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vfa-Anforderungen an die zentrale Schiedsstelle und ihre Entscheidungsfindung

Die Eckpunkte zur Umsetzung des Koalitionsvertrags für die Arzneimittelversorgung sehen u. a. vor, dass pharmazeutische Unternehmen für innovative Arzneimittel mit Zusatznutzen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen innerhalb eines Jahres nach Zulassung in Direktverhandlungen einen Rabatt auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers mit Wirkung für alle Krankenkassen vereinbaren. Erfolgt keine Einigung, soll eine zentrale Schiedsstelle den Rabatt festsetzen.

Aus Sicht des vfa ist es aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich, dass die für die Entscheidungsfindung der Schiedsstelle maßgeblichen materiellen Kriterien im Gesetz selbst vorgegeben werden. Die Eckpunkte enthalten in diesem Zusammenhang lediglich den Hinweis, dass die Schiedsstelle „den Rabatt z. B. auf Basis internationaler Vergleichspreise“ festsetzt. Wichtig ist, dass materielle Kriterien festgelegt werden, die der Werthaltigkeit der Präparate für den Patienten gerecht werden (siehe hierzu unter I.).

Mit Blick auf die angedachte Schiedsstellenlösung ist es zudem unerlässlich, dass es zu einem fairen und angemessenen Interessenausgleich kommt - und zwar sowohl bei der Besetzung der Schiedsstelle als auch bei den Vorgaben für das eigentliche Schiedsverfahren einschließlich der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Schiedsstellenentscheidungen (siehe hierzu unter II.).

I. Materielle Kriterien für die Schiedsstellenentscheidung

Bei der von der zentralen Schiedsstelle zu treffenden Entscheidung über die Rabatthöhe handelt es sich um eine sehr weitreichende Entscheidung, die für die betroffenen Unternehmen von maßgeblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist. Dementsprechend müssen die materiellen Kriterien, anhand derer die Schiedsstelle ihre Entscheidung treffen soll, im Wesentlichen vom Gesetzgeber vorgegeben werden.

Dabei sollten „internationale Vergleichspreise“ nicht – wie in den Eckpunkten geschehen – pauschal zum Maßstab erhoben werden. Eine Preisfindung auf Basis internationaler Preise bewirkt eine Reihe von Inkonsistenzen und stellt letztlich die politische Zielsetzung einer umfassenden Deregulierung in Frage. So werden Wertentscheidungen anderer Länder übernommen, die auf den dort angewendeten und nur dort legitimierten Preisfindungskriterien beruhen, die von nationalen Finanzierungssystemen, lokalen Rahmenbedingungen und ländereigenen Behandlungsstandards bestimmt werden und in der Konsequenz nicht ohne weiteres übertragbar sind. Letztendlich kommt es dadurch zu einem Import ausländischer Regulierungsmaßnahmen zusätzlich zu den Steuerungsmechanismen, die bereits in Deutschland Anwendung finden (Festbetrag etc.). Des Weiteren übertragen sich Wechselkursschwankungen unmittelbar auf deutsche Erstattungspreise.

Statt bei der Schiedsstellenentscheidung - wie in den Eckpunkten vorgesehen - auf „internationale Vergleichspreise“ abzustellen, sollte vielmehr eine auf der Werthaltigkeit des Präparates für den Patienten basierende Entscheidung vorgenommen werden. Bei dieser werden die Preise (Herstellerabgabepreis) der Arzneimittel nicht an Preisen anderer Gesundheitssysteme mit unterschiedlichen Erstattungskonditionen bemessen, sondern an ihrem Wertbeitrag im deutschen Gesundheitssystem.

Hierzu sind international verschiedene Ansätze üblich. Einige Länder setzen die Kosteneffektivität eines Arzneimittels in Bezug zu einem festen nationalen Schwellenwert. Ein solch starres Herangehen wird der individuellen Situation von Patienten und dem jeweiligen Indikationsumfeld oft nicht gerecht. Der Akzeptanzkorridor für einen Schwellenwert sollte flexibel in Abhängigkeit von Schweregrad und Behandelbarkeit der Krankheit (unmet need) gestaltet werden, sowie fair für alle Bevölkerungsgruppen sein. Dabei sollte die Kostenperspektive stets eine gesamtgesellschaftliche sein. Der vfa hat zur Methodik solcher Bewertungen ausführliche Gutachten erstellt.

Basis einer Bewertung der Schiedsstelle sollte das eingereichte Herstellerdossier sein. Dieses enthält eine Sektion Kosten-Nutzen-Abwägung, in welcher die Kosteneffektivität des Arzneimittels zum vorgeschlagenen Herstellerabgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens belegt werden sollte. Dabei sollten die vom pharmazeutisches Unternehmen eingereichten Modelle bereits im Rahmen der Frühbewertung geprüft werden und das Prüfungsergebnis zur Kosteneffektivität ebenfalls dem G-BA mitgeteilt werden. Ein vergleichbares Verfahren ist auch in anderen Ländern innerhalb dieser Fristen möglich.

Für die Rabattentscheidung der Schiedsstelle kann das pharmazeutische Unternehmen einen Vorschlag/Rabatt unterbreiten, zu dem der Erstattungspreis unter Berücksichtigung des Prüfungsergebnisses kosteneffektiv ist. Dieser sollte dann durch die Schiedsstelle für bis auf weiteres gültig erklärt werden. Beide Seiten können anschließend - gemäß Eckpunktepapier - eine Kosteneffektivitäts-Bewertung durch das IQWiG verlangen, falls eine weitere Klärung für Erforderlich gehalten wird. Während dieser Zeit gilt der kosteneffektive Erstattungspreisvorschlag des pharmazeutisches Unternehmens.
Sofern trotz allem an dem Bemessungsansatz der „internationalen Vergleichspreise“ festgehalten werden sollte, müsste bei der gesetzlichen Konkretisierung Folgendes gewährleistet sein:

Standard für ein solches Verfahren sollte die Bildung eines sogenannten Länder-Korbs von mit Deutschland vergleichbaren Ländern sein. Die Auswahl der Referenzländer sollte eindeutigen und nachvollziehbaren Kriterien folgen. Um auch weiterhin die dringend notwendigen Investitions- und Innovationsanreize für pharmazeutische Unternehmen in Deutschland zu setzen, muss sich die Auswahl der Referenzländer an den folgenden Kriterien orientieren:

  1. Eine mit Deutschland vergleichbare Wirtschaftsleistung (BIP/Kopf, kaufkraftbereinigt) gewährleistet, dass nur Länder mit vergleichbaren Einkommens-, Lebens- und Gesundheitsverhältnissen (Lebenserwartung) als Referenz herangezogen werden.
  2. Die Gesundheitsausgaben der Länder müssen vergleichbar sein (anteilig am BIP).
  3. Die Referenzländer gehören der Europäischen Währungsunion an oder haben einen stabilen Wechselkurs, so dass Erstattungspreise nicht unvorhersehbaren Wechselkursschwankungen unterliegen.

II. Besetzung und förmliches Verfahren der Schiedsstelle – fairer und angemessener Interessenausgleich erforderlich

1. Anforderungen an die Besetzung der Schiedsstelle

Aus Sicht des vfa ist eine adäquate Repräsentanz der Krankenkassen- und der Arzneimittelherstellerseite in der Schiedsstelle sowie ein faires Verfahren zur Bestimmung unparteiischer und weisungsunabhängiger Mitglieder der Schiedsstelle erforderlich. Die Schiedsstelle sollte eine paritätische Besetzung mit Vertretern der Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, deren Vereinszweck sich auf den innovativen Arzneimittelsektor bezieht, und Vertretern des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen in jeweils gleicher Anzahl aufweisen. Hinzu kommt ein unparteiischer Vorsitzender und eine gerade Anzahl weiterer unparteiischer Mitglieder.

Bei den originären Vertretern der Parteien muss es sich nicht um Bedienstete oder Mitglieder der Körperschaften/der Verbände handeln. Die unparteiischen Mitglieder dürfen keiner der die Schiedsstelle bildenden Körperschaften/Verbände angehören oder zu ihr in einem Beratungsverhältnis stehen.

Über die Bestellung der unparteiischen Mitglieder sollen sich die Parteien einigen. Für den Fall, dass eine Einigung nicht zustande kommt, ist ein Einigungsverfahren vorzusehen, bei dem eine gemeinsame Liste mit den beidseitigen Vorschlägen für den Vorsitz und die beiden unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter aufzustellen ist. Kommt es nicht zu einer Einigung über die Bestellung aus der gemeinsamen Liste, entscheidet das Los unter den in der Liste Aufgenommenen über die Besetzung der jeweiligen Funktion. Die Bestellung gilt als erfolgt, wenn die Berufenen sich gegenüber der beteiligten Körperschaften und dem beteiligten Unternehmen zur Amtsübernahme bereiterklärt haben.

2. Formelle Anforderungen an das Schiedsverfahren

Die konkreten Verfahrensregelungen des Schiedsverfahrens sollten in einer vom Bundesgesundheitsministerium mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Rechtsverordnung (Schiedsverordnung) festgelegt werden, die die folgenden verfahrensrechtlichen Aspekte enthalten sollte:

Neben den oben aufgeführten Vorgaben zur Besetzung der Schiedsstelle (mit Vertretern und Vorsitzenden, deren Amtsdauer und Abberufung) sollte in der Schiedsverordnung geregelt sein, dass das Schiedsstellenverfahren durch einen bei der Schiedsstelle von einer der Vertragsparteien gestellten Antrag eingeleitet wird.

Weiterhin sollte aufgenommen werden, dass die Entscheidung der Schiedsstelle auf Grund mündlicher Verhandlung ergeht, zu der die Vertragsparteien zu laden sind. Vor der Entscheidung der Schiedsstelle muss dem pharmazeutischen Unternehmen in jedem Fall hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Die Beratung und Beschlussfassung der Schiedsstelle erfolgt in Abwesenheit der Vertreter der Vertragsparteien. Die Parteien des Schiedsverfahrens können das Verfahren jederzeit durch eine Einigung erledigen.

In der Schiedsverordnung müssen insbesondere auch die formellen Anforderungen an die Entscheidung der Schiedsstelle als solche geregelt werden. Die Entscheidung der Schiedsstelle ist schriftlich zu erlassen, zu begründen und den beteiligten Vertragsparteien zuzustellen. Sie sollte auch eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, mit der die Beteiligten über die Zulässigkeit der Klage, die einzuhaltende Frist und den Sitz des zuständigen Sozialgerichts informiert werden.

Die Entscheidung der Schiedsstelle ist der zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen, die diese innerhalb von zwei Monaten beanstanden kann.

Ergänzend zur Schiedsverordnung gelten die Regelungen des SGB X und (subsidiär) des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG).

Im Übrigen ist die Schiedsstelle selbstverständlich an Gesetz und Recht gebunden, d. h. sie muss nicht nur die im SGB V für ihre Entscheidungsfindung maßgeblichen und im SGB V zu regelnden materiellen Kriterien einhalten, sondern ihre Tätigkeit auch im Hinblick auf verbindliche internationale Bewertungsstandards pflichtgemäß ausüben.

3. Rechtsschutz gegen Schiedsstellenentscheidungen

Da die Festlegung des Rabattes durch die Schiedsstelle von erheblicher Grundrechtsintensität für den betroffenen pharmazeutischen Unternehmer ist, erfordert das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) eine hinreichende Nachprüfbarkeit durch die Gerichte.

Im Hinblick auf den Rechtsschutz gegen den Schiedsspruch vor den Sozialgerichten sollten die Beteiligten die Möglichkeit einer Anfechtungsklage sowie ggf. eines Bescheidungsantrags (Verpflichtung der Schiedsstelle, einen neuen Schiedsspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen) haben.

Das Gericht hat in formeller Hinsicht zu prüfen, ob die Schiedsstelle den von ihr zu Grunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis erkennen lässt. In materieller Hinsicht ist zu prüfen, ob der von der Schiedsstelle zu Grunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsstelle den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d. h. die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat. Aus dem Schiedsspruch muss sich also vor allem erkennen lassen, dass von den maßgeblichen Gesetzeskriterien ausgegangen wurde.

4. Anpassung der Schiedsstellenentscheidung

Um dem pharmazeutischen Unternehmen ein Mindestmaß an Planungssicherheit auf Basis der Schiedsstellenentscheidung zu geben, sollte bei unveränderter Sach- und Rechtslage eine Mindestdauer von zwei Jahren verbindlich festgeschrieben werden.

Unabhängig davon muss das betroffene pharmazeutischen Unternehmen jederzeit das Recht haben, bei veränderter Sach- und Ausgangslage eine Überprüfung der Schiedsstellenentscheidung zu beantragen. Soweit einer der Verhandlungspartner nach dem Erlass der Schiedsstellenentscheidung eine Kosten-Nutzen-Bewertung beantragt hat, kann eine Überprüfung der Schiedsstellenentscheidung erst nach Abschluss der Kosten-Nutzen-Bewertung stattfinden.