AMNOG - Jahresrückblick 2024
Das Jahr 2024 war für die AMNOG-Nutzenbewertung ziemlich turbulent. Dies gleich in mehrfacher Hinsicht, wie ein Jahresrückblick zeigt.
Im Zeichen des Medizinforschungsgesetzes
Rund 13 Jahre nach seinem Inkrafttreten erfolgte für das AMNOG-Verfahren eine erneute Weichenstellung. Nach den gravierenden Anpassungen durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) folgten nun weitere Anpassungen durch das Medizinforschungsgesetz (MFG). Neben neuen Bestimmungen zur Durchführung klinischer Studien hat das Gesetz auch eine große Relevanz für den AMNOG-Prozess. Die zentrale Korrektur hierfür lautet: stammen die Studienergebnisse zu einem Medikament zu mindestens 5 % von Teilnehmer:innen aus Deutschland, werden für die Erstattungsbetragsverhandlungen die sogenannten „AMNOG-Leitplanken“ (eine Folge des GKV-FinStG) befristet ausgesetzt. Die Regelung tritt für neue Arzneimittel zum Jahreswechsel ab Januar 2025 in Kraft. Die Auswirkungen dieser teilweisen Korrektur müssen genau beobachtet werden.
Kombinationsabschlag
Im Herbst des zurückliegenden Jahres erfolgte zudem eine Klarstellung zur Umsetzung des Kombinationsabschlags. Ebenso eine umstrittene Folge des GKV-FinStG, die den Preisdruck für viele innovative Medikamente immens verschärft und zu einer Doppelbelastung führt. Die Regel sieht vor, dass auf neue Arzneimittel, die kombiniert eingesetzt werden, ein pauschaler Abschlag von 20 Prozent gilt. Das Ergebnis ist, wie es zu erwarten war: ein fehleranfälliges System mit überbordender Bürokratie und ein AMNOG-Verfahren, dass im Jahr 2024 so komplex und planungsunsicher ist, wie nie davor.
Die Marke von 1000 Verfahren geknackt
Zum Jahresende durchliefen über 460 Arzneimittel eine Nutzenbewertung. Dabei wurde die symbolische Marke von 1000 abgeschlossenen Verfahren überschritten. Im Jahr 2024 wurden knapp über 100 AMNOG-Verfahren begonnen. Nach einem stetigen Anstieg in den zurückliegenden Jahren und einem vorläufigen Höhepunkt um 2021 zeigt sich inzwischen eine deutliche Trendumkehr. Weiterhin gilt, dass die meisten Verfahren inzwischen als eine erneute Bewertung oder eine Bewertung im neuen Anwendungsgebiet stattfinden. Eine permanente Nutzenbewertung der neuen Arzneimittel ist also weiterhin der Normalfall.
Die Bilanz
Die Bilanz der AMNOG-Nutzenbewertung zeigt: rund 57 % der neuen Arzneimittel konnten bislang ihren Zusatznutzen belegen. In 3 % mit einem erheblichen, in 20 % beträchtlichen, 15 % geringen und 19% nicht quantifizierbaren Ausmaß.
Es zeichnet sich aber auch hier eine Trendumkehr ab. So ist der Anteil des belegten Zusatznutzens in den Verfahren der letzten beiden Jahre 2023 und 2024 gesunken. Auffällig ist dabei weiterhin, dass sich der Anteil der Verfahren mit einem mindestens beträchtlichen Zusatznutzen im Vergleich zu den Jahren davor nahezu halbiert hat. Nach dem Inkrafttreten der Verschärfungen durch die „Leitplanken“ im GKV-FinStG ist diese Entwicklung auffällig. Die Tendenz kann ein Anzeichen dafür sein, dass die G-BA-Bewertungen den zwischenzeitlichen Fehlanreizen der AMNOG-Leitplanken folgen. Dies wäre genau die befürchtete Fehlsteuerung dieses Instruments: weniger statt mehr Forschungsanreize.
Innovationen im AMNOG: Licht und Schatten bei der Bewertung
Erfreulich war die Anerkennung relevanter Innovationen in einer Reihe von Nutzenbewertungen. Dies betraf insbesondere eine Reihe an Krebserkrankungen, wie akute myeloische Leukämie (AML), Endometriumkarzinom, Mammakarzinom, malignes Gliom oder Prostatakarzinom.
Das zurückliegenden Jahr verdeutlichte aber auch aufs Neue, dass der starre Bewertungsrahmen vor allem den Herausforderungen der besonderen Therapiesituationen mit zunehmend zielgerichteten Therapien und kleineren Zielpopulationen von Betroffenen nicht gerecht wird. Dies, obwohl die Häufigkeit von Erkrankungen im Fokus einer Nutzenbewertung zuletzt um 97 Prozent geringer war als in den ersten Jahren des AMNOG-Verfahrens.
Auch bei Kinderarzneimitteln blieb das AMNOG im zurückliegenden Jahr erneut ohne Anerkennung der Besonderheiten bei der Durchführung klinischer Prüfungen. Dies, obwohl im Zeitverlauf ist deutlicher Anstieg solcher Nutzenbewertungen festzustellen. Lag der Anteil pädiatrischer Verfahren zum AMNOG-Beginn noch bei 1,6 Prozent, so stieg dieser kontinuierlich auf 16,4 Prozent im Jahr 2024. Erneut erwiesen sich auch kurzfristige Änderungen von zweckmäßigen Vergleichstherapien als eine formale Hürde für den Zusatznutzennachweis.
AMNOG-Einsparungen erneut auf dem Höchststand
Das Jahr 2024 markiert erneut einen Rekord der durch das AMNOG realisierten Einsparungen. Es werden Entlastungen in Höhe von 10,3 Mrd. Euro für die gesetzlichen Krankenkassen erwartet. In dem Gesamtzeitraum von 2011 bis 2024 kumulieren sich die AMNOG-Einsparungen bereits auf rund 45 Mrd. Euro. Für das kommende Jahr 2025 wird ein Einsparvolumen in Höhe von 12,2 Mrd. Euro prognostiziert.
Das europäische HTA startet zum Jahreswechsel
Das Jahr 2024 stand zugleich im Zeichen der intensiven Vorbereitungen auf die europäische HTA-Bewertung von neuen Arzneimitteln, die ab 2025 parallel zur Zulassung zunächst für onkologische Therapeutika und Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) starten wird. Viele Etappen wurden bereits genommen, aber es bleibt noch viel zu tun. Auf den letzten Metern werden auch im AMNOG die richtigen Weichen gestellt werden (müssen!), um eine bestmögliche Verzahnung europäischer und nationaler Prozesse, die optimale Nutzung der Ergebnisse und Planungssicherheit für Unternehmen sicherstellen.
Blick nach vorn: „Zukunft AMNOG“
Die Entwicklungen des zurückliegenden Jahres zeigen, dass das AMNOG einer Modernisierung bedarf. Der vfa hat zum Jahresende konkrete Handlungsfelder und Vorschläge unter dem Titel „Zukunft AMNOG: Neue Impulse für die Patientenversorgung" präsentiert, die einen Beitrag zu aktuellen Reformdebatten leisten, um diesen Schritt nach vorn nachdrücklich zu unterstützen. Auch im kommenden Jahr heißt es also: keine Zeit, sich auszuruhen!