Medizinforschungsgesetz: So wird es schrittweise wirksam
Am 30. Oktober 2024 ist das Medizinforschungsgesetz (MFG) nach Publikation im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten. Es hat große Relevanz für die Durchführung klinischer Studien und den Arzneimittelmarkt in Deutschland. Seine verschiedenen Bestimmungen werden nun nach und nach wirksam.

Das Medizinforschungsgesetz beschleunigt die strahlenschutzrechtliche Prüfung von klinischen Studien mit Röntgen- oder PET-Diagnostik oder Radiopharmaka. Das kann Deutschland wieder zu mehr klinischen Studien verhelfen.
Neue Fristen für die Studiengenehmigung
Einige Passagen des MFG wurden direkt mit dem Inkrafttreten wirksam. So gilt seit 31. Oktober 2024 bei Anträgen für klinische Studien, an denen nur medizinische Einrichtungen aus Deutschland mitwirken (sogenannte mononationale Studien), die verkürzte Genehmigungsfrist von 28 Tagen.
Sozialrechtliche Vorgaben
Das MFG setzt auch bei den Erstattungsregeln für neue Medikamente an, um einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen, dass Forschungsaktivitäten künftig zu einem größeren Anteil in Deutschland durchgeführt werden. Diese Regelungen, die das Sozialgesetzbuch V betreffen, sind Anfang Januar 2025 in Kraft getreten.
Erweiterter Verhandlungsspielraum bei Erstattungsbetragsverhandlungen:
Stammen die Studienergebnisse zu einem Medikament zu mindestens 5 % von Teilnehmer:innen aus Deutschland, werden für die Erstattungsbetragsverhandlungen nach der Markteinführung die sogenannten „AMNOG-Leitplanken“ ausgesetzt. Diese zusätzlichen Preisvorgaben waren mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz Ende 2022 eingeführt worden. Mit dieser forschungsabhängigen „Leitplanken“-Befreiung wird auch ein Impuls für die Versorgung gesetzt. Denn im Rahmen der Studien haben deutsche Patientinnen und Patienten früh Zugang zu den Arzneimitteln, es können aussagekräftige Studiendaten im deutschen Versorgungskontext generiert werden und Ärztinnen und Ärzte können Erfahrungen mit dem Medikamenteneinsatz sammeln.
Option für vertrauliche Erstattungsbeträge
Der Hersteller kann seit Anfang Januar 2025 veranlassen, dass der verhandelte Erstattungsbetrag nicht öffentlich gelistet wird. Voraussetzung ist, dass er einen zusätzlichen Rabatt von 9 % gewährt und die Mehrkosten, die bei den Kostenträgern anfallen, ausgleicht. Auch muss er Forschungsaktivitäten in Deutschland nachgewiesen haben.
Von dieser Möglichkeit hat bis 12. März aber noch kein Unternehmen Gebrauch gemacht.
Weitere Bestimmungen für klinische Studien
Neue Strahlenschutzbestimmungen
Ab Anfang Juli 2025 werden dann neue Bestimmungen für die strahlenschutzrechtliche Genehmigung bzw. Anzeige für klinische Arzneimittelstudien gelten. Eine solche Genehmigung ist dann erforderlich, wenn die Medikamente Radiopharmaka sind, also Wirkstoffe mit radioaktiven Atomen enthalten (etwa für bestimmte Krebstherapien). Eine strahlenschutzrechtliche Anzeige ist notwendig, wenn beispielsweise der Erfolg einer Behandlung mit Hilfe von Röntgen- oder PET-Diagnostik kontrolliert werden muss.
Bislang musste dann in Deutschland immer das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) den Studienantrag bzw. die Anzeige in einem eigenständigen Verfahren prüfen. Ab Juli 2025 jedoch wird für alle Anträge auf Studien mit Erwachsenen oder Minderjährigen, bei denen eine voraussichtliche Gesamt-Strahlendosis pro Person von 6 Millisievert nicht überschritten wird, das Anzeige-Verfahren genügen. Gelten wird es auch für Studien mit Erwachsenen und mehr als 6 Millisievert Strahlenbelastung, wenn diese durch die Begleitdiagnostik verursacht ist. Die Anzeige wird dann statt vom BfS von derjenigen Ethikkommission geprüft werden, die auch für die ethische Prüfung der betreffenden Studie zuständig ist. Ein Genehmigungsverfahren beim BfS ist dann nur noch erforderlich für Studien mit einer absehbaren höheren Strahlenexposition als 6 Millisievert durch die Begleitdiagnostik oder Radiopharmaka, wenn die Teilnehmenden minderjährig sind, oder allein durch Radiopharmaka, wenn die Teilnehmenden erwachsen sind. Das Genehmigungsverfahren beim BfS ist dann aber integriert in das Genehmigungsverfahren beim BfArM oder PEI; und es gilt auch für das BfS eine Bearbeitungsfrist, die an die Fristen angepasst ist, die sich aus dem EU-Recht (EU-Verordnung 536/2014, EU-CTR) und dem deutschen Arzneimittelgesetz (AMG) für Studiengenehmigungen ergeben.
Ziel dieser Änderungen ist es, dass auch strahlenschutzrechtlich relevante Studien in Deutschland in ähnlicher Geschwindigkeit genehmigt werden, wie das in anderen europäischen Ländern der Fall ist – und dass dies dazu führt, dass künftig Studien mit Strahlenexposition auch wieder öfter Deutschland einbeziehen. Ob das gelingt, wird die Zukunft zeigen.
Spezialisierte Ethikkommission für besondere Verfahren
Studien zur Erprobung von Medikamenten mit Proband:innen oder Patient:innen benötigen stets neben der behördlichen Genehmigung auch eine positive Bewertung durch eine Ethikkommission. Das MFG sieht vor, dass zusätzlich zu den vorhandenen Ethikkommissionen noch eine spezialisierte Ethikkommission für besondere Verfahren eingerichtet wird. Sie wird aus mehreren Spruchkörpern bestehen.
Die spezialisierte Ethikkommission soll für die ethische Bewertung von Studienanträgen zuständig sein, die ab 1. Juli 2025 gestellt werden, wenn diese zu folgenden Spezialgebieten des Studienwesens gehören:
- Studien mit Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP, also Gen-, Zell- und Gewebetherapien),
- Studien mit neuen Arzneimittel, die erstmalig mit Menschen erprobt werden, (1)
- Arzneimittelstudien mit einem therapiebegleitenden Diagnostikum,
- Studien mit Arzneimitteln, die in der Notfall-Einsatzgruppe der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) beraten werden,
- Masterprotokoll-Studien.
Am 12. März informierte das Bundesgesundheitsministerium, dass es 93 Expertinnen und Experten für die Arbeit in der spezialisierten Ethikkommission berufen hat. Unter diesen gebe es Medizinethiker:innen, Ärztinnen und Ärzte, Jurist:innen wie auch Laien. Die Mitglieder werden ihre Tätigkeit „unabhängig und ehrenamtlich“ ausüben. Die Geschäftsstelle der Kommission wird beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn angesiedelt. Damit sind grundsätzlich die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass dieser Teil des Medizinforschungsgesetzes termingerecht wirksam werden kann.
Was noch einer Rechtsverordnung bedarf: Standardvertragsklauseln für klinische Studien
Das MFG hat die Bundesregierung dazu ermächtigt, mittels einer Rechtsverordnung Standardvertragsklauseln festzuschreiben, die dann für Verträge zwischen Pharmaunternehmen und medizinischen Einrichtungen über klinische Studien verbindlich sind. Sie sollen dazu beitragen, dass die in der Vergangenheit oft überlangen Vertragsverhandlungen in kürzerer Zeit abgeschlossen werden. So ein Vorgehen hat sich in Spanien und Frankreich bereits bewährt. Allerdings bleibt dieser Gesetzesteil so lange ohne Wirkung, bis tatsächlich von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates eine entsprechende Rechtsverordnung verabschiedet wird.
Einen Entwurf für diese Verordnung gibt es mittlerweile, als Teil des „Referentenentwurfs der Verordnung zur Vereinfachung der Durchführung klinischer Prüfungen“ mit Stand 11.02.2025; veröffentlicht vom Bundesgesundheitsministerium (BMG). Der Entwurf der neuen „Standardvertragsklausel-Verordnung“ (StandVKlV) und der zugehörigen Anlagen findet sich darin als rund 13-seitiger Artikel 1. Dieser Entwurf greift in einigen Teilen die grundlegenden Ansätze der vom vfa mitentwickelten und breit konsentierten Mustervertragsklauseln (siehe unten) vom November 2023 auf. Der vfa hat am 10. März seine Stellungnahme zur StandVKlV veröffentlicht. Auch hat er an der zeitgleich veröffentlichten Stellungnahme der Verbändeplattform "Mustervertragsklauseln zum Referentenentwurf für eine Verordnung zur Vereinfachung der Durchführung klinischer Prüfungen" (KKS-Netzwerk, Deutsche Hochschulmedizin, vfa, BPI, BVMA und BV Med) mitgewirkt.
Im März wurde der Entwurf auch im Rahmen einer Anhörung im BMG mit verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens diskutiert, um danach überarbeitet zu werden. Wann danach eine Verordnung von der Bundesregierung verabschiedet und die Zustimmung des Bundesrats eingeholt werden kann, ist derzeit noch offen.
Bis dahin müssen Unternehmen und medizinische Einrichtung für ihre Vertragsverhandlungen zu klinischen Studien aber nicht auf Vorlagen warten. Vielmehr können sie auch jetzt schon die veröffentlichten Mustervertragsklauseln nutzen, die die Deutsche Hochschulmedizin, das KKS-Netzwerk und der vfa erarbeitet haben, und die auch vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und dem Bundesverband Medizinischer Auftragsinstitute (BVMA) unterstützt werden. Entwickelt wurden sie ausdrücklich so, dass sie einen Ausgleich zwischen den Interessen beider Seiten herstellen. Anders als bei den geplanten Standardvertragsklauseln ist ihre Verwendung jedoch freiwillig.