„Compliance-Programme forschender Arzneimittelhersteller ”
Unter Compliance versteht man in der Medizin das kooperative Verhalten des Patienten im Rahmen seiner Therapie und die konsequente Befolgung der ärztlichen Ratschläge, kurz gesagt, seine Therapietreue.
Adherence (Adhärenz) bezeichnet die Einhaltung der gemeinsam von Patient und Arzt gesetzten Therapieziele und setzt, im Unterschied zur Compliance, das informierte Einverständnis des Patienten voraus.
- Voraussetzung für Therapietreue ist, dass der Patient seine Erkrankung akzeptiert und sich bewusst für eine Therapie entscheidet.
- Compliance alleine reicht daher nicht, Adherence als Ergebnis von Shared Decision Making ist erforderlich.
- Adherence und Compliance sind wichtige Ziele für das Gesundheitssystem, da diesem jährlich schätzungsweise ca. 10 Milliarden € wegen fehlender Therapietreue verloren gehen(1) .
- Durch Non-Compliance entstehen – abgesehen von den medizinischen Folgen - direkte Kosten durch Einbußen hinsichtlich der Therapieeffizienz, Medikamentenumstellungen, vermehrte Krankenhauseinweisungen, erhöhte Pflegeaufwendungen und zusätzliche Arztbesuche sowie indirekte Kosten durch einen Verlust an Produktivität, Arbeitseinkommen und vorzeitige Todesfälle.
- Forschende Arzneimittelhersteller leisten nicht nur durch (innovative) Medikamente einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungssituation der Patienten, sondern übernehmen Systemverantwortung u.a. dadurch, dass sie flankierend zu den von ihnen produzierten Medikamenten Complianceprogramme anbieten, sowie durch vielfältige Maßnahmen wie die erste Erarbeitung patientenfreundlich gestalteter Packungsbeilagen.
Complianceprogramme unterstützen Patienten bei chronischen Erkrankungen im Umgang mit ihrer Therapie, wobei der Patient in alle Entscheidungen einbezogen wird. Sie befähigen den Patienten zum eigenständigen Handeln und leisten somit einen wichtigen Beitrag zu seinem Empowerment, d.h. zum mündigen Patienten.
Bausteine von Complianceprogrammen können z.B. sein:
Informationen zum Krankheitsbild und zu Therapiemöglichkeiten, Infomaterial, Hotline, Zeitschrift, Newsletter, Forum, Expertenchat, Betreuung durch Fachpersonal, Adressen von Selbsthilfegruppen, Passwort-geschützte Bereiche für Behandler (Ärzte und Fachkrankenschwestern), Programme zur Therapiebegleitung wie z.B. Erinnerungshilfen für die Medikamentenanwendung, Hinweise zur therapieunterstützenden Lebensführung u.v.m.
Allen Compliance Programme ist gemeinsam, dass sie ein Verständnis für die Therapie und deren positiven Einfluss auf Gesundheit und Lebensqualität des Patienten und seiner Angehörigen vermitteln. Alle Maßnahmen tragen somit zur besseren Versorgung der chronisch und akut Erkrankten bei.
Information und Unterstützung für Patienten:
Unterschiedliche Aufgaben für pharmazeutische Unternehmen und Selbsthilfe
- Die im vfa vertretenen Unternehmen betonen ihr Recht und ihre Verpflichtung, Patienten* im Rahmen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) über die ihnen verordneten Arzneimittel zu informieren, sofern bei den Patienten ein Informationsbedarf besteht, der sich z.B. aus erklärungsbedürftiger Anwendungsweise, notwendigem Nebenwirkungsmanagement oder der Notwendigkeit therapieunterstützender Maßnahmen ergeben kann.
- Diese Informationen ergänzen die Beratung durch Ärzte und Apotheker zur Verbesserung der Compliance.
- Als Hersteller von Medikamenten verfügen forschende Arzneimittelunternehmen über große Sachkompetenz, denjenigen Patienten die spezifischen Charakteristika und Eigenschaften eines von ihnen hergestellten Medikamentes für eine erfolgreiche Anwendung zu vermitteln, denen das jeweilige Medikament bereits durch einen Arzt verschrieben wurde.
- Bei kompliziert zu handhabenden Medikamenten liegen den Informations- und Unterstützungsangeboten von Herstellern zum Teil Auflagen der Europäischen Arzneimittelagentur EMA zu Grunde. Diese fordern als Voraussetzung für die Zulassung eines Arzneimittels – neben Pharmakovigilanz-Programmen – Informations- und Unterstützungsangebote für Patienten.
- Betreuungsprogramme zur Complianceförderung im Rahmen medikamentöser Therapien zielen auf Therapieunterstützung durch Aktivierung sekundärpräventiver Potenziale ab.
- Fragen wie etwa das Auftreten und die Handhabung von Arzneimittelnebenwirkungen oder die richtige und sichere Anwendung eines Medikamentes sind entscheidend für den Therapieerfolg. Korrekte Informationen und Unterstützung, die hierzu durch Arzneimittelhersteller gegeben werden können, leisten einen wichtigen Beitrag sowohl für den Therapieerfolg, als auch die Patientenzufriedenheit, und sind damit im Interesse der Patienten, der Ärzte, der Kostenträger und der Hersteller.
- Informations- und Unterstützungsangebote von Herstellern lassen sich in ihrer Funktion klar von Aufgaben anderer Akteure im Gesundheitssystem unterscheiden: Sie sind vorwiegend auf Eigenschaften einzelner Arzneimittel bezogen und resultieren aus der Produktverantwortung des Herstellers. Sie stehen nicht in Konkurrenz zur ärztlichen und pharmazeutischen Aufklärung über die Risiken und Nebenwirkungen eines Produktes oder zur Einweisung in dessen Anwendung, vielmehr unterstützen sie die Nachhaltigkeit ärztlicher und pharmazeutischer Angebote durch Vertiefungs- und Wiederholungsangebote.
- Die Informations- und Unterstützungsangebote von Herstellern sind auch keine Alternative zu Informations- und Unterstützungsangeboten der Selbsthilfe. Sie sind vielmehr als Ergänzung zu verstehen.
- Es ist primäre Aufgabe der Selbsthilfe, die Patienten über die zu Grunde liegenden Erkrankungen und alle damit verbundenen Aspekte von Lebensführung und Lebensqualität aufzuklären. Medikamentenbezogene Informationen gehören nicht primär in ihren Kompetenzbereich. Sie sind dem Verantwortungsbereich der behandelnden Ärzte, der Apotheker und der pharmazeutischen Unternehmen zuzuordnen und stellen eine Ergänzung zu medizinischen oder Selbsthilfeangeboten dar.
- Medikamentöse Therapien unterstützende Betreuungsprogramme tragen zur Therapiesicherheit und zum Therapieerfolg sowie zur Patientenzufriedenheit bei. Therapieerfolg und Patientenzufriedenheit sind gemeinsames Ziel von Patienten, Ärzten, Apothekern, Selbsthilfegruppen und Arzneimittelherstellern. Jeder kann einen Beitrag in seinem Bereich dafür leisten.
- Die Qualität von Patientenbetreuungsprogrammen bemisst sich u.a. daran, dass deren Konzeptionen keine verkaufsfördernden Absichten beinhalten.
- In die Planungsphase von Complianceprogrammen sollten alle erforderlichen Akteure aus dem medizinischen und therapeutischen Bereich eingebunden werden, selbstverständlich auch die Selbsthilfeorganisation der entsprechenden Indikation. Dadurch kann gewährleistet werden, dass das jeweilige Betreuungsprogramm in möglichst hohem Maße einer besseren Versorgung der Patienten dient.
- Aufgrund des großen Bedarfs wird im Zuge der Einrichtung von Bereuungsprogrammen das neue Berufsbild der „Patientenbetreuer“ oder „Patienten-Coaches“ entstehen, das vor allem mehr Kompetenzen für nichtärztliche Gesundheitsberufe bewirkt. Damit schaffen die Unternehmen neue Arbeitsplätze.
vfa-Position
- Nur wenn Patienten über ihre Erkrankung und ihre Therapiemöglichkeiten informiert sind, sind sie in der Lage, gemeinsam mit ihrem Arzt wichtige Entscheidungen für ihre Gesundheit zu treffen.
- Die forschenden Arzneimittelhersteller leisten mit ihren Patientenbetreuungsprogrammen einen wichtigen Beitrag zum Empowerment.
- Sie unterstützen Apotheker und behandelnde Ärzte und Therapeuten und ergänzen die Angebote der Selbsthilfe. Dabei werden die Vorgaben der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie zur Durchführung von Patienten-Complianceprogrammen eingehalten: Danach ist eine Vergütung an Angehörige der Fachkreise für die Erbringung von Leistungen gegenüber Patienten im Rahmen solcher Programme durch Pharma-Unternehmen im Regelfall nicht zulässig (vgl. Entscheidung der FSA-Schiedsstelle vom 19.04.2012, Az.: 2011.12-315, 1. Instanz.)
- Durch vergleichsweise geringen finanziellen Einsatz lassen sich v.a. bei chronisch Kranken bessere Behandlungsergebnisse erzielen.
- Daher ist es im Interesse aller Beteiligten, dass Patientenbetreuungsprogramme der Hersteller ihren Beitrag zum Versorgungsmanagement chronisch kranker Menschen leisten.
(1) Gräf, M., Die volkswirtschaftlichen Kosten der Non-Compliance; Schriften zur Gesundheitsökonomie Bd. 56, Bayreuth 2007