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#MacroScopePharma 11/22

Der Economic Policy Brief des vfa



Investitionen in den Klimaschutz sind notwendig wie nie


Hohe Energiepreise, große Unsicherheit über die künftige Verfügbarkeit fossiler Energien und der Klimawandel: Vor allem die europäischen Volkswirtschaften stehen vor erheblichen Umstrukturierungen. Hohe Investitionen sind notwendig. Denn der auf die Nutzung von Öl und Gas ausgerichteten industriellen Kapitalstock muss grundlegend erneuert werden. Dies erfordert Veränderung, ist aber Chance zugleich.

Ambitionierte Klimaschutzziele nehmen Länder in die Pflicht

Kontroverse über politische Instrumente

Bis vor Jahresfrist wurde in Deutschland intensiv darüber diskutiert, mit welchen Instrumenten ein Transformationspfad gestaltet werden kann. Strittig war, ob der in Deutschland gewählte CO2-Preisanpassungspfad sozial verträglich beziehungsweise für die Industrie zu vertretbaren Kostenveränderungen umgesetzt werden kann.(3) Der zum Jahreswechsel 2021/2022 eingeführte CO2-Preis in Höhe von 25 Euro je Tonne wird deshalb nur allmählich angehoben – bis in das Jahr 2025 auf 55 Euro je Tonne.

Beabsichtigt wird mit der Einführung des CO2-Preises, dass Investitionen in die Vermeidung klimaschädlicher Emissionen attraktiver werden. Für den Gaspreis hat dies beispielsweise zur Folge, dass dieser um gut 0,5 Cent je Kilowattstunde höher liegt. Kritiker:innen bemängelten, dass dies ein zu schwacher Anreiz wäre, um umfangreiche Investitionen anzustoßen.

Der Krieg in der Ukraine hat die Rahmenbedingungen aber drastisch verschoben. Die Wirkungen des CO2-Preises wurden binnen kürzester Zeit marginalisiert – so stieg der Preis für Erdgas von gut sechs Cent je Kilowattstunde zu Jahresbeginn 2021 auf aktuell fast 20 Cent je Kilowattstunde für neu geschlossene Verträge. Die damals angelegte Steigerung um weniger als zehn Prozent ist nun in einer Vervielfachung der Energiepreise untergegangen. Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz oder in erneuerbare Energieerzeugung ist so rentabel wie nie zuvor. Neueste Daten zeigen, dass die Industrie und die Haushalte erhebliche Mengen Gas eingespart haben. Der Verbrauch liegt derzeit rund 20 Prozent unter dem Vorjahresniveau. (4)

Viel mehr als nur die Industrie

Die Verteilung der CO2-Emissionen nach Sektoren (Abbildung 1, rechts) zeigt, dass die Industrie für gut ein Fünftel aller Emissionen steht. Der weit-aus größere Teil entfällt auf die übrigen Sektoren und die privaten Haushalte (rund 24 Prozent der CO2-Emissionen). Letztere emittieren primär wegen des Heiz- und Warmwasserbedarfs. Unter die übrigen Sektoren fällt unter anderem der Verkehrssektor mit seinem hohen Schadstoffausstoß.

Innerhalb der Industrie entfallen mit gut 26 Prozent die meisten Emissionen auf die Metall-verarbeitung, die Glas- und Keramikindustrie mit knapp 20 Prozent, die chemische Industrie und die Mineralölverarbeitung mit jeweils etwa 13 Prozent, aber auch die Holzverarbeitung und Papierherstellung mit zusammengenommen weiteren zwölf Prozent. Diese sechs Wirtschaftszweige stehen für insgesamt gut 85 Prozent der industriellen CO2-Emissionen. Alle anderen Bereiche fallen deutlich weniger stark ins Gewicht. Die pharmazeutische Industrie emittierte im Jahr 2020 mit 1,2 Millionen Tonnen nur 0,6 Prozent der insgesamt 199 Millionen Tonnen CO2 des verarbeitenden Gewerbes.

CO2-Intensität in den vergangenen zehn Jahren gesunken

Neben der absoluten Höhe der Emissionen ist auch die CO2-Intensität der Produktion von Interesse, da diese zeigt, in welchen Wirtschaftsbereichen eine relativ klimafreundliche Wertschöpfung stattfindet. Es wird deutlich, dass die sechs absolut höchsten Emittenten auch hinsichtlich ihrer CO2-Intensität weit über-durchschnittliche Werte aufweisen. So hat die Glas- und Keramikindustrie einen rund achtfach höheren CO2-Ausstoß je umgesetzten Euro als der Durchschnitt der Industrie. Die Glasindustrie ist aber auch der Bereich, in dem die absolut größten Fortschritte in der CO2-Vermeidung erreicht wurden.

In der Mineralölindustrie gibt es eine deutlich gegenläufige Bewegung. Dort steig die CO2-Intensität erheblich, was maßgeblich durch den Ölpreisverfall getrieben war, der das Umsatzergebnis erheblich beeinträchtigte. Zwischen 2010 und 2020 halbierte sich der Ölpreis in etwa.

Die pharmazeutische Industrie weist eine deutlich geringere CO2-Intensität als der industrielle Durchschnitt auf. Diese beträgt etwa ein Fünftel dessen, was in der Industrie insgesamt je umgesetzten Euro ausgestoßen wird. Die Bilanz verbesserte sich gegenüber dem Jahr 2010 erheblich.

Die CO2-Intensität des Wirtschaftszweigs reduzierte sich von gut 60 Tonnen je einer Millionen Euro Wertschöpfung auf etwa 25 Tonnen CO2 im Jahr 2020.

Umweltinvestitionsquote seit Jahren steigend

Dies liegt unter anderem daran, dass die Unternehmen erheblich in energieeffiziente, umweltverträgliche und klimaschützende Technologien investieren. Das verarbeitende Gewerbe insgesamt hat im Jahr 2020 gut 50 Milliarden Euro in neue Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge investiert – etwa 2,5 Prozent des Umsatzes. Allein die Erneuerung des Kapitalstocks – also die kontinuierliche Modernisierung des Kapitalstocks – dürfte die Umweltbelastungen in erheblichem Umfang reduziert haben.

Hinzu kommen Investitionen, die explizit auf die Verbesserung der Umweltverträglichkeit der Betriebe gerichtet sind. Das Statistische Bundesamt definiert Umweltinvestitionen als Sachanlagen, die der Verringerung, Vermeidung oder Beseitigung von Emissionen in die Umwelt dienen oder eine schonendere Nutzung der Ressourcen ermöglichen. Hierunter fallen explizit Aufwendungen für die Abfallbeseitigung, Abwasserreinigung, Lärm- und Erschütterungsschutz, die Luftreinhaltung, den Arten- und Landschaftsschutz, Boden und Gewässerschutz und der Klimaschutz.

Die Umweltschutzinvestitionen entsprachen zuletzt rund 6,5 Prozent aller Ausrüstungsinvestitionen der Industrie. Sie stiegen dabei kontinuierlich: Machten sie im Jahr 2010 noch 0,12 Prozent des Umsatzes aus, liegen sie nun bei gut 0,16 Prozent, also rund einem Drittel höher als noch ein Jahrzehnt zuvor. Dabei sind es einzelne Branchen wie die Chemie, die deutlich mehr in umweltfreundliche und damit ressourcenschonende Maschinen und Anlagen investieren. Andere große Wirtschaftszweige wie der Fahrzeug- oder Maschinenbau hingegen wenden mit deutlich weniger als einem Zehntel Prozent erheblich geringere Mittel für Investitionen in den Umweltschutz auf (Abbildung 4, links). Die pharmazeutische Industrie bewegt sich in etwa im Durchschnitt aller Wirtschaftszweige.

Die Investitionen für Klimaschutz machen im Durchschnitt rund ein Drittel der Umweltschutz-investitionen aus. Die verbleibenden zwei Drittel werden beispielsweise für die Gewässerreinhaltung, Abfallentsorgung oder die Bodensanierung aufgewendet. Der Anteil der Klimainvestitionen ist in den vergangenen zehn Jahren in etwa konstant geblieben. Er schwankt in den einzelnen Wirtschaftsbereichen stärker als die Umweltinvestitionen insgesamt (Abbildung 4, rechts).

Die pharmazeutische Industrie wendet für Klimaschutzinvestitionen etwas weniger als der industrielle Durchschnitt auf – allerdings mit größerem Erfolg: Im Vergleich mit den anderen Wirtschaftszweigen ist es der Pharmabranche deutlich besser gelungen, die CO2-Intensität in der Wertschöpfung zu reduzieren. Diese wurde mehr als halbiert. Im Automobilbau oder der Mineralölverarbeitung beispielsweise stieg die Intensität seit dem Jahr 2010, trotz auch hier stetiger Investitionen (Abbildung 5).

Herausforderungen annehmen und Zukunft gestalten

Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie verwundbar europäische Volkswirtschaften hinsichtlich ihrer Energieabhängigkeit sind. Dies hat den Prozess der Energiewende innerhalb kürzester Zeit massiv beschleunigt. Investitionen für die Substitution von Öl und Gas sind so notwendig und gleichzeitig so rentabel wie noch nie. Dies ist allerdings auch eine große Herausforderung: erstens, weil die Energiekostensteigerungen Investitionsspielräume einengen, wenn die Kosten nicht weitergegeben werden können. Zweitens, weil der massive Kostenanstieg global ungleichmäßig verteilt ist und die Wettbewerbsfähigkeit gerade Europas massiv reduziert.

Dies bedeutet, dass in Europa zunächst erhebliche Mittel investiert werden müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten beziehungsweise wieder herzustellen. Dies wird nicht für alle Branchen gleichermaßen gelingen – die Energiekrise und Energiewende wird damit zu strukturellem Wandel führen. Gefragt sind innovative und vergleichsweise saubere Industrien, die eine hohe Wertschöpfungstiefe ohne den Einsatz fossiler Energien leisten können.

Für die Wirtschaftspolitik ist die Krise aber auch der folgende Strukturwandel gleichermaßen eine Herausforderung. Es braucht neben der akuten Krisenbewältigung eine auf Wachstum und Innovation ausgerichtete Wirtschaftspolitik, die das Geschäftsmodell Deutschlands für die kommenden Jahrzehnte mitgestaltet. Krisen verstellen hier häufig den längerfristigen Blick.

Ein gutes Signal ist, dass Deutschland trotz Wirtschaftskrise doch die Zukunftsbranche Pharma im Rahmen eines „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI) unterstützen wird. Sogenannte IPCEI fördern in erster Linie Anwendungen innovativer Technologien und Verfahren im industriellen Maßstab. In diesem Rahmen werden in Deutschland bereits Projekte in der Mikroelektronik, dem Cloud-Computing, der Batteriezellfertigung und beim Wasserstoff unterstützt.

Fußnoten:

(1) Vgl. Europäische Kommission (2019), A European Green Deal, online verfügbar.

(2) Krebs, T., & Steitz, J. (2021). Öffentliche Finanzbedarfe für Klimainvestitionen im Zeitraum 2021–2030. Forum for a New Economy, Working Papers (Vol. 3), online verfügbar.

(3) Vgl. Bach, S., Isaak, N., Kemfert, C., Kunert, U., Schill, W. P., Wägner, N., & Zaklan, A. (2019). Für eine sozialverträgliche CO2-Bepreisung. DIW Berlin: Politikberatung kompakt Nr. 138, online verfügbar. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2021), Jahresgutachten 2021/22: Transformation gestalten: Bildung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit, Kapitel 4, Klimaschutz als Industriepolitische Chance, online verfügbar.

(4) DIW (2022), Ampel-Monitor Energiewende #4: Aktuelle Daten zum Erdgasverbrauch, online verfügbar.

Autor:

Dr. Claus Michelsen
Geschäftsführer Wirtschaftspolitik
Dr. Claus Michelsen

Telefon 030 20604-120

c.michelsen@vfa.de

Pressekontakt:

Henrik Jeimke-Karge
Pressesprecher Wirtschaftspolitik
Henrik Jeimke-Karge

Telefon 030 20604-205

h.jeimke-karge@vfa.de