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Pharmastandort Deutschland braucht verlässliche Erstattungsbedingungen - auch für eine gute Versorgung

Planbarkeit ist für Unternehmen essenziell. Das AMNOG-Verfahren hat dies bisher meist gewährleistet. Daher muss die jüngste Abkehr von den AMNOG-Grundprinzipien rückgängig gemacht werden - auch damit die gute Versorgung von Patient:innen in Deutschland erhalten bleibt.

Abkehr von bewährten Prinzipien

Bereits seit 2011 durchlaufen Arzneimittelinnovationen in Deutschland ein mittlerweile bewährtes Verfahren: die sogenannte frühe Nutzenbewertung mit anschließender Preisverhandlung zwischen dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) und den pharmazeutischen Unternehmen. Das Kernprinzip dieses auch als AMNOG-Verfahren bezeichnete Vorgehen ist, dass Arzneimittel mit einem medizinischen Mehrwert mehr kosten dürfen als die bisherige Standardtherapie. Den sogenannte Zusatznutzen dürfen die Unternehmen monetarisieren.

Bei einem nicht belegten Zusatznutzen eines Arzneimittels entstehen der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) im Vergleich zur bisherigen Therapie keine Mehrkosten. Diese Art der Preisfindung sorgt für Milliardeneinsparungen zu Gunsten der Solidargemeinschaft der Versicherten. Sie bietet zudem Innovationsanreize und verlässliche Rahmenbedingungen. Dadurch wird eine frühe Verfügbarkeit neuer Therapiemöglichkeiten für die Patient:innen gewährleistet. Zumindest galt dieses Prinzip bis vor einem Jahr.

Denn das damals verabschiedete GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) bedeutete einen Bruch mit der bewährten nutzenbasierten Preisfindung. Unter anderem wurden gesetzliche
Leitplanken für die Preisverhandlungen eingeführt, mit der Folge, dass Arzneimittel trotz Zusatznutzen im Vergleich zur bisherigen Therapie nicht mehr kosten dürfen.

Zudem wurde mit dem Kombinationsabschlag ein systemfremdes Element eingeführt, was zu pauschalen Preisabschlägen von 20 Prozent führt und damit den Preisdruck deutlich verschärft,
obwohl die kombinierte Gabe von Medikamenten für Patient:innen einen Mehrwert bietet kann und bei zahlreichen Indikationen den Leitlinien entspricht.

Vor allem untergräbt das GKV-FinStG die für die forschenden Pharmaunternehmen essenzielle Planbarkeit, die nun einer erhöhten Unsicherheit gewichen ist. Dies ist insbesondere auf die Komplexität der Leitplanken und auf ihre Anfälligkeit für bereits kleinste Veränderungen in der Nutzenbewertung, z.B. durch Wechsel der zweckmäßigen Vergleichstherapie, zurückzuführen. Zusammen mit den Wechselwirkungen der einzelnen Eingriffe ist die bisherige Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen für Arzneimittelinnovationen nicht mehr gegeben.

Bruch mit AMNOG-Prinzipien bremst Versorgung von Patient:innen aus

Durch die Abkehr von den AMNOG-Prinzipien sind die ursprünglichen Ziele – die schnelle Verfügbarkeit, wirtschaftliche Preise und verlässliche Rahmenbedingungen für Innovationen – gefährdet.

Die langfristigen Folgen durch mögliche Fehlanreize sind noch nicht absehbar. Es ist zu befürchten, dass die Maßnahmen des GKV-FinStG ebenfalls negative Auswirkungen auf die Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel haben. Da sogenannte Schrittinnovationen nicht mehr anerkannt werden, könnten sich Forschungsaktivitäten verschieben und beispielsweise weniger Wirkstoffe gegen chronische Erkrankungen hervorgebracht werden. Zumindest erscheint es nachvollziehbar, dass Unternehmen weniger klinische Studien in Deutschland durchführen, wenn die Erstattungsbedingungen so ausgestaltet sind, dass auf die Verfügbarkeit von einzelnen Arzneimitteln in Deutschland verzichtet wird. Damit könnte sich der Trend, dass immer weniger klinische Studien in Deutschland durchgeführt werden, noch verschärfen (vgl. Studie von vfa und Kearney zum Pharma-Innovationsstandort Deutschland.)

Erstattungsbedingungen sind relevant für den Innovations- und Produktionsstandort

Das GKV-FinStG wirkt sich zudem negativ auf den Innovations- und Produktionsstandort aus. Die geänderten Rahmenbedingungen reduzieren Anreize, Innovationen in Deutschland in den Markt einzuführen. Da auch die Entwicklung neuer Medikamente eng an die wichtigsten Absatzmärkte gekoppelt sind, hat dies negative Konsequenzen für das Innovationsgeschehen. Diese Entscheidungen sind langfristiger Natur und zeigen sich erst allmählich. Dafür sind die Konsequenzen häufig nur schwer umkehrbar, wenn die Innovationskraft einmal verloren gegangen ist.

Erratische Eingriffe und Zwangsabgaben machen langfristig orientierte Investitionsentscheidung zudem unkalkulierbar. Werden die Konditionen ständig verändert oder sind die Regelungen in der Erstattung intransparent, dann führt diese politische Unsicherheit dazu, dass Investitionen in neue Standorte ausbleiben. Dies gilt auch für die laufende Instandhaltung und Modernisierung der Produktionsstätten. Geringere Liquidität und Planungssicherheit führen zu einem schleichenden Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit, an Produktionsvolumina und in der Konsequenz auch im Verlust hochqualifizierter und gut bezahlter Jobs.

Diese Auswirkungen zeigen sich schon jetzt in der Erwartungsbildung der Unternehmen. Beispielsweise bei den Planungen zum Beschäftigungsaufbau ist Deutschland vom europäischen Spitzenstandort zum Schlusslicht geworden. Das zeigen Befragungen der Europäischen Kommission. Ähnliches lässt sich für die Inverstitionsbereitschaft feststellen und deckt sich mit den Befunden der vfa-Mitgliederbefragung. Viele Untrenhmen haben ihre längerfristige Planung für Investitionen und den Aufbau zusätzlicher Beschäftigung angepasst haben.

Vertiefend wird dies in der Prognos-Studie "Auswirkungen des GKV-FinStG auf die Unternehmen der pharmazeutischen Industrie - Perspektiven und Einschätzungen aus Sicht der Unternehmen" beleuchtet.

Kurskorrektur notwendig – Reformen unabdingbar

Die im GKV-FinstG verankerte Evaluationsklausel war mit der angesetzten Dauer von einem Jahr nicht weitsichtig genug. Bereits in diesem kurzen Zeitraum sind Effekte sichtbar:

  • der Zugang von Patient:innen zu Arzneimittelinnovationen verschlechtert sich,
  • weniger Investitionen in den Pharmastandort Deutschland

Eine politische Kurskorrektur ist notwendig. Das AMNOG-Prinzip der nutzenbasierten Preisfindung muss wieder gestärkt werden. Systemfremde Elemente wie die Leitplanken und der Kombinationsabschlag gehören abgeschafft. Wichtig wäre es zudem, das AMNOG inhaltlich weiterzuentwickeln, damit es mit dem medizinischen Fortschritt Schritt halten kann. Denn die Therapien werden immer zielgerichteter, die Gruppe behandelbarer Patient:innen folglich immer kleiner. Diese Besonderheiten von Therapiesituationen werden derzeit im AMNOG nicht adäquat berücksichtigt.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Handlungsfelder für eine Reform, hierzu stehen die forschenden Pharmaunternehmen für einen konstruktiven Dialog bereit.