Innovationsrückstand zwischen der EU und den USA: Auswirkungen auf die Patientenversorgung in Deutschland
Zwischen der EU und den USA besteht ein Innovationsrückstand. Dieser hat direkte Konsequenzen für die Gesundheitsversorgung, insbesondere für die Verfügbarkeit neuer Arzneimittel in Deutschland. In den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass die USA bei der Einführung innovativer Medikamente schneller voran kommen als die EU. Das beeinflusst direkt die Versorgungssituation – auch in Deutschland.
Was ist der Innovationsrückstand?
Der Innovationsrückstand beschreibt die Anzahl der Arzneimittel, die von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde (Food and Drug Administration, FDA) als besonders relevant für die Versorgung eingestuft wurden, aber in der EU nicht zugelassen sind. Besonders hervorzuheben sind dabei sogenannte therapeutische Durchbrüche (Breakthrough Therapies), die gegen schwere Krankheiten gerichtet sind, die bisher unbehandelbar sind, oder eine erheblich verbesserte Wirksamkeit im Vergleich zu bereits existierenden Therapien erwarten lassen, und Orphan Drugs, die für die Behandlung seltener Erkrankungen vorgesehen sind. Mehr als ein Drittel der seit 2015 in den USA zugelassenen, aber in der EU nicht verfügbaren Innovationen haben eine hohe oder sehr hohe Versorgungsrelevanz.
So sind in den USA seit 2015 13 Arzneimittel mit Breakthrough Therapy Status zugelassen worden, die es in der EU bislang nicht gibt und die sich auch nicht im Zulassungsverfahren befinden. Dies gilt beispielsweise für eine Gentherapie gegen bestimmte, bisher nicht medikamentös behandelbare Formen von Blasenkrebs.
Zwei weitere Arzneimittel mit Breakthrough Therapy Status sind gerade erst in der EU zur Zulassung eingereicht worden, eins davon fast 5 Jahre nach der Zulassung in den USA. Diese Zulassungslücke ist ein wesentlicher Faktor für den Innovationsrückstand.
Ursachen der Zulassungslücke
Die Zulassungslücke beschreibt den Anteil der Arzneimittel, die in den USA zugelassen wurden, jedoch keine EU-Zulassung haben. Diese Lücke ist teilweise auf finanzielle Risiken zurückzuführen, die mit der Zulassung in der EU verbunden sind. Insbesondere strikte Preisregulierungen und langwierige Zulassungsverfahren halten Pharmaunternehmen ab.
Auswirkungen auf Deutschland
Die Patientenversorgung in Deutschland wird durch diese Verzögerungen direkt beeinflusst: Arzneimittel, die in den USA bereits verfügbar sind, erreichen den deutschen Markt oft später oder gar nicht. Ein Beispiel hierfür ist das Medikament Lumateperon tosylate, das in den USA zur Behandlung von Schizophrenie zugelassen wurde, aber in der EU nicht verfügbar ist. In Europa sind Wirkstoffe mit diesem Wirkmechanismus nicht zugelassen, wodurch Patient:innen in Deutschland keinen Zugang zu dieser innovativen Behandlung haben.
Verzögerung bis zur Verfügbarkeit nimmt zu
Mehr zum Innovationsrückstand im vfa "Spotlight Pharma Market", Ausgabe 01.24 als PDF-Dokument zum Herunterladen
Auch wenn ein Arzneimittel in der EU zugelassen wird, ist es nicht automatisch in Deutschland verfügbar.
Im Durchschnitt ist jedes zehnte Arzneimittel mit einer EU-Zulassung nicht in Deutschland auf den Markt gekommen.
Zuletzt ist die Verfügbarkeitsquote jedoch weiter gesunken zu Lasten der Versorgung der Patient:innen, wie auch im Spotlight Pharma Market zum Thema Marktzugangsmonitoring ersichtlich ist.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zeitspanne von der Zulassung eines Arzneimittels durch die europäische Arzneimittelagentur (EMA) bis zu dessen Markteintritt in Deutschland.
Diese Zeitspanne hat sich unlängst verlängert, was bedeutet, dass Patient:innen länger auf neue Medikamente warten müssen.
Das zeigt die folgende Abbildung:
Fazit
Der Innovationsrückstand der EU im Vergleich zu den USA hat erhebliche Auswirkungen auf die Patientenversorgung in Deutschland. Die Verfügbarkeit neuer, lebenswichtiger Arzneimittel ist eingeschränkt, und Patient:innen müssen länger auf innovative Therapien warten. Um den Zugang zu neuen Medikamenten zu beschleunigen und auch die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Pharmasektor zu stärken ist es ist notwendig, die regulatorischen Rahmenbedingungen zu überdenken und anzupassen.
Durch Schaffung eines innovationsfreundlicheren Umfelds könnte die EU ihre Position verbessern und den Patient:innen schneller Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten bieten. Für die (frühzeitige) Verfügbarkeit in Deutschland sind die hiesigen Erstattungsbedingungen maßgeblich; hier gab es zuletzt besorgniserregende Fehlentwicklungen.
vfa-Pressemitteilung zum Thema:
https://www.vfa.de/de/presse/pressemitteilungen/pm-018-2024-wachsender-innovationsrueckstand.html