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Technologische Souveränität in den Fokus rücken

Deutschland und Europa erleben derzeit eine geopolitische Zeitenwende. Einseitige Handelsbeziehungen wurden im Falle der Gaslieferung Russlands als Waffe gegen die Handelspartner eingesetzt. Eine zu große Dominanz einzelner Wirtschaftsräume bei der Entwicklung von Schlüsseltechnologien kann zu ähnlich kritischen Situationen für Wirtschaft und Gesellschaft führen. Viele Unternehmen und Volkswirtschaften strukturieren deshalb Lieferketten um und stellen ihre technologischen Kapazitäten auf den Prüfstand.

Die Expert:innen untersuchten dafür fünf Technologiefelder: die Gen-/Zelltherapien, die RNA-Technologie, die Biologika, Small Molecules und Impfstoffe. Die zentralen Ergebnisse lauten:

Im Bereich der Gen-/Zelltherapien hinkt Deutschland bei den Patentanmeldungen dem internationalen Durchschnitt deutlich hinterher.

Bei der (m)RNA-Technologie hat Deutschlands Wissenschaft einen starken Stand, jedoch spielt der Forschungsbereich innerhalb des gesamten Innovationsökosystems – anders als in China, Japan und Südkorea – eine untergeordnete Rolle.

Bei Small Molecules hat Deutschland seine internationale Spitzenstellung bei Patentanmeldungen seit 2005 kontinuierlich verloren – zusammen mit der Verlagerung von Produktion nach Indien wird damit ein erheblicher Kompetenzverlust deutlich. Das zeigt sich aktuell am stärksten bei den Lieferengpässen von Antibiotika.

Obwohl Europa und insbesondere Deutschland bei Impfstoffen hohe Kompetenz aufweisen - was sich beispielsweise sich in der Zahl wissenschaftlicher Publikationen und teilweise in Patentanmeldungen niederschlägt, weist Deutschland im Bereich der Importe externe Abhängigkeiten aus.

Biologicals: Einzig im Bereich der Biologicals und Biosimilars hat sich Deutschland eine international gute Ausgangslage erarbeitet, ist allerdings weniger gut in andere Länder vernetzt.

Die Ursachen für die Defizite sind in unterschiedlichen Gründen zu suchen: Dazu zählen eine zu niedrige Innovationsgeschwindigkeit, einerseits aufgrund komplexer bürokratischer Prozesse und fehlender Harmonisierungen in der föderalen Struktur. Besonders eklatant zeigt sich dies bei klinischen Studien.

Auch die Bündelung wichtiger Kapazitäten am Standort ist zu schwach ausgeprägt. Die geringe Konzentration in technologiespezifischen Kompetenzzentren sorgt dafür, dass die innovative Schlagkraft nicht vollständig genutzt werden kann. Bei digitalen Technologien wie KI, Software oder Machine Learning besteht zudem eine erhebliche Abhängigkeit vom Ausland. Das Risiko eines Fachkräftemangels und fehlende Daten als Forschungsgrundlage verschärft diese Situation.

Das Fazit der Expert:innen des Fraunhofer ISI drängt dementsprechend dringlich auf darauf, die Souveränität Deutschlands und Europas zu stärken - diese sei an vielen Stellen nicht gegeben: „Damit steigt auch das Risiko, in Krisenfällen unter Umständen nicht über eigene Kapazitäten und Netzwerke zu verfügen, um die bestehenden Bedarfe zu decken.“ Zwar sind nach wie vor die Potenziale für einen internationalen Spitzeninnovations- und Produktionsstandort vorhanden. Das hohe Tempo in anderen Teilen der Welt und die immer schwierigeren Rahmenbedingungen vor Ort, setzen den Pharmastandort Deutschland erheblich unter Druck.