#MacroScopePharma 04/25
Der Economic Policy Brief des vfa
Frühjahrsprognose: US-Zölle halten die Welt in Atem – Pharma in der Krise robust
Die Weltkonjunktur stockt und die erratische Handelspolitik der USA macht wenig Hoffnung auf eine Erholung: Drastische Zollankündigungen stören Handelswege und Wertschöpfungsketten und sorgen für Unsicherheit. Das ist Gift für die ohnehin schwachen Investitionen. Die exportabhängige deutsche Wirtschaft kommt deshalb auch im Jahr 2025 nicht von der Stelle. Umso dringender ist ein schneller Abschluss der Regierungsbildung. Die Milliarden zur Sanierung öffentlicher Infrastruktur werden zwar für eine Belebung sorgen, lösen aber nicht die grundlegenden Probleme der Industrie. Die Pharmabranche bleibt von der Zolldebatte nicht unberührt, hält sich aber robust.
Weltwirtschaft: US-Politik belastet Handel und verunsichert Unternehmen
Die weltwirtschaftliche Dynamik hat sich erheblich verlangsamt. Auslöser ist der handelspolitische Zickzack-Kurs des US-Präsidenten Donald Trump, der die internationale Zusammenarbeit erheblich erschwert, Wertschöpfungsketten stört und zu einer enormen Unsicherheit geführt hat, welche die Ausgaben der privaten Haushalte und Unternehmen weltweit zusätzlich empfindlich bremst.
Die Zollpolitik der Trump-Administration dürfte zu einem guten Teil bei den Amerikanern selbst zu Wohlfahrtsverlusten führen.(1)
Der Dollar hat seit Jahresbeginn abgewertet und die amerikanischen Aktienmärkte haben zeitweilig massiv nachgegeben. Unter diesen Vorzeichen sind die Prognosen für die US-Wirtschaft deutlich gesenkt worden: Die Zuwächse in diesem und im kommenden Jahr dürften mit jeweils nur noch 1,8 Prozent hinter den Möglichkeiten der US-Wirtschaft zurückbleiben (siehe Tabelle unten).(2)
Die getrübten Aussichten und die äußerst hohe Unsicherheit äußern sich bereits in zunehmender Kaufzurückhaltung der US-Haushalte. Auf dem Arbeitsmarkt mehren sich Anzeichen der Schwäche. Die ohnehin hartnäckige Inflation dürfte durch die Zölle weiter angeschoben werden, was Zinssenkungen seitens der Zentralbank verzögert. Die Unternehmen dürften sich in diesem unsicheren Umfeld mit Investitionen zurückhalten.
Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft verlangsamt sich bereits seit Jahren. Probleme im Immobiliensektor und die hohe öffentliche Verschuldung begrenzen die wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit. Der Zollstreit mit den USA verschärft dies nun erheblich, weil die Exporte spürbar belastet werden, die einen Teil der binnenwirtschaftlichen Schwäche ausgeglichen haben. Die Zuwächse der chinesischen Wirtschaftsleistung dürften deutlich geringer ausfallen.

Die Europäische Union steht wegen der Neuausrichtung der US-Außenpolitik größeren sicherheitspolitischen Herausforderungen gegenüber. Bisher geplante Konsolidierungsbemühungen werden weniger ambitioniert vorangetrieben. Zusätzliche Verteidigungsausgaben geben der europäischen Konjunktur im Prognosezeitraum ein wenig Schwung. Eine schnelle Steigerung der Verteidigungsausgaben zeichnet sich kapazitätsbedingt aber nicht ab. Der Kapazitätsaufbau wird auch durch den zunehmenden Fach- und Arbeitskräftemangel gebremst. Etwas Nachfrageschwung entfalten die steigenden Realeinkommen der Haushalte und leicht sinkende Zinsen erleichtern die Finanzierung zusätzlicher Investitionen. Vor allem die Industrie wird durch handelspolitische Spannungen hart getroffen. Spürbar dürfte dies vor allem in Deutschland, Italien und Irland werden. Dennoch dürfte sich die Konjunktur in Europa etwas beleben.
Mit den USA und China schwächt sich die Dynamik in zwei der wichtigsten deutschen Absatzmärkte ab. Je nachdem, wie sehr der Handelskonflikt zwischen diesen Ländern eskaliert, drohen jedoch noch deutlich größere Verwerfungen. Vor allem würgen die derzeit angedachten Zollsätze den deutschen Exportmotor ab. In diesem und besonders im kommenden Jahr legt der Welthandel noch langsamer zu als die Weltproduktion (vgl. Tabelle unten, Zeilen 2 und 3).
Deutschland: Krise dauert an
Die deutsche Wirtschaft ist erheblichen negativen wie positiven Einflüssen ausgesetzt. Der Exportmotor stottert schon seit geraumer Zeit gewaltig und wird durch die Zölle zusätzlich belastet. Dies schürt auch die hohe Unsicherheit.(3) Positiv dürften sich die Belebung der europäischen Konjunktur und die sinkenden Zinsen äußern. Ein kräftiger Schub ist perspektivisch von den öffentlichen Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung zu erwarten.(4) Die Voraussetzungen wurden mit der Veränderung der Schuldenbremse und der Einrichtung des Infrastruktursondervermögens geschaffen. Welche der im Koalitionsvertrag formulierten Maßnahmen zuerst umgesetzt werden, bleibt allerdings noch abzuwarten. Die Entlastungen der Unternehmen und die Anhebung der Forschungszulage dürften für Dynamik sorgen. Zunächst überwiegen die Hemmnisse, sodass die deutsche Wirtschaft mit einem Nullwachstum auch dieses Jahr nicht aus der Krise findet (siehe Abbildung unten). Für das kommende Jahr sind die Aussichten besser und das Plus bei der Wirtschaftsleistung dürfte mit 1,2 Prozent seit Langem wieder kräftiger ausfallen (siehe Tabelle unten).

Eine Ursache der anhaltenden Krise sind die deutschen Warenexporte, die sich seit der Energiekrise vom Welthandel abgekoppelt haben. Vor allem die deutsche Industrie hat bis zuletzt Marktanteile verloren. Grund ist eine immer schlechtere Wettbewerbsposition vieler Branchen (siehe Abbildung unten). Dies liegt zum einen an der zunehmenden Konkurrenz durch subventionierte Hersteller aus China. Handelsumlenkungen wegen der US-Zölle könnten diese Konkurrenz verstärken. Zum anderen belastet die verschlechterte Kostenstruktur nach dem Wegfall russischer Gaslieferungen. Es sind vor allem die energieintensiven Branchen, die von einer verschlechterten Wettbewerbsposition berichten. Nach der ausgeprägten Exportschwäche in der zweiten Jahreshälfte 2024 (siehe Tabelle unten) sprangen die Ausfuhren zum Jahreswechsel 2025 dagegen kräftig an. Dies dürfte vor allem dem Lageraufbau in den USA geschuldet sein, um so vorübergehend die US-Importzölle zu umgehen. Dies dürfte aber nicht von Dauer sein, weshalb sich die Exporte absehbar abschwächen werden. Hinzu kommen die Schäden durch den schwelenden Handelskonflikt. Selbst der aktuell geltende Mindestsatz von zehn Prozent dämpft den Handel empfindlich.(5) Unterm Strich folgt den Vorzieheffekten des ersten Quartals zunächst eine durch die Handelskonflikte geprägte Durststrecke (siehe Tabelle unten), bevor sich die Auftriebskräfte im späteren Verlauf verhalten durchsetzen.

Die Bruttoanlageinvestitionen liegen deutlich unterhalb des Niveaus zum Jahresende 2019. Vor allem die Investitionen in Maschinen und Anlagen sinken im Trend nunmehr seit mehr als fünf Jahren. Auch in diesem Jahr dürfte sich der Abwärtstrend vor allem wegen des schwierigen weltwirtschaftlichen Umfelds fortsetzen. Positiv dürften sich die Beschlüsse zum Infrastruktur-Sondervermögen auf die Bautätigkeit auswirken. Notwendig ist allerdings eine deutliche Beschleunigung der Planungs- und Umsetzungsprozesse, damit ab dem Jahreswechsel 2025/26 die Impulse spürbar werden.
Ebenfalls könnten die geplanten weitreichenden Änderungen bei den Abschreibungsmöglichkeiten für einen Schub bei den Investitionen sorgen. Dennoch bleiben die Investitionen in Ausrüstungen zunächst schwach und werden im Durchschnitt dieses Jahres erneut deutlich sinken. Für das kommende Jahr stehen die Zeichen aber deutlich besser. Bis zuletzt deutlich gestiegen sind die sonstigen Investitionen, die Patente, Softwarelizenzen sowie Aufwendungen für Forschung und Entwicklung umfassen. Sie dürften weiterhin ausgeweitet werden, da sie weniger auf konjunkturelle Schwankungen reagieren und im späteren Verlauf durch die im Koalitionsvertrag vorgesehene Ausweitung der Forschungszulage spürbar angeschoben werden.
Der staatliche Konsum fällt dieses Jahr etwas schwächer aus als im Vorjahr. Im Jahr 2026 schlagen dann die höheren Verteidigungsausgaben spürbar zu Buche. Der private Konsum bleibt verhalten. Die Einkommen legen in realer Rechnung zwar zu – die Inflation dürfte geringfügig über zwei Prozent liegen. Ein im historischen Vergleich hoher Einkommensteil wird indes gespart – mutmaßlich, weil die Verbraucher:innen mit Sorge in die Zukunft blicken. Vor allem die Entwicklung am Arbeitsmarkt trübt die Aussichten. Die Zahl der Arbeitslosen steigt seit knapp drei Jahren und die Unternehmen stellen in vielen Bereichen kaum noch ein. Gerade in der Industrie ist die Zahl der Erwerbstätigen deutlich um fast 400.000 Beschäftigte gesunken. Dies dürfte bis zum Jahreswechsel 2025/26 anhalten, mit Rückwirkung auf eine dann schwächere Lohnentwicklung. Belastend wirken zudem spürbare Erhöhungen der Sozialversicherungsbeitragssätze sowie geringere Rentenanpassungen.
In diesem Umfeld dürften vor allem die konsumnahen Dienstleistungsbranchen die Wertschöpfung nur verhalten ausweiten. Wegen der ausgeweiteten Finanzspielräume dürfte der Aufwärtstrend bei den öffentlichen Dienstleistern anhalten. Bei den Dienstleistern für die Unternehmen muss noch bis in das kommende Jahr auf eine Belebung der Nachfrage gewartet werden.
Industrie: Erneuter Rückschlag in diesem Jahr
Die deutsche Industrie kommt wegen all der Widrigkeiten und internationalen Konflikte noch immer nicht aus der Krise. Zum Jahresauftakt unterbrach die Industrie zwar ihre Talfahrt – die Produktion legte um ein halbes Prozent zu. Dies dürfte vor allem auf die Bemühungen zurückzuführen sein, Produkte vor der Erhöhung der US-Zollsätze in die USA auszuführen. Gegen eine nachhaltige Erholung spricht auch die anhaltend schwache Auftragslage, die im Januar weiter absackte. Angesichts der sich abzeichnenden schnellen Regierungsbildung hat sich die Stimmung zuletzt allerdings aufgehellt. Dennoch dürfte die industrielle Wertschöpfung in diesem Jahr erneut schrumpfen. Erst im kommenden Jahr ist eine Erholung angelegt (vgl. Tabelle oben).
Die zinsreagiblen, auf Investitionsgüter spezialisierten Branchen haben seit geraumer Zeit mit einer globalen Investitionsflaute zu kämpfen: Die drastischen, weltweiten Zinserhöhungen der Jahre 2022/23 bremsten die Investitionen weltweit. Mit dem Einläuten der Zinswende im vergangenen Jahr keimte Hoffnung auf eine allmähliche Erholung auf. Tatsächlich ließ die Produktion der betroffenen Branchen in der zweiten Jahreshälfte 2024 ihr Tief allmählich hinter sich. Seit Jahresbeginn fehlt allerdings neuer Schwung – vielmehr ist die Zuversicht der Verunsicherung gewichen. Ein Lichtblick dürfte die öffentliche Nachfrage sein und die positiven Signale der Regierungsbildung. Bis zum Sommer dieses Jahres wird die Produktion der zinsreagiblen Branchen angesichts des schwachen Welthandels und der Zollrisiken weiter schrumpfen – mit erheblichen Abwärtsrisiken durch die US-Politik.
Die energieintensiven Branchen konnten die Hoffnung auf eine nachhaltige Erholung nicht erfüllen: Die Belebung ab Jahresbeginn 2024 endete bereits zur Jahresmitte. Seitdem weist der Trend wieder abwärts. Im Jahresdurchschnitt hat es nur für ein mageres Plus gereicht (vgl. Abbildung unten und Tabelle oben). Auch die Auftragslage verharrt auf dem im Frühjahr 2023 erreichten Tief und die Erwartungen der Unternehmen bleiben trüb. Die Produktion der energieintensiven Branchen dürfte in diesem Jahr leicht sinken.(6)
Als Produzenten wichtiger Vorleistungen profitieren die Branchen auch von der aufkeimenden Industriekonjunktur im kommenden Jahr und zumindest eine teilweise Erholung der vorangegangenen Produktionseinbrüche steht zu erwarten.
Die Automobilbranche kann die strukturellen Probleme nicht abschütteln. Und auch wenn in die USA nur ein Teil der heimischen Produktion exportiert wird (viele Modelle für den US-Markt werden von den Herstellern direkt in den USA oder angrenzenden Ländern gefertigt): Die hohen Zölle stehen Hoffnungen auf ein Auslaufen des seit 2018 andauernden Abwärtstrends entgegen.
Pharma: Aufwärtstrend hält trotz Zöllen an
Lediglich die Pharmabranche kann dem globalen Sturm derzeit trotzen und könnte ihren Aufwärtstrend fortsetzten, sofern keine Zollrisiken eintreten und sich die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland weiter verbessern. Erst im späten Jahresverlauf 2024 ist die Impfstoffproduktion nach dem Schub der Coronajahre auf ein normales Niveau zurückgefallen. Deshalb gingen mit dieser Normalisierung Rückgänge bei Produktion und Umsatz einher (siehe Tabelle unten). Mittlerweile steigen die Umsätze im Inland und vor allem im Ausland aber wieder und sind auf den langjährigen Aufwärtstrend eingeschwenkt.

Die drohenden US-Zölle auf Pharmaprodukte aus der EU trüben indes die Aussichten. Dabei dürften sie teils zu höheren Preisen für die amerikanische Bevölkerung führen. Die Nachfrage nach Arzneimitteln, insbesondere den hochinnovativen Produkten aus Deutschland, wird im Vergleich dazu wenig reagieren. Derart komplexe und patentgeschützte Waren sind nicht ohne Weiteres gegen andere Präparate austauschbar. Dort wo aufgrund bestehender Verträge keine Preisanpassungen möglich sind, werden die Zölle die Margen der Hersteller empfindlich beschneiden und Mittel für Investitionen sowie Forschung und Entwicklung einengen. Nach wie vor bleibt die Einschätzung der Exportaussichten aber überwiegend optimistisch.
Die Auslandsumsätze, die fast zwei Drittel des Gesamtumsatzes ausmachen, entwickelten sich im Herbst schwach. Zum Jahreswechsel bekamen sie aber mit plus fünf Prozent gegenüber dem Vorquartal einen deutlichen Schub. Im Zusammenspiel mit der regen Nachfrage aus dem Rest der Welt, spricht dies für ein deutliches Plus beim Auslandsumsatz in diesem Jahr (siehe Tabelle oben) – auch wenn die vielen Bestellungen aus dem Euroraum(7)
zuletzt durch hohe Krankenstände überzeichnet gewesen sein dürften.
Im Vorfeld der Zölle dürften Unternehmen zudem Lagerbestände in den Vereinigten Staaten aufgebaut haben, um gegenüber Zöllen kurzfristig abgesichert zu sein. Anzeichen für derartige vorgezogene Ausfuhren in die USA liefern allerdings bislang nur die US-Handelsdaten, die nicht direkt mit den deutschen Ausfuhren (siehe Abbildung oben) vergleichbar sind (vgl. MacroScope Facts am Ende des Dokuments). Die Inlandsumsätze haben sich wie erwartet auf dem Vor-Coronaniveau eingependelt (vgl. Abbildung unten, grüne Linie oben links) und sind kräftig in dieses Jahr gestartet. Sie dürften einen Aufwärtstrend einschlagen, wofür auch die positive Entwicklung der Auftragseingänge aus dem Inland und die optimistischen Geschäftserwartungen sprechen (siehe Abbildung unten, grüne Linie unten links bzw. unten rechts). Zu Jahresbeginn waren die inländischen Umsätze womöglich auch dadurch überzeichnet, dass für den Export vorgesehene Arzneimittel (etwa zum Lageraufbau in den USA) vorerst an heimische Großhändler verkauft wurden. Entsprechend dürfte der Inlandsumsatz künftig nicht ganz an das zuletzt erreichte Niveau anknüpfen. Dieser Schub zum Jahresauftakt verzerrt den Jahresdurchschnitt nach oben und nur deswegen liegen die Inlandsumsätze im Jahr 2026 etwas niedriger.
Alles in allem werden die Umsätze dieses Jahr um rund zweieinhalb Prozent steigen, im kommenden etwas verhaltener. Die Produktion war in den vergangenen Quartalen hinter den kräftigen Umsätzen zurückgeblieben. Mit etwas höheren Zuwächsen dürfte sie sich nun wieder an die Umsatzentwicklung angleichen.
Der Beschäftigungsaufbau in der Pharmaindustrie dürfte sich fortsetzen. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Erwerbstätigen dort um 2,1 Prozent. Zum Vergleich: In der Gesamtwirtschaft lag der Zuwachs lediglich bei 0,2 Prozent. Im Jahresverlauf hatte sich indes auch bei den Pharmaunternehmen die Beschäftigtenzahl kaum noch verändert. Da die Einstellungsfreude laut ifo-Konjunkturtest in der Branche aber seit Herbst 2024 wieder gestiegen ist, dürfte sich in diesem wie auch im kommenden Jahr der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fortsetzen. So werden wohl auch dieses Jahr rund 1100 zusätzliche Arbeitsplätze bei den Pharmaunternehmen entstehen (dies entspricht einem Plus von rund einem Prozent) – während die Beschäftigung in Deutschland insgesamt spürbar sinkt (vgl. Tabelle "Eckdaten der Prognose für Deutschland").
Bei weiter steigenden Umsätzen und Beschäftigung dürften auch die Investitionen der Pharmaindustrie weiter zulegen (Abbildung unten). Wie auch bei den ifo-Beschäftigungsplänen sind die Investitionsabsichten der Branche laut DIHK-Umfrage von der übrigen Industrie abgekoppelt: Während die Industrie insgesamt mehrheitlich plant, die Investitionen zurückzufahren, haben sich die Investitionspläne der Pharmabranche mehr und mehr aufgehellt. Zwar dürfte die derzeit hohe Unsicherheit auch die Ausrüstungsinvestitionen dämpfen. Da mittlerweile jedoch rund 90 Prozent der Pharmainvestitionen in die wenig konjunkturreagiblen Forschungs- und Entwicklungsausgaben fließen, dürften die Investitionen auch dieses Jahr ausgeweitet werden. Bereinigt um Preiseffekte dürften die realen Zuwächse zwischen zweieinhalb und drei Prozent liegen (vgl. Tabelle oben).
Fazit: Zielgenau, zügig und zusätzlich handeln
Die deutsche Wirtschaft steckt weiter in der Krise und wird zu allem Überfluss durch die US-Zollpolitik zusätzlich herausgefordert. Umso wichtiger ist es, politische Handlungsfähigkeit herzustellen. Die Regierungsbildung schreitet schnell voran. Das ist wichtig, um die drängendsten Probleme des Landes zügig und zielgenau anzugehen.
Zügig müssen vor allem die deutschen Positionen auf europäischer und internationaler Ebene eingebracht werden. Europas Stärke oder Schwäche im Handelskonflikt mit den USA ist maßgeblich durch die Haltung Deutschlands als größtem Industriestandort bestimmt. Dabei ist eine klare, aber konstruktive Position der Europäischen Union gefragt, die die eigene Wettbewerbsfähigkeit ins Zentrum stellt und so eine positive Antwort auf die Verunsicherung der Zollpolitik gibt. Verhandlungen mit den USA sollten auf mehr statt weniger Handel zielen. Der EU-Vorschlag, gänzlich auf Handelshemmnisse zu verzichten, ist richtig. Ebenfalls werden auf der europäischen Ebene grundlegende Weichen in der Industriepolitik gestellt. Auch hier sind die Positionen Deutschlands wichtige Voraussetzung für einen europäischen Konsens und für die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Wichtig ist hier, vor allem die technologische Modernisierung der Industrie zu stärken. Die Ansätze des Draghi-Reports und des Kompasses für die europäische Wettbewerbsfähigkeit sind hierfür geeignete Ausgangspunkte, die bestenfalls in einer Strategie für den Pharma- und LifeScience Standort Europa münden.
Zielgenau müssen die Schwächen des Industriestandorts in Deutschland aufgegriffen werden. Hier nimmt der Entwurf des Koalitionsvertrags wichtige Aspekte auf. Investitionen steuerlich besser zu stellen ist wichtig, um die Modernisierungsdynamik insgesamt zu stärken. Der konsequente Abbau von Bürokratie ist eine wichtige Voraussetzung dafür – die Praxischecks(8)
sind ein geeignetes Instrument, um Fortschritte zu erzielen. Zudem muss Hightech „Made in Germany“ gestärkt werden: Die Ausweitung der Forschungszulage ist ein guter Schritt. Zusätzliche Dynamik kann mit der Fortschreibung der Pharmastrategie in einer Schlüsselindustrie des Landes entfacht werden, wenn darin auch neue Märkte für Innovationen eröffnet werden. Dies klappt nur, wenn Talente in ausreichender Zahl auf dem Arbeitsmarkt zu finden sind. Der Quereinstieg in Wachstumsbranchen ist hier eine große Chance, um Perspektiven im Wandel zu eröffnen.
Zusätzlich braucht es einen Modernisierungsschub in die Infrastruktur des Landes. Die Voraussetzungen für eine auskömmliche Finanzierung sind mit der Reform der Schuldenbremse zunächst geschaffen. Jetzt kommt es darauf an, dass diese Mittel auch in eine weitere Modernisierung des Landes fließen. Nur wenig wäre erreicht, wenn damit einfach nur bereits fest geplante Projekte finanziert würden und so die Mittel an anderer Stelle versickerten.
MacroScope Facts
Die US-Importe pharmazeutischer Produkte aus Deutschland (Abbildung, vgl. die dunkelblaue Linie) sind im Januar in die Höhe geschnellt – ein Indiz für vorgezogene Lieferungen, die – sobald sie in den USA gelagert sind – nicht mehr eventuellen Anhebungen der Zollsätze ausgesetzt sind. Im Februar gab
es zwar einen Rücksetzer, der Durchschnitt liegt aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie im Schlussquartal 2024. Die entsprechenden deutschen Ausfuhren (blaue Linie) stimmen nicht vollständig mit den US-Zahlen überein, vor allem aufgrund verschiedener Produktabgrenzungen.(9)
Sie deuten – zumindest bis Januar (neuere Daten liegen noch nicht vor) – keine derartigen Vorzieheffekte an.
Fußnoten:
(1) Vgl. etwa die Pressemitteilung des IfW Kiel vom 3. April 2025 zu den tags zuvor neu verkündeten Zollmaßnahmen, „Neue US-Zölle treffen vor allem die USA selbst“, online verfügbar, und Amiti, M, Redding, S. J. und Weinstein, D. (2019): „The Impact of the 2018 Trade War on US Prices and Welfare“, NBER Working Paper 25672, online verfügbar.
(2) Wachstumsraten dieser Länder mit den Anteilen der deutschen Warenausfuhren in diese Länder gewichtet.
(3) Die Unsicherheit, vor allem mit Blick auf die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, ist in Deutschland seit geraumer Zeit im internationalen Vergleich hoch; dies bremst Investitionen und auch den privaten Verbrauch, vgl. Michelsen, C. und Junker, S. (2024). Wirtschaftspolitische Unsicherheit: Investitionen bleiben aus, MacroScope Pharma, Economic Policy Brief des vfa Nr. 11/24, online verfügbar.
(4) Fichtner, F., Junker, S., & Michelsen, C. (2025). Zur Bundestagswahl: Wie die Parteien die Investitionstätigkeit ankurbeln wollen.
Wirtschaftsdienst, 105(2), 104 – 111, online verfügbar.
(5) Mittelfristig lassen sich die aus dem Konflikt mit der US-Regierung resultierenden Abstriche beim Export durch Handelsmodelle abschätzen. So geht das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) alles in allem von deutlich gedämpften Warenausfuhren aus – bereits dem aktuell geltenden Zollsatz von zehn Prozent ergeben sich um einen dreiviertel Prozentpunkt geringere Zuwächse. Unterstellt wird in der Prognose, dass die 90-Tage-Frist genutzt wird, um durch Verhandlungen den drohenden Zollsatz auf EUAusfuhren in Höhe von 20 Prozent zu verhindern. Andernfalls würden die Exporte im zweiten Halbjahr einen erneuten Rücksetzer erleiden, vgl. die Szenarioanalysen des IfW Kiel, online verfügbar.
(6) BDI (2025): „Industriebericht: Industriepolitik und Handel nach Branchen“, Industriepolitik Dossier März 2025 des BDI Research, online verfügbar.
(7) Das Plus bei den Auslandsbestellungen (Mittel Januar/Februar im Vergleich zum 4. Quartal 2024: 6,4 Prozent) geht auf den Euroraum zurück (+ 22,8 Prozent, Drittländer: − 3,0 Prozent).
(8) Vgl. hierzu etwa das Überblickspapier „Bürokratieabbau und Praxischeck“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Klimaschutz, online verfügbar.
(9) Vgl. die Box „Daten und Methoden“ in Michelsen, C. und Junker, S. (2025). US-Zölle: Europas Exportüberschuss sorgt für Konflikte, MacroScope Pharma, Economic Policy Brief des vfa Nr. 03/25, online verfügbar.
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