Fachkräftemangel in der Pharmaindustrie: Hemmnisse und Chancen für den Standort Deutschland
Ein Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland ist älter als 55 Jahre. Diese Menschen werden dem Arbeitsmarkt im Laufe des kommenden Jahrzehnts nicht mehr zur Verfügung stehen. Qualifizierter Nachwuchs fehlt. Schon heute haben viele Branchen große Schwierigkeiten, offene Stellen neu zu besetzen.
Der Arbeitskräftemangel ist schon heute eine echte Wachstumsbremse. Und die Herausforderungen werden in den kommenden Jahren weiterwachsen. Im Wettbewerb um die fähigsten Köpfe werden sich deshalb die Unternehmen mit den besten Arbeitsbedingungen durchsetzen.
Der Fachkräftemangel stellt auch die Pharmaindustrie in Deutschland vor erhebliche Herausforderungen. Als eine der forschungsintensivsten und innovativsten Branchen ist sie auf hochqualifizierte Fachkräfte angewiesen. Doch die zunehmenden Engpässe in den Bereichen Produktion, Forschung, IT und anderen Schlüsselbereichen bremst ihr Wachstum und ihre Innovationskraft aus.
Doch wie groß sind die Lücken, was sind deren Folgen für die Branche und welche Auswege gibt es, um den Fachkräftemangel in der Pharma-Industrie zu beseitigen? Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer Studie im Auftrag des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) erarbeitet. Die Wissenschaftler:innen haben dafür sowohl die pharmarelevanten Berufe als auch die Clusterregionen in Deutschland betrachtet.
Die aktuelle Situation: Fachkräftemangel in allen Bereichen
Als wissensintensive Branche ist die Pharmaindustrie auf Fachkräfte angewiesen. Besonders in den Bereichen Produktion, Forschung und Entwicklung sowie IT gibt es große Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Laut der IW-Studie bleiben fast ein Viertel aller offenen Stellen in der Pharmaindustrie unbesetzt.
Es zeigt sich, dass es besonders in den produktionsbezogenen Berufen – wie Chemie- und Pharmatechnik – schwer ist, die notwendigen Fachkräfte zu finden. Knapp die Hälfte der fehlenden Fachkräfte wird in diesen Berufen benötigt. Auch im Bereich Forschung und Entwicklung fehlen Expert:innen wie Apotheker:innen und Pharmazeut:innen.
Herausforderungen durch den demografischen Wandel
Der demografische Wandel verschärft den Fachkräftemangel. Insgesamt werden in den kommenden Jahren rund 40.000 Beschäftigte aus der Pharmaindustrie altersbedingt ausscheiden. Das bedeutet: Für Unternehmen wird es noch schwieriger, Schlüsselpositionen zu besetzen und ihre Innovationskraft aufrechtzuerhalten.
Strategien gegen den Fachkräftemangel
Um den Fachkräftemangel in der Pharmaindustrie erfolgreich zu bekämpfen, müssen Politik und Wirtschaft gemeinsam an Lösungen arbeiten. Die IW-Studie zeigt zentrale Handlungsfelder auf:
Ein Schlüssel besteht darin, das vorhandene Fachkräftepotenzial in Deutschland besser auszuschöpfen. Dies betrifft insbesondere:
Frauen, die derzeit in vielen MINT-Berufen noch unterrepräsentiert sind. Durch bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie flexible Arbeitsmodelle können mehr Frauen in Vollzeit beschäftigt werden.
Ältere Beschäftigte, die länger im Erwerbsleben gehalten werden müssen, indem Unternehmen flexible Modelle zur Verlängerung der Erwerbsphase über das Rentenalter hinaus anbieten.
Geringer qualifizierte Arbeitskräfte, die durch gezielte Nachqualifizierungen für anspruchsvollere Aufgaben in der Pharmaindustrie fit gemacht werden können.
Technologischer Fortschritt bietet erhebliche Chancen, die Auswirkungen des Fachkräftemangels zu dämpfen. Automatisierung und Digitalisierung können sich wiederholende Aufgaben übernehmen und gleichzeitig die Produktivität steigern. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) können beispielsweise Prozesse in der Forschung und Entwicklung beschleunigt und die Markteinführung neuer Medikamente schneller vorangetrieben werden.
Damit dies gelingt, können Investitionen in die Digitalisierung sicherstellen, dass Mitarbeitenden die nötigen digitalen Fähigkeiten entwickeln. Gleichzeitig ist es entscheidend, dass die Politik die notwendige digitale Infrastruktur bereitstellt.
Der Zuzug qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland wird eine entscheidende Rolle spielen, um die Fachkräftelücke zu schließen. Allerdings bremsen hier bürokratische Hürden. Es braucht daher effiziente und zentrale Anlaufstellen, die Unternehmen bei der Anwerbung internationaler Talente unterstützen.
Neben der Erwerbsmigration sollten die Potenziale von internationalen Studierenden und Auszubildenden besser genutzt werden. Schon heute kommen viele internationale Studierende nach Deutschland, vor allem in MINT-Studiengänge. Es ist wichtig, die jungen Talente stärker zu fördern und besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Zukunftssicherung durch Zusammenarbeit
Die Bewältigung des Fachkräftemangels erfordert eine enge Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik. Alle Beteiligten sollten es sich zum Ziel setzen, durch bessere Arbeitsbedingungen, zielgerichtete Weiterbildungsangebote, eine Stärkung der Digitalisierung sowie die konsequente Förderung von Zuwanderung und Bildung den Fachkräftemangel zu bekämpfen und die Wettbewerbsfähigkeit der Pharma-Industrie zu stärken.
Mit einem klaren Fokus auf die Fachkräftesicherung und den technologischen Fortschritt kann die pharmazeutische Branche ein wichtiger Treiber für Innovation und Wachstum in Deutschland bleiben.