere Synergieeffekte der HTA-Bewertung müssen die methodischen Bewertungsgrundsätze besser an den europäischen Rahmen angeglichen werden. Bestimmte nationale Festlegungen stellen einen deutschen Sonderweg gegenüber europäischen Ansätzen dar und bergen das Risiko bleibender Fragmentierung. Deshalb braucht es mehr Flexibilität bezüglich der Berücksichtigung von patienten-zentrierten Endpunkten und spezifischen Studiendesigns, wie indirekte Vergleiche, in Orientierung an europäischen HTA-Leitlinien. Hierfür sind ergänzende Regelungen im AMNOG und Anpassungen der IQWiG-Methodik notwendig.
Mit europäischen Vorfahrtsregeln und der Schaffung eines effizienteren Bewertungsrahmens in Ausrichtung an europäischen Vorgaben kann eine insgesamt bürokratieärmere HTA-Bewertung ohne Qualitätsverlust gelingen, die den Pharmastandort Deutschland und Europa stärken kann.
Stärkung der nationalen Beratungen
Unternehmen sind verpflichtet, zusätzlich zur Einreichung der klinischen Daten auf EU-Ebene Unterlagen vorzulegen, die den nationalen Anforderungen entsprechen. Diese können klinische Zusatzanalysen umfassen, die bei Bedarf als Ergänzung zur europäischen Nutzenbewertung angefordert werden können. Für die nationalen Unterlagen braucht es mehr Planungssicherheit. Deshalb sollten die G-BA-Beratungen gestärkt werden. Hierfür sind ergänzende Regelungen notwendig, welche die Beratung zum nationalen PICO und Zusatzanalysen mit verkürzter Frist und damit schneller ermöglichen.
Absicherung des schnellen Marktzugangs
Für ein optimales Zusammenspiel von AMNOG und europäischem Bewertungsprozess müssen Verfahrensschritte zeitlich präzise ineinandergreifen. Dies ist gegenwärtig noch nicht gewährleistet. Denn der europäische Bewertungsbericht fehlt zur Vorbereitung der nationalen Unterlagen durch den Hersteller bei einem unmittelbaren Marktzugang mit erteilter Zulassung. Auch fehlt der europäische Bewertungs-bericht für die nationalen Bewertungsprozesse des G-BA. Dieser Zeitraum soll regelhaft 40 Tage betragen, in Ausnahmefällen, beispielsweise bei Änderung des Anwendungsgebietes im Rahmen des Zulassungsverfahrens, sogar länger.
Zur Absicherung des schnellen Marktzugangs durch Unternehmen braucht es eine Harmonisierung der Fristen des AMNOG-Verfahrens mit dem europäischen Prozess. Hierfür sind Änderungen in den Prozessvorgaben nötig, die es dem Hersteller ermöglichen, bei schnellem Marktzutritt die nationalen Unterlagen unter Berücksichtigung des europäischen Bewertungsberichts vorzulegen. Damit kann die Erstellung qualitativ hochwertiger nationaler Unterlagen gewährleistet und gleichzeitig die Gefahren eines verzögerten Markteintritts vermieden werden.
Empfehlung:
- Nahtlose Verbindung zum europäischen Prozess schaffen
- Aufwand reduzieren und Verzögerungen beim Markteintritt vermeiden