„Importförderklausel abschaffen”
Die (Parallel-)Importförderklausel in § 129 Abs. 1 Nr. 2 SGB V verpflichtet Apotheken zur bevorzugten Abgabe von „preisgünstig importierten Arzneimitteln“. Dieser gesetzlich verankerte Wettbe-werbsvorteil von Parallel- und Reimporten, dessen Einführung 1989 aus der Perspektive der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) noch nachvollziehbar war, ist heute überholt und nicht mehr zu rechtfertigen. Zum einen bedürfen Importarzneimittel angesichts ihres beträchtlichen Marktanteils im GKV-Arzneimittelmarkt von über zehn Prozent keiner besonderen staatlichen Förderung (mehr). Zum anderen kann jeder pharmazeutische Unternehmer – sowohl Originalhersteller als auch Parallelimporteur – durch den Abschluss eines (Rabatt-)Vertrages einen Wettbewerbsvorteil für sein Präparat – nämlich die bevorzugte Abgabe in der Apotheke – herbeiführen.
vfa-Position
Der vfa plädiert für eine Streichung der gesetzlichen Importförderklausel, ohne dass dadurch Re- und Parallelimporte als solche in Frage gestellt wären. Stattdessen sollte künftig im freien Wettbewerb entschieden werden, ob ein deutsches Originalarzneimittel oder aber ein importiertes Medikament in der Apotheke abgegeben wird. Entscheidungsgrundlage für die Abgabe wäre dann – wie heute bereits bei der Aut-idem-Substitution – die Vorlage eines (Rabatt-)Vertrages zwischen einem pharmazeutischen Unternehmer und einer Krankenkasse zu einem Arzneimittel.
Die Streichung der Importförderklausel böte eine gute Möglichkeit, die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP vereinbarte Deregulierung des Arzneimittelmarktes bei gleichzeitiger Stärkung eines Vertragswettbewerbes kostenneutral in die Praxis umzusetzen. Denn das Regulierungsinstrument Importförderklausel generiert nur geringe Einspareffekte, die mit vertraglichen Lösungen nicht nur kompensiert, sondern vermutlich deutlich übertroffen werden könnten.
Im Einzelnen hält der vfa die Abschaffung der Importförderklausel aus folgenden Gründen für geboten:
- Der tatsächliche Einspareffekt durch die Importförderklausel lag im Jahr 2009 geschätzt unterhalb der 100 Millionen Eurogrenze, da
- von den Einsparungen der GKV in Höhe von 170,4 Millionen Euro durch Importarzneimittel insgesamt nur 132,4 Millionen durch Importe generiert wurden, die auch den gesetzlichen Preisabstand einhielten und damit unter die gesetzliche Importförderung fielen und
- Ärzte häufig Importe direkt verordnen (45 Prozent der zehn umsatzstärksten Importe) und ein gesetzliches Substitutionsgebot damit überflüssig machen.
- Die GKV sparte im letzten Jahr 38 Millionen Euro mit Importen, die den gesetzlichen Preisabstand nicht einhielten und somit nicht unter die gesetzliche Förderung fielen. Eine Streichung der Förderklausel bedeutet daher nicht im Umkehrschluss, dass Einspareffekte durch Importe automatisch wegfallen, insbesondere bei gleichzeitiger Förderung des Vertragswettbewerbs.
- Die gesetzliche Förderung von Re- und Parallelimporten hat das Ziel des Gesetzgebers erfüllt, diese im deutschen Arzneimittelmarkt zu etablieren. An Stelle der bisherigen Abgabeverpflichtung sollte nun der Vertragswettbewerb treten. Bei identischen Arzneimitteln (Original + Import) sollte hierbei stets das rabattierte Arzneimittel vorrangig abgegeben werden.
- Die Förderklausel behindert aber den Vertragswettbewerb mit deutschen Originalarzneimitteln. Trotz des Abschlusses von Rabattvereinbarungen über Originalarzneimittel, geben Apotheker vielfach weiterhin Importe ab, um ihre Importquote zu erfüllen. Darüber hinaus fehlen Anreize für Importeure, ihrerseits Sonderkonditionen mit Kassen auszuhandeln oder zur Versorgungsqualität beizutragen.
- Die gesetzliche Förderklausel steht zudem im Widerspruch zum Ziel der Bundesregierung, den Vertragswettbewerb im Bereich der patentgeschützten Arzneimittel zu forcieren. Eine Abgabeverpflichtung zugunsten von Importen und in der Folge ein gesetzlich garantierter Marktanteil für Importarzneimittel haben mit Wettbewerb nichts gemein und sind mit der beabsichtigten Einführung von verpflichtenden Vertragsinstrumenten (zentral und dezentral) nicht vereinbar.
- Die Regelung, dass als preisgünstig gilt, wer 15 Euro im Preis unter dem Original bleibt, führt zu einer Fehlsteuerung bei über 100 Euro teuren Arzneimitteln: Je teurer das Arzneimittel, desto geringer die prozentuale Ersparnis der GKV.
Diese Gründe sollen nachfolgend weiter erläutert werden:
Status Quo
Ihre wirtschaftliche Bedeutung beziehen Importarzneimittel aus Preisunterschieden zwischen den verschiedenen Ländern der Europäischen Union, die in der Regel auf staatliche Preisregulierungen zurückgehen. Importeure, auch Parallelhändler genannt, machen sich diese Preisunterschiede zunutze, wenn sie ein Arzneimittel in einem Land günstig einkaufen und einem anderen mit höheren Preisniveau wieder verkaufen. Somit handelt es sich beim Parallelhandel mit Arzneimitteln um ein klassisches Arbitragegeschäft, ohne dass hierbei eine relevante wirtschaftliche Wertschöpfung erfolgt. Bei Importarzneimitteln wird in Reimporte und Parallelimporte unterschieden. Parallelimporte sind Arzneimittel, die im Ausland von Pharmaunternehmen, die mit deutschen Herstellern verbunden sind, hergestellt und dort vermarktet, von Importeuren aufgekauft und von diesen in der Bundesrepublik außerhalb der Vertriebswege des Herstellers auf den Markt gebracht werden. Reimporte wiederum sind Arzneimittel, die in Deutschland hergestellt, in einen anderen Mitgliedsstaat verbracht und dann von Importeuren in das Ursprungsland zurückexportiert werden.
Schon seit 1989 sind Apotheker zur Abgabe von Importarzneimitteln verpflichtet. Deren Abgabe an Patienten wird durch eine Importförderklausel in § 129 Abs. 1 Nr. 2 SBG V durch den Gesetzgeber gezielt gefördert. Konkret verpflichtet diese gesetzliche Klausel die Spitzenorganisationen der gesetzlichen Krankenversicherung und der Apothekerschaft, die bevorzugte Abgabe von Importen in der Apotheke vertraglich zu regeln. Mit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) zum 1. Januar 2004 gilt bis heute die gesetzliche Vorgabe, dass Apotheker Importarzneimittel dann abgeben sollen, wenn deren Apothekenverkaufspreis mindestens 15 Prozent oder mindestens 15 Euro günstiger ist als der Preis des entsprechenden Originals (Preisabstandsklausel). Mit entsprechend preisgünstigen Importarzneimitteln müssen Apotheken eine so genannte Import(abgabe)quote von 5 Prozent erfüllen; d. h., dass fünf Prozent des Fertigarzneimittelumsatzes einer Apotheke mit preisgünstigen Importarzneimitteln bestritten werden muss. Erfüllen Importe diesen Preisabstand nicht, so werden sie für die Importquote nicht berücksichtigt.
Importe: Fest etabliert und vielfach direkt verordnet
Seit der letzten gesetzlichen Änderung der heute gültigen Importförderklausel zum 1. Januar 2004 ist der Anteil der Importarzneimittel am Umsatz der GKV mit Arzneimitteln von 4,9 Prozent im Jahr 2004 auf 10,7 Prozent im Jahr 2009 gestiegen. Auffällig sind dabei die enormen Zuwachsraten, die allein im letzten Jahr bei 22,6 Prozent lagen und auch weiterhin mit ungebrochener Tendenz steigen. Damit wuchs der Importmarkt im Jahr 2009 mehr als viermal so stark wie der GKV-Markt insgesamt (5,3 Prozent).
Auf den ersten Blick überraschend und deshalb umso bemerkenswerter ist, dass Parallel- und Reimporte bei der Verordnungsentscheidung des Arztes eine immer größere Rolle spielen. So werden viele der an Patienten abgegebenen Importarzneimittel mittlerweile direkt durch den Arzt verordnet. Der Anteil der vom Arzt direkt als Import verordneten Arzneimittel lag bei den zehn umsatzstärksten Importarzneimitteln des Jahres 2009 schon bei 45 Prozent (Berechnungen von IMS). Hierfür zeigt sich u. a. die gezielte Steuerung des ärztlichen Verordnungsverhaltens durch die Arztsoftware verantwortlich.
Damit werden schon beinahe die Hälfte der führenden zehn Importe direkt durch den Arzt verschrieben, ohne dass hierbei die Importförderklausel in irgendeiner Form zur Anwendung käme. Entsprechend kommt der Substitution von Originalarzneimitteln durch Importe in der Apotheke – also dem eigentlichen Regelungszweck der gesetzlichen Importförderklausel – eine vollkommen nachgeordnete Bedeutung zu. Die Streichung der Förderklausel hätte demnach auf das Einsparpotential der GKV durch Importe einen weitaus geringeren Einfluss, als sich zunächst vermuten ließe.
Importförderklausel generiert geringe Einsparungen
Die gezielte Förderung der Parallel- und Reimporte durch den Gesetzgeber wird maßgeblich von der Hoffnung auf nennenswerte Ausgabenentlastungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Arzneimittelbereich getragen. Eine Entlastung in großer Höhe ist jedoch bislang ausgeblieben. So konnten Krankenkassen im Jahr 2009 um vergleichsweise geringe 170,4 Millionen Euro durch Importarzneimittel entlastet werden. Betrachtet man nur die Entlastungswirkung durch die Importförderklausel, so relativiert sich diese Größe weiter. Unter dem Strich bleibt ein Einsparvolumen von 132,4 Millionen Euro durch solche Importe, die auch die Preisabstandsklausel erfüllten (IMS-Berechnungen). Berücksichtigt man nun noch den hohen Verordnungsanteil der Importe, so dürfte sich die tatsächliche Entlastung der GKV durch die Förderklausel auf weniger als 100 Millionen Euro belaufen. Gemessen am GKV-Arzneimittelmarkt insgesamt, verbleiben Einsparungen in der Größenordnung von 0,3, max. 0,4 Prozent.
Auf der anderen Seite belief sich die Entlastungswirkung durch Parallel- und Reimporte, die den „15 Prozent oder 15 Euro“ Preisabstand nicht einhalten, auf immerhin 38 Millionen Euro. Dies zeigt zum Einen, dass Importeure teilweise ihre Preispolitik ganz bewusst so gestalten, dass sie gar nicht unter die gesetzliche Förderung fallen. Zum Anderen wird aber auch deutlich, dass die Kran-kenkassen auch ohne Importförderklausel Einsparungen durch Importe erzielen.
Gesetzliche Importförderklausel setzt Fehlanreize
Die vergleichsweise geringe Entlastungswirkung der Importförderklausel hängt unter anderem damit zusammen, dass die Klausel selbst völlig falsche Anreize setzt. Die gesetzliche Importförderklausel – mit dem Preisabstandsgebot von 15 Prozent oder mindestens 15 Euro zum jeweiligen Originalarzneimittel – hat über die letzten Jahre hinweg eine Fokussierung von Importeuren auf hochpreisige Arzneimittel bewirkt. Allein mehr als 40 Prozent aller Importe entfallen auf hochpreisige Arzneimittel aus den Therapiegebieten Onkologie und ZNS (Zentrales Nervensystem).
Mit Blick auf die vom Gesetzgeber gewünschte finanzielle Entlastung der GKV ist diese Entwicklung höchst problematisch. Die Systematik des gesetzlichen Preisabstandsgebotes (15 Euro Preisabstand genügen!) bewirkt, dass bei Arzneimitteln jenseits der 100 Euro Preisgrenze die relative Ersparnis der Krankenkassen umso stärker sinkt, je teurer das Arzneimittel ist. In der Folge haben hochpreisige Importarzneimittel heute nur einen sehr geringen Preisabstand zum Original; der Einspareffekt bei hochpreisigen Importen ist entsprechend gering.
Im Ergebnis führt die Importförderklausel dazu, dass die in den europäischen Märkten immer wieder auftretenden Preisunterschiede von Arzneimitteln nur unwesentlich der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern primär den Importeuren selbst zugute kommen (dies bestätigt auch die Untersuchung der London School of Economics „The Economic Impact on Pharmaceutical Parallel Trade“ aus dem Jahr 2007).
Einsparungen durch Vertragswettbewerb erschließen
Eine Streichung der staatlichen Importförderung ist nicht nur aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Einspareffekte angezeigt. Die Importförderklausel behindert auch den Vertragswettbewerb bei Arzneimitteln, für die neben dem deutschen Originalarzneimittel auch eine Konkurrenz durch Importe existiert.
Dafür zeigen sich zwei Faktoren verantwortlich: Einerseits steht das Substitutionsgebot durch Importarzneimittel im Konflikt zu den Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V. Konkret findet die aus der Aut-idem-Regelung bekannte Abgabeverpflichtung rabattierter Arzneimittel für die Substitution mit Parallel- und Reimporten keine Anwendung. Der Apotheker ist vielmehr frei zu entscheiden, ob er das rabattierte deutsche Original- oder das Importarzneimittel an den Patienten abgibt. Im Ergebnis werden rabattvertragsgeregelte Originale in Apotheken häufig nicht abgegeben, da Apotheker stattdessen zum Importarzneimittel greifen, um ihre Importquote zu erfüllen. Vertraglich vereinbarte Sonderkonditionen zwischen Krankenkassen und Originalherstellern laufen in Folge zu Lasten des GKV-Systems leer. Untersuchungen zeigen, dass etwa die Hälfte der Apotheken Reimporte abgeben, obwohl es rabattierte Originalpräparate gibt (DocCheck 2008: Reimport-Studie bei 200 Apotheken). Andererseits liegt der Vertragswettbewerb auf Seiten der Importeure brach, da Parallelimporteure Anreize fehlen, ihrerseits Preisnachlässe mit Krankenkassen zu vereinbaren. Bei Einhaltung des gesetzlichen Preisabstands greift das Substitutionsgebot für den Apotheker, womit sich der Importeur mit seinem Arzneimittel bereits in einer gegenüber dem Original privilegierten Position befindet. Ein zusätzlicher Rabattvertrag würde diese Position nicht verbessern. Hinzu kommt, dass der oligopolartig strukturierte Importmarkt, den zwei Unternehmensgruppen dominieren, einen Wettbewerb unter den Importeuren selbst nicht gerade fördert.
Auch aus ordnungspolitischer Sicht ist der staatlichen Förderung von Importen eine klare Absage zu erteilen. Sie verträgt sich nicht mit dem Ziel der Koalitionsfraktionen, den Arzneimittelmarkt zu deregulieren und stattdessen den Vertragswettbewerb insbesondere im patentgeschützten Segment zu forcieren. An Stelle des ineffizienten Zwangsregulativs „Importförderklausel“ sollte daher ein Vertragswettbewerb zwischen Kassen sowie Herstellern und Importeuren treten. Bisherige Erfahrungen lassen vermuten, dass sich so weit höhere Einspareffekte als 15 Euro erschließen ließen.
Fazit
Importarzneimittel sind heute in der Arzneimittelversorgung fest etabliert und haben mittlerweile einen Marktanteil am GKV-Arzneimittelumsatz von mehr als zehn Prozent. Die Einsparungen der Krankenkassen durch die Importförderklausel selbst sind vergleichsweise gering und dürften im Jahr 2009 unterhalb von 100 Millionen Euro gelegen haben. Andererseits sparen die Krankenkassen mit Importarzneimitteln bis zu 70 Millionen ein, ohne dass dies ursächlich mit der staatlichen Förderklausel in Zusammenhang steht. Dieses Einsparvolumen ließe sich durch eine Forcierung des Vertragswettbewerbs signifikant erhöhen, der jedoch durch die gesetzliche Förderklausel maßgeblich behindert wird. Schließlich ist die Importförderklausel als Kostendämpfungsinstrument ineffizient, da deren Systematik zu nur sehr geringen Einspareffekten bei höherpreisigen Arzneimitteln führt.
Im Ergebnis unterbindet die Importförderklausel einen effizienten Vertragswettbewerb, setzt durch das Preisabstandsgebot Fehlanreize und stellt letztendlich nur ein weiteres unzureichendes Kostendämpfungsinstrument dar. An der Förderklausel zeigt sich exemplarisch, dass ein Nebeneinander von staatlicher Regulierung und Vertragswettbewerb in der Praxis nicht funktioniert. Sie sollte ersatzlos gestrichen werden.