Drucken
öffnen / schließen
Wenn Sie diese Felder durch einen Klick aktivieren, werden Informationen an Facebook, Twitter oder Google in die USA übertragen und unter Umständen auch dort gespeichert. Näheres erfahren Sie hier: https://www.heise.de/ct/artikel/2-Klicks-fuer-mehr-Datenschutz-1333879.html

#MacroScopePharma 12/23

Der Economic Policy Brief des vfa



Internationale Lieferketten: Abhängigkeit auf den Prüfstand stellen

Die internationale Arbeitsteilung ist komplex und hat sich in der Corona-Krise als höchst anfällig für Störungen gezeigt. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat dem eine schwerwiegende geopolitische Dimension hinzugefügt: Einseitige Handelsbeziehungen können als Waffe gegen die Handelspartner eingesetzt werden. Viele Unternehmen strukturieren ihre Lieferketten deshalb neu. Auf politischer Ebene ist ebenso eine Diskussion über strategische Abhängigkeiten bei kritischen Rohstoffen und Gütern entbrannt. Dies gilt auch für die derzeit immer wieder knappen Arzneimittel, deren Wirkstoffe vielfach in Fernost hergestellt werden.

Globale Integrationskräfte erschöpft – Wertschöpfungsketten anfällig

Nach Ende des Kalten Kriegs und dem Wegfall der politischen Blockbildung hat die Globalisierung in den 1990-er Jahren einen kräftigen Schub erfahren. Die zunehmende Integration Russlands und Chinas in weltweite Wertschöpfungsstrukturen hat Europa Zugang zu enormen, vielfach günstigen Energie und Rohstoffvorkommen sowie zusätzlichen Fertigungskapazitäten eröffnet. Entsprechend stark stieg der Index globaler Integration in den 1990-er und 2000-er Jahren.

Diese Integration stagniert seit rund zehn Jahren. Teils gab es sogar Rückschritte in der internationalen Arbeitsteilung. Spätestens seit der damalige US-Präsident Donald Trump seine Maxime „America First“ ausgegeben hatte, traten die bis dahin unterschwelligen Handelskonflikte offen zu Tage und mündeten in einem offenen Handelskrieg zwischen den USA und China.(1) Die Welthandelsordnung wird seither immer offener in Frage gestellt.

Hinzu kommt, dass während der Corona-Krise nicht nur das Gesundheitssystem herausgefordert wurde. Auch die globalen Lieferketten haben sich als höchst störanfällig erwiesen. Produktionsausfälle, Probleme in der Logistik und drastische Preissteigerungen bei Transportkapazitäten führten dazu, dass der globale Warenverkehr nicht mehr just in time funktionierte und weltweit die Bänder in den Fabriken stehenblieben.

Geopolitische Zeitenwende

Abhängigkeit von einzelnen Handelspartnern auf den ersten Blick gering

Unklar ist bislang, wie sehr Deutschlands Industrie tatsächlich auf Zulieferungen einzelner Handelspartner für die Produktion angewiesen ist. Einzelne Studien weisen auf Abhängigkeiten bei wichtigen Rohstoffen oder Hightech-Produkten hin. Eine systematische Betrachtung der Konzentration auf einzelne Handelspartner fehlt allerdings. Und selbst wenn die Konzentration hoch ist, wäre zu prüfen, ob die Lieferketten stabil und die Handelspartner verlässlich sind. Eine Möglichkeit, die Abhängigkeit von ausländischen Zulieferungen zu messen, liegt in Konzentrationsmaßen wie dem verbreiteten Herfindahl-Index. Dabei werden die Länderanteile der Importe – insgesamt oder einzelner Gütergruppen – betrachtet, ohne diese jedoch weiter zu differenzieren. Von hoher Konzentration wird dann gesprochen, wenn die erforderlichen Lieferungen von wenigen Ländern – im Extremfall einem einzigen – abgedeckt werden. Kommt es beim Bezug aus diesen Ländern oder dem einen Land zu Problemen, führt dies zumindest kurzfristig zu Engpässen in der Verfügbarkeit.

Dabei wird zunächst nicht zwischen den Ländern unterschieden: Ob Güter beispielsweise aus Russland oder Frankreich bezogen werden, spielt für die Analyse keine Rolle. Tatsächlich kommt es aber auch auf andere Faktoren des Lieferlandes – etwa politische Verlässlichkeit oder die räumliche Entfernung – an, um zu beurteilen, wie kritisch eine Konzentration der Vorleistungsbezüge aus dem jeweiligen Land wäre. Ungeachtet dessen ist der Herfindahl-Index für die Konzentration von Handelsbeziehungen ein guter erster Anhaltspunkt, um Probleme in den Zuliefererstrukturen der Industrie zu identifizieren. Der Index nimmt Werte zwischen null und eins (bzw. 100 Prozent) an, wobei Letzte für maximale Konzentration steht – falls es nur ein einziges Lieferland für ein Produkt gibt.(5) Zudem werden auch die Anteile betrachtet, die etwa China oder die jeweils größten Lieferländer auf sich vereinen.

Insgesamt sind die Warenimporte Deutschlands stark diversifiziert: In den Jahren 2008 bis 2022 betrug der Herfindahl-Index, bezogen auf die Importe nach Ländern, durchschnittlich 4,5 Prozent. Auch wenn das Niveau des Index in der Interpretation nicht frei von methodischen Problemen ist: Dieser Wert ist so gering, dass sich für die Gesamtheit der Importe keine nennenswerte Konzentration konstatieren lässt. Allerdings hat die Konzentration in den vergangenen Jahren im Trend zugenommen (nächste Abbildung) und die Betrachtung aller Waren zusammengenommen verdeckt häufig massive Konzentrationen auf tieferen Ebenen.(6) Es ist somit ratsam, detaillierter aufgeschlüsselte Gütergruppen zu betrachten.

China hat in vielen Bereichen an Bedeutung gewonnen

Der Blick auf die deutschen Importe bestätigt das gängige Bild: China hat in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen, die USA bleiben als größte Volkswirtschaft wichtig und unsere Nachbarländer zählen zu den wichtigsten Handelspartnern – nicht zuletzt abhängig von ihrer Größe und Anbindung an die Weltmärkte, wie beispielsweise die Niederlande mit einem der weltweit größten Häfen in Rotterdam.

Differenziert nach sieben Gütergruppen zeigt sich bereits eine deutlich höhere Konzentration als bei den Gesamtimporten – und zwar bei allen Gruppen. Insbesondere im Bereich Energie ist die Abhängigkeit groß; als Folge der Energiekrise haben Lieferungen aus Norwegen und den USA die Ausfälle aus Russland ersetzt. Auffällig ist, dass die Konzentration bei einigen Warengruppen deutlicher steigt als bei den Gesamtimporten. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Anteile Chinas stark zugelegt haben. Insbesondere bei den Gebrauchs-, aber auch bei den Investitionsund Vorleistungsgütern spiegeln sich die Anstiege beim Konzentrationsmaß und dem Anteil, den China an den Zulieferungen auf sich vereint, wider.

Noch deutlicher wird die zunehmende Konzentration beim Blick auf feiner abgegrenzte Produktgruppen. Lagen die Konzentrationsmaße – vom Höchstwert der Energiegüter abgesehen – im Schnitt bei rund sechs Prozent, weist ein Drittel der enger abgegrenzten Gütergruppen Maße im zweistelligen Bereich auf. Überwiegend sind es indes konsumnahe Waren, deren Herkunft sich auf wenige Länder konzentriert. Industriell benötigte Vorleistungen stammen dagegen vielfach aus einer breiteren Zahl an Ländern. Dennoch können sich auch hier unvorteilhafte Vorleistungskonzentrationen ergeben, insbesondere dann, wenn diese auf Länder entfallen, mit denen nur geringer politischer Konsens besteht.

Eine zunehmende Konzentration geht größtenteils auf die steigende Bedeutung Chinas zurück: So stammen elektrotechnische Artikel überwiegend von dort und selbst bei Maschinen hat China längst den Spitzenplatz errungen. Bei Pharmazeutika ist dies auf den ersten Blick nicht der Fall, mengenmäßig liegt aber auch hier China mittlerweile an der Spitze.

Industrievorleistungen zunehmend aus kritischen Teilen der Welt

Die insgesamt stärkere Diversifizierung bei industrienahen Gütern deutet darauf hin, dass die Unternehmen größeren Wert auf funktionierende Lieferketten legen. Dennoch ist auch hier ein Blick im Detail – insbesondere auf die Vorleistungsstruktur auf Branchenebene – notwendig.

Bei der Verflechtung einer Branche mit ausländischen Zulieferern kommt es darauf an, aus welchen Ländern die hauptsächlich bezogenen Importe dieser Branche stammen. Um dies näherungsweise abzubilden, werden die Vorleistungen aus der Importmatrix der Input-Output-Rechnung herangezogen. So werden beispielsweise zur Herstellung von Medikamenten hauptsächlich pharmazeutische und chemische Vorprodukte benötigt. Entsprechend fallen die Lieferländer dieser beiden Produktgruppen bei der Berechnung der Vorleistungskonzentration besonders ins Gewicht. So kann nicht nur die Gesamtkonzentration des Vorleistungsbezugs einer Branche ermittelt werden: Es kann auch unterschieden werden, ob die Vorleistungen aus Ländern stammen mit denen überwiegend geopolitischer Konsens besteht oder ob sich die Anschauung deutlich unterscheidet.

Die Vorleistungen der Industrie sind insgesamt recht breit diversifiziert. Über alle Branchen hinweg lag das durchschnittliche Konzentrationsmaß im Jahr bei sieben Prozent – deutlich niedriger als bei den meisten der oben betrachteten Güter für sich genommen.

Heraus sticht, neben der Energieerzeugung, die Rohstoffverarbeitung. Der Wirtschaftszweig 19 „ Mineralölerzeugnisse“ mit einem Herfindahl-Index von 18 weist damit eine deutliche Konzentration der Zulieferungen auf einzelne Länder auf. Beide Zweige haben im Zuge der jüngsten Abkopplung von russischen Energieträgern zudem eine Sonderentwicklung: Die Konzentration hat sich deutlich von politisch fernen Ländern hin zu politisch näherstehenden verlagert.

In allen übrigen Branchen hat es eine Diversifizierung nur unter den nahestehenden Ländern gegeben (vgl. in obiger Abb. die dunkelblaue Linie: Sie zeigt die Änderung des Konzentrationsmaßes mit diesen Ländern und sie liegt tendenziell im negativen Bereich). Dagegen hat die Bedeutung der Zuliefererländer, mit denen überwiegend geopolitischer Dissens besteht, fast nirgendwo nachgelassen, sondern ist in den meisten Branchen gewachsen – und zwar dort besonders deutlich, wo sie ohnehin schon sehr stark ausgeprägt war. Die hellblaue Linie zeigt die Änderungen des Maßes mit diesen Ländern und sie liegt nahezu durchweg im positiven Bereich, besonders dort, wo die entsprechende Konzentration – dargestellt durch die hellblauen Balken, hoch ist. Besonders betroffen ist der Bereich der Elektronik und Elektrotechnik.

Gerade in diesen Bereichen mit ihrem Fokus auf Hightech-Produkte kann eine zu große Abhängigkeit problematisch werden, wenn die Zuliefererländer eher im politischen Dissens zu Deutschland stehen. Dies gilt auch für den sonstigen Fahrzeugbau – hierunter fällt beispielsweise die Flugzeugfertigung: Die Abhängigkeit von einzelnen Ländern ist hoch und gleichzeitig die Konzentration auf Staaten mit anderer politischer Ausrichtung als der eigenen erheblich. Dies liegt nicht zuletzt an den zahlreichen Zulieferungen elektronischer Erzeugnisse aus China.

Chinas Bedeutung für die pharmazeutische Industrie wächst deutlich

Derzeit wird intensiv die Verflechtung der pharmazeutischen Industrie mit Asien diskutiert – insbesondere im Hinblick auf China und Indien. Die hier vorliegenden Zahlen deuten auf eine insgesamt überdurchschnittliche Konzentration auf einzelne Zuliefererländer hin.

Dabei ist zudem eine Besonderheit in der Industrie zu beachten: Nach Ablauf des Patentschutzes dürfen Medikamente weltweit von allen Produzenten ohne Lizenzzahlungen oder andere Einschränkungen hergestellt werden. Die Zusammensetzung des Medikaments ist bekannt. Forschungs- und Entwicklungsausgaben müssen von Nachahmern nicht finanziert werden, so dass generische Arzneimittel zu einem Bruchteil des ursprünglichen Preises angeboten werden können. Diese Produktion findet aus wirtschaftlichen Gründen vielfach in Asien statt.(7)

Eine wertmäßige Betrachtung der Vorleistungsverflechtungen ist in diesem Fall daher nur ein unvollständiger Ausschnitt. Wichtig ist es ebenfalls, auf die produzierten Mengen zu blicken.

Zudem verzerrt die Verwendung gesamtwirtschaftlicher Durchschnitte die Ergebnisse für Industriebranchen – was hier am Beispiel der Pharmaindustrie illustriert wird. So dürfte deren Produktion auf pharmazeutische Grundstoffe angewiesen sein, kaum dagegen auf pharmazeutische Endprodukte, die aber den größten Teil der Importe von Pharmazeutika ausmachen. Die Lieferstruktur wird somit besser abgebildet, wenn anstelle der gesamten pharmazeutischen Importe nur diejenigen betrachtet werden, die für die Produktion relevant sind. Gleiches gilt auch für die chemischen Vorprodukte: Während beispielsweise Körperpflegemittel wohl eher dem Konsumbereich zuzuordnen sind, dürften für die Pharmahersteller neben anderen chemischen Vorleistungen insbesondere (an-)organische Grundstoffe eine Rolle spielen. Wird dies berücksichtigt, schlagen bestimmte Abhängigkeiten stärker zu Buche, beispielsweise der Bezug organischer Stoffe (Abb. "Anteile der Wareneinfuhren nach Ländern", oben rechts). Hier hat sich China zum bedeutendsten Lieferanten entwickelt und stellt mittlerweile ein Drittel der benötigten Güter. Auch bei pharmazeutischen Vorprodukten ergibt sich ein differenzierteres Bild: China – insgesamt nicht unter den größten Lieferländern (vgl. dieselbe Abb., Mitte links) – ist ein wichtiger Hersteller von Grundstoffen, die in der Pharmaproduktion benötigt werden (dieselbe Abb., mittlere Reihe/Spalte). Andere bedeutende Zulieferer haben ihren Sitz in der Schweiz. Dies hängt auch damit zusammen, dass der Warenwert in Euro betrachtet wird, und gerade aus dem europäischen Umfeld hochwertige und entsprechend hochpreisige Produkte nach Deutschland kommen.

Aus China stammen dagegen eher günstige Vorprodukte, die aber mengenmäßig bedeutsam sind. Wird die Konzentration entsprechend nach dem Gewicht der Lieferungen betrachtet (vgl. dieselbe Abb., untere Reihe), stellt sich heraus, dass China der nach Tonnage gewichtigste Lieferant ist. Dies gilt vor allem für die Grundstoffe, aber auch bei den Endprodukten (dieselbe Abb., rechts unten) ist China – was die Menge angeht – auf den dritten Platz vorgerückt.

Konzentration der Vorleistungsbezüge nimmt zu

Dies spiegelt sich bei der Untersuchung der pharmazeutischen Vorleistungen wider, die aus dem Ausland bezogen werden: Im oberen Teil der folgenden Abbildung wird die wertmäßige Vorleistungs-Konzentration nach Ländergruppen „politischer Konsens“ (dunkelblau) bzw. „Dissens“ (hellblau) aufgeteilt. Die Balken stellen dabei die Maße auf Grundlage gesamtwirtschaftlicher Durchschnitte dar: Im Trend ist die Konzentration um einen Prozentpunkt gesunken. Sowohl die Lieferungen aus „politisch nahen“ Ländern wurden diversifiziert als auch diejenigen aus „politisch fernen“.

Wird das Konzentrationsmaß angepasst, indem die Vorleistungsstruktur differenzierter(8) aufgeteilt wird, dreht sich dieser Befund (dargestellt durch die Linien): Bei genauerer Betrachtung dürften die Pharmavorleistungen im Trend stärker konzentriert worden sein. Vor allem aber in den „politisch nahen“ Ländern – anstatt eines Rückgangs verzeichnet das Maß hier einen Anstieg um 1,2 Prozentpunkte. Außerdem tritt deutlicher hervor, dass es vor allem Mitte der 2010-er Jahre einen deutlichen Anstieg gab, der sich seitdem etwas zurückgebildet hat.

Werden Preiseffekte ausgeklammert, ergibt sich wiederum ein anderes Bild (in der obigen Abbildung unten): Zwar bleibt insgesamt das mengenbasierte Maß im Mittel mit rund 7,5 Prozent vergleichbar. Anders als das Wertbasierte hat es aber zuletzt wieder angezogen und Länder, die andere politische Werte vertreten, haben spürbar an Bedeutung gewonnen. Besonders deutlich wird dies bei der – an die Bedarfe der Pharmaindustrie – angepassten Vorleistungsstruktur (dargestellt durch die Linien in der Abbildung): Während die Konzentration unter den „nahen“ Ländern merklich (um 1,7 Prozentpunkte) gesunken ist, hat sie unter politisch „fernen“ Ländern um denselben Betrag zugenommen.

Alles in allem ergibt sich für die Vorleistungsimporte der pharmazeutischen Industrie somit der Befund einer vergleichsweise hohen Konzentration, zu der vor allem China in zunehmendem Maße beigetragen hat. Dies gilt umso mehr, je differenzierter branchenspezifischen Gegebenheiten – speziellen Vorprodukten und Preiseffekten – Rechnung getragen wird.

Fazit: Lieferketten kritisch prüfen – Anreize zur Risikostreuung setzen

Die Analyse zeigt, dass Konzentrationen in den Zuliefererstrukturen der Industrie Deutschlands durchaus markant sind. Dies trifft aber nicht für das verarbeitende Gewerbe in Gänze zu, sondern zeigt sich insbesondere dort, wo entweder Rohstoffvorkommen oder bestimmte technologische und Fertigungskompetenzen konzentriert sind. Augenfällig ist dies bei Öl- und Gasimporten, in der Elektronik, aber in gewissem Umfang auch in der pharmazeutischen Industrie. Die geopolitische Lageveränderung macht hier eine Neubewertung der Risikostrukturen notwendig. Richtig ist, Abhängigkeiten in den unterschiedlichen Facetten zu prüfen. Dies gilt für Warenlieferungen, Vorleistungsbezüge, eigene Exporttätigkeit und in besonderem Maße auch für technologische Souveränitätsfragen. Politik und Wirtschaft sind gefordert, hier unterschiedliche Lösungen zu erarbeiten. Ein naheliegender Schritt ist die weitere globale Integration der Wertschöpfungsstrukturen. Den Handel mit Weltregionen, die bislang weniger stark in der globalen Arbeitsteilung präsent sind, zu intensivieren, hätte den positiven Nebeneffekt einer Möglichkeit zur stärkeren Risikostreuung in den Bezugsquellen von Rohstoffen, Waren und Vorleistungen. Zudem ist auch das heimische Produktions- und Innovationsnetzwerk zu stärken und die europäische Integration zu vertiefen.

Dies gilt gerade für Schlüsselindustrien wie die pharmazeutische Industrie, die zudem versorgungsrelevant für das Gesundheitswesen sind. Hier hat in den vergangenen Jahrzehnten eine erhebliche Abwanderung der Produktion in Richtung Asien stattgefunden. Wichtige Teile der Wertschöpfung und Innovationsaktivitäten sind allerdings nach wie vor stark am Standort vertreten. Diese zu halten und auszubauen, wie jüngst in der Pharmastrategie der Bundesregierung(9) formuliert, sind daher richtige und wichtige Schritte für die Stärkung der Souveränität Deutschland.

(1) Berenberg-Gossler, P., Dany-Knedlik, G., Kläffling, D., & Michelsen, C. (2020). Trumps protektionistische Handelspolitik hat ihre Ziele verfehlt. DIW Wochenbericht, 87(50), 960-969, online verfügbar.

(2) Wissenschaftlicher Beirat des BMWK (2023), Leitplanken der Versorgungssicherheit, online verfügbar.

(3) Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2023), Wachstumsschwäche überwinden – in die Zukunft investieren, Jahresgutachten 23/24, online verfügbar.

(4) Überraschenderweise liegen selbst die USA mit einem Entfernungsmaß von 0,89 nicht nur in der Gruppe der „fernen“ Länder,
sondern auch nahezu gleichauf mit China (0,90).

(5) Der Herfindahl-Index erreicht theoretisch nie die Null – das Minimum hängt umgekehrt proportional von der Anzahl der Einheiten (hier: Lieferländer) ab; bei über 200 Ländern fällt der kleinstmögliche Wert aber praktisch mit Null zusammen – nur bei wenigen Einheiten ist dieses Problem relevant und erschwert dann die Interpretation des Niveaus zusätzlich, wenn Einheiten aufgeteilt werden, beispielsweise erst die EU und dann einzelne Mitgliedsländer betrachtet werden. In dieser Untersuchung wird diese Zahl nicht verändert und es gilt kurzum: Kleiner ist besser und ein steigender Wert signalisiert eine zunehmende Abhängigkeit.

(6) Ein extremes Beispiel verdeutlicht, dass die Konzentrationsmaße für die Summe und ihre Teile völlig unterschiedlich ausfallen können: Liefern insgesamt zwei Länder je zwei Güter, beide in gleichen Mengen, so nehmen die Maße für jedes Gut, aber auch in der Summe, den kleinstmöglichen Wert an. Wird indes jeweils eines der Güter nur aus einem Land geliefert, ändert sich das Gesamtmaß nicht (es bleibt minimal), die Konzentrationsmaße für jedes der beiden Güter signalisieren aber korrekt, dass maximale Konzentrationen vorliegen.

(7) Vgl. Francas, D., Kirchhoff, J. (2022), Resilienz pharmazeutischer Lieferketten, Studie für den Verband forschender Arzneimittelhersteller, Hrsg. IW Köln, online verfügbar.

(8) Als relevante pharmazeutische Vorprodukte wurden dabei ausschließlich die Grundstoffe unterstellt – und die entsprechende Lieferstruktur, bei den chemischen Vorprodukten analog eine (gleichgewichtete) Auswahl: Industriegase, organische sowie anorganische Grundstoffe, Seifen-/Wasch-/Reinigungsmittel, Öle, Chemiefasern und sonstige chemische Erzeugnisse.

(9) Vgl. hierzu das Strategiepapier der Bundesregierung „Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland“ vom 13. Dezember (online verfügbar).

Autor:

Dr. Claus Michelsen
Geschäftsführer Wirtschaftspolitik
Dr. Claus Michelsen

Telefon 030 20604-120

c.michelsen@vfa.de

Co-Autor:

Dr. Simon Junker
Senior Manager Konjunkturpolitik
Dr. Simon Junker

Telefon 030 20604-511

s.junker@vfa.de

Pressesprecher:

Henrik Jeimke-Karge
Pressesprecher Wirtschaftspolitik
Henrik Jeimke-Karge

Telefon 030 20604-205

h.jeimke-karge@vfa.de