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Künstliche Intelligenz: Starke Unterstützung für die Arzneimittelentwicklung und die Versorgung mit Medikamenten

Der am 10. Juni 2024 erschienene Biotech-Report von vfa und Boston Consulting Group „Medizinische Biotechnologie 2024“ bietet einen ausführlichen Überblick und konkrete Fallbeispiele aus dem zukunftsweisenden Feld der Künstlichen Intelligenz (KI) und deren Auswirkungen auf die Pharmaforschung und -entwicklung sowie auf die Arzneimittelversorgung.

Hologramm-Betrachtung eines digital dargestellten menschlichen Herzens

Wie der Report anhand zahlreicher Fallbeispiele unserer Mitgliedsunternehmen verdeutlicht, kann KI neue Diagnostik- und Therapieansätze aufzeigen und das Spektrum potenzieller Wirkstoffkandidaten erweitern, und damit enormen Mehrwert gerade in der Frühphase von Therapieentwicklungsprojekten schaffen. Sie reduziert die Zahl notwendiger Labortests und verkürzt wesentliche Etappen in der Arzneimittelentwicklung. Für Pharma- und Biotechunternehmen verspricht KI entlang der gesamten Wertschöpfungskette erhebliche Effizienzsteigerungen.

Einige davon veranschaulicht die folgende Grafik. Senkrecht folgt die Grafk dem Weg von der Idee bis zu einem zugelassenen neuen Medikament. In der Waagrechte zeigt sie jeweils, wie viele potenziellen Wirkstoffmoleküle jeweils in einer Entwicklungsetappe parallel untersucht werden müssen, damit – statistisch gesehen – am Schluss noch eine zulassungsfähiger Wirkstoff übrig bleibt.

Trichtergrafik zur Arzneimittelentwicklung von der Wirkstoff-Forschung über die klinische Entwicklung bis zur Zulassung

KI kann zu Anfang dafür sorgen, dass weit mehr Moleküle als bisher als Ausgangspunkt für die Erarbeitung eines neuen Wirkstoffs in Betracht gezogen werden können. Schon bald darauf kann sie umgekehrt dazu verwendet werden, scharf auszusiehen, so dass mit weniger potenziellen Wirkstoffmolekülen die klinische Erprobung begonnen wird. Wenn die KI-unterstützte Auswahl wirklich überlegen ist, wird das dazu führen, dass weniger Projekte in der klinischen Phase abgebrochen werden müssen und folglich auch die geringere Zahl von in die klinische Entwicklung eintretenden Wirkstofkandidaten trotzdem zu einer Zulassung führt. KI dürfte aber auch die Etappen beschleunigen.

Für die Patient:innen bedeutet also der Einsatz von KI voraussichtlich eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass für passende und gut verträgliche Medikamente entwickelt werden – und das schneller als je zuvor. Diese Beschleunigung hat auch gesellschaftliche Bedeutung, beispielsweise bei künftigen Pandemien. Obwohl die Effekte derzeit noch nicht vollständig quantifizierbar sind, zeigen erste Daten eine positive Tendenz: Wirkstoffe, die mithilfe von KI entdeckt wurden, weisen in der Regel ein vielversprechendes Sicherheitsprofil auf. Das Potenzial von KI in der Pharmaforschung und -Entwicklung wird sich voraussichtlich in den nächsten 10 bis 20 Jahren kontinuierlich entfalten.

Schwerpunkte der KI-Anwendung

Grundsätzlich kommt ein KI-Einsatz für die Entwicklung von Medikamenten jeglichen Typs in Betracht. Eine Auswertung der Veröffentlichungen in Fachzeitschriften international (siehe nachfolgende Abbildung) zeigt allerdings, dass der Schwerpunkt des Einsatzes derzeit zum einen bei der molekularen Aufklärung von Krankheitsursachen und bei der Erarbeitung neuer Wirkstoffe vom Typ "Small Molecules" liegt. Mit "Small Molecules" sind chemisch-synthetische Wirkstoffe gemeint, die typischerweise aus nur einigen hundert Atomen aufgebaut sind. Ein Grund dafür liegt im enormen Rechenaufwand, der für die digitale Analyse von Biomolekülen (Antikörpern, Impfstoff-Antigenen etc.) erforderlich ist.

Bei einer Sortierung der Publikationen nach Krankheitsgebieten (wie in der nachfolgenden Abbildung) zeigt sich, dass KI-Anwendungen nicht auf bestimmte Krankheitsgebiete beschränkt sind; und dass KI-Einsatz besonders häufig in der Onkologie vorkommt, korrespondiert einfach damit, dass für die Onkologie ohnehin besonders viele Medikamente entwickelt werden. Auffällig ist lediglich, wie intensiv KI speziell für die Arzneimittelentwicklung gegen Covid-19 genutzt wurde; dafür dürfte die Hoffnung ausschlaggebend gewesen sein, mittels KI besonders rasch voranzukommen.

Versorgung von Patient:innen

Auch in der Versorgung von Patient:innen zeigt der Einsatz von KI großes Potenzial. Diagnosen können präziser und schneller gestellt werden, was frühzeitigere Behandlungen und höhere Überlebenschancen ermöglicht. KI unterstützt Ärzt:innen bei der Erstellung individueller Behandlungspläne und ermöglicht das kontinuierliche Monitoring und die Anpassung in Echtzeit. So wird die Patient:innenversorgung effizienter, präziser und zugänglicher.

Maßnahmen für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit

Um Deutschlands internationale Wettbewerbsfähigkeit bei der medizinischen KI-Technologie zu sichern, sollte die Politik laut vfa und BCG unter anderem diese Maßnahmen ergreifen:

  • Ausbalancieren von Datenschutz und Datenverfügbarkeit für Zwecke des KI-Trainings.
  • Klare und konkrete Formulierungen für Richtlinien zur Verwendung von KI.
  • Mehr Förderung für die medizinische KI-Forschung, u.a. durch Einrichten von hochwertigen Gesundheitsdatenbanken und nationalen KI-Rechenzentren.
  • Mehr Aus- und Weiterbildung in KI-Berufen, auch interdisziplinär (medizinisch-informatisch).

Der Biotech-Report zum Download