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#MacroScopePharma 04/24

Der Economic Policy Brief des vfa



Frühjahrsprognose: Warten auf den Aufschwung

Deutschlands Wirtschaft wartet nach fast zwei Jahren der Stagnation weiter auf den Aufschwung. Der kräftige Jahresbeginn war nur ein Strohfeuer. Erst in der zweiten Jahreshälfte setzt eine Belebung ein. Nach der Rezession im Jahr 2023 dürfte in diesem Jahr nur ein schwaches Wachstum von 0,4 Prozent zu Buche stehen. Die Industrie wird weiter von hohen Kosten, geopolitischen Krisen, immer weiter reichendem Protektionismus und zunehmendem Arbeitskräftemangel belastet. Die Pharmabranche kann sich, auch beflügelt durch die jüngsten politischen Signale, als einzige Schlüsselindustrie mit Produktionszuwächsen und steigenden Investitionen absetzen.

Deutsche Absatzmärkte mit moderatem Wachstum

Im Jahr 2023 expandierte die Weltwirtschaft nur moderat und wird auch dieses und kommendes Jahr kein nennenswert höheres Tempo aufnehmen (Tabelle 1).(1) Die gestiegene geopolitische Unsicherheit und die hohen Finanzierungskosten dürften die Investitionen dämpfen. Belebend wirkt, dass die bis zuletzt spürbar gesunkene Kaufkraft in den meisten Ländern wieder steigt. Dafür sorgt die vor allem wegen sinkender Energiepreise abebbende Inflation. Absehbar sind auch Zinssenkungen, die perspektivisch die Investitionstätigkeit beleben.

Die wirtschaftliche Entwicklung Chinas wird nach wie vor von der dortigen Immobilienkrise beeinträchtigt. Auch deswegen bleibt dort der Konsum schwach. Die chinesische Wirtschaft dürfte mit – für dortige Verhältnisse schwachen – Raten von deutlich unter fünf Prozent zulegen. Diese für deutsche Exporteure ohnehin trüben Aussichten werden noch dadurch geschmälert, dass die Wirtschaftspolitik in China zunehmend zulasten europäischer Produzenten geht.

Die US-Wirtschaft expandierte bis zuletzt überraschend stark und dürfte auch dieses Jahr das Wachstumstempo von rund 2,5 Prozent halten. Der Konsum bleibt vorerst Treiber, verliert aber an Schwung. Die Fiskalimpulse lassen nach. Deswegen schwächen sich die gesamtwirtschaftlichen Zuwächse im späteren Verlauf ab. Die Geldpolitik dürfte wohl ab Sommer die Zügel lockern, was sich perspektivisch in zunehmend dynamischer Investitionstätigkeit niederschlagen wird. Deutschland mit seinem Fokus auf investive Güter wird somit erst nach und nach von der US-Konjunktur profitieren. Die Impulse dürften zudem schwächer ausfallen, als es bei derartigen Wachstumsraten früher der Fall war, weil auch Präsident Biden am protektionistischen Kurs festhält. Im Falle einer Wiederwahl Trumps droht gar eine Verschärfung der Handelshemmnisse.

In der Europäischen Union und im Vereinigten Königreich nahm die Produktion nur geringfügig zu, nicht zuletzt aufgrund der restriktiven Geldpolitik und der vergleichsweise noch hohen Energiepreise. Besonders im Euroraum war die Entwicklung im Zuge rückläufiger Investitionen und sinkender Realeinkommen schwach. Letztere dürften nun wieder zunehmen und dem Konsum Impulse verleihen. Die Investitionen legen erst ab der zweiten Jahreshälfte 2024 zu – und dann auch nicht kräftig. Damit entwickelt sich der wichtigste deutsche Absatzmarkt vorerst nur verhalten.

Entscheidend für die schwache deutsche Konjunktur im vergangenen Jahr war, dass die Dienstleistungen deutlich stärker expandierten als die Industrie, der Welthandel mit Waren sogar spürbar zurückging.
Ab dem späteren Jahresverlauf 2024 dürfte indes die industrielle Wertschöpfung weltweit mit höheren Raten zulegen als diejenige der Dienstleister, und der Welthandel wird entsprechend mehr und mehr ausgeweitet.

Deutsche Wirtschaft blieibt angeschlagen

Die Wirtschaft in Deutschland bleibt angeschlagen. Ursächlich sind die hohe Inflation, die weltweiten Zinsanstiege, aber auch anhaltende (und sich teils verschärfende) Faktoren: teurere (und von der Verfügbarkeit her weniger planbare) Energie, der Arbeitskräftemangel und Deglobalisierungstendenzen. Weil die Belastungen durch Inflation und hohe Zinsen allmählich wegfallen, nimmt die deutsche Wirtschaft Fahrt auf. Da aber noch viele Probleme ungelöst sind, bleibt sie hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Die hohe Inflation (Tabelle 2) ist maßgeblich wegen der sinkenden Preise für Energie abgeebbt. Aber auch ohne Energie dürfte sich die Teuerung, bei sinkenden Import- und Erzeugerpreisen, weiter verlangsamen. Dem wirken derzeit zwar noch stark steigende Preise für Dienstleistungen entgegen, nicht zuletzt aufgrund der Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung im Gastgewerbe und weiterer staatlicher Eingriffe wie etwa bei der Lkw-Maut und der Besteuerung von Flugreisen, sowie eine teilweise Weitergabe steigender Arbeitskosten seitens der Unternehmen. Alles in allem pendelt sich die Inflation jedoch nahe dem langjährigen Durchschnitt von etwa zwei Prozent ein.

Trotz der Konjunkturflaute hat die Erwerbstätigkeit bis zuletzt zugelegt, dabei allerdings spürbar an Tempo verloren. Umfragen deuten darauf hin, dass sich dieser schleppende Beschäftigungsaufbau zunächst fortsetzt. Im späteren Verlauf kommt mehr und mehr die Alterung der (Erwerbs-)Bevölkerung zum Tragen. Deswegen steigt die Zahl der Erwerbstätigen, nach einem Plus von annähernd 200.000 in diesem Jahr, im kommenden Jahr kaum noch, während die Arbeitslosenquote von 5,8 Prozent in diesem Jahr auf 5,5 Prozent im Jahr 2025 zurückgehen dürfte.

Vor allem die Arbeitsnachfrage seitens der Industrie ist schwach. Anders als in der Gesamtwirtschaft wurde dort zuletzt (auch im sozialversicherungspflichtigen Bereich) Beschäftigung abgebaut. Dies lag unter anderem an den Problemen der energieintensiven Branchen. Zuletzt ist die Beschäftigung aber auch in den zinsreagiblen Branchen, wie dem Maschinenbau (vgl. auch Fußnote 10), gesunken. Für vorerst sinkende Beschäftigtenzahlen in der Industrie spricht auch die steigende Inanspruchnahme von Kurzarbeit. Zuletzt waren annähernd 200.000 Menschen betroffen – davon ein zunehmender Teil in der Industrie. Dort hat sich die Zahl der Kurzarbeitenden seit August schätzungsweise verdoppelt,(2) vor allem die energieintensiven und die zinsreagiblen Branchen dürften dazu beigetragen haben. All dies spricht dafür, dass die gesamtwirtschaftliche Lage am Arbeitsmarkt vorerst gedämpft bleibt.

Zusammengenommen legt die Kaufkraft der Verbraucher:innen mehr und mehr zu. Neben der sinkenden Inflation und dem Beschäftigungsaufbau tragen spürbare Lohnsteigerungen bei. In der Folge stützt der Konsum der privaten Haushalte die Konjunktur (Abbildung 1).

Die Investitionen schwächeln seit geraumer Zeit. Dies liegt in erster Linie am Wohnungsbau, der sich im Zuge hoher Baukosten und gestiegener Hypothekenzinsen im Sinkflug befindet (Abbildung 2). Die öffentlichen Investitionen sind dagegen, nicht zuletzt aufgrund steigender Rüstungsausgaben, aufwärtsgerichtet. Die Unternehmensinvestitionen hatten trotz der schwächelnden Konjunktur noch lange zugelegt, im Schlussquartal 2023 dann aber deutlich nachgegeben.

Die Bauinvestitionen sinken auch im Durchschnitt dieses Jahres. Ab der Jahresmitte dürften sie aber bereits verhalten zulegen. Das deutliche Plus im Auftaktquartal dürfte sich als Ausreißer entpuppen: Ungünstige Witterungsverhältnisse hatten die Bautätigkeit zum Jahreswechsel zusätzlich gebremst, die daraus resultierenden Ausfälle wurden nachgeholt (vgl. hierzu die Ausführungen im folgenden Abschnitt). Abbildung 3 veranschaulicht dies: Ohne zusätzliche Hemmnisse wären die Bauinvestitionen im Schlussquartal wohl deutlich weniger gesunken (dies skizziert der rote Punkt auf der gestrichelten Line), der Sprung im ersten Quartal dafür ausgeblieben (blauer Punkt). Tatsächlich führen die Nachholeffekte zum Jahresauftakt zu einem Schub, der sich auch gesamtwirtschaftlich bemerkbar macht, im zweiten Quartal, bei im Vergleich wieder geringeren Aktivitäten im Bau, die Raten allerdings wieder drückt. Abgesehen von diesem Sondereffekt löst sich die Schwäche in der Bauwirtschaft auf, wenngleich nur allmählich.

Bei den Unternehmensinvestitionen belasten zunächst sinkende Ausgaben für Maschinen und Fahrzeuge: Darauf deuten die im Mittel von Januar und Februar um 2,5 Prozent (gegenüber dem Vorquartal) gesunkenen Inlandsumsätze der Investitionsgüterhersteller hin. Zudem dürfte hohe Unsicherheit – sowohl die geopolitische Lage als auch die heimische wirtschaftspolitische Ausrichtung betreffend – die privaten Investitionen weiterhin dämpfen, die entsprechend erst, angekurbelt durch sinkende Zinsen, ab dem Jahresende anziehen dürften. Dagegen stützen die öffentlichen Investitionen deutlich, insbesondere die Militärausgaben,(3) was sich in zunehmenden Raten bei den Ausrüstungsinvestitionen ab Frühjahr niederschlagen dürfte.

Die Exporte, vor allem die Warenausfuhren, sind im vergangenen Jahr eingebrochen. Zum einen lag dies an der schwachen globalen Nachfrage nach Investitionsgütern, zum anderen an den Produktionsausfällen in den energieintensiven Branchen, die mit sinkenden Ausfuhren einhergingen. Nun verlagern sich die weltweiten Wachstumskräfte hin zur Industrie. In dem Zuge nehmen die Nachfrage nach deutschen Investitionsgütern und somit auch die heimischen Exporte zunehmend Fahrt auf. Gemessen an der kräftigen Entwicklung wichtiger Absatzmärkte, etwa der USA, profitieren deutsche Exporteure angesichts der schwelenden Handelshemmnisse aber weniger als in der Vergangenheit. Die Exportzuwächse bleiben dementsprechend verhalten. Vom Außenhandel gehen per Saldo keine expansiven Impulse aus. In diesem Licht ist auch das ordentliche Plus zu sehen, das sich für das Auftaktquartal 2024 abzeichnet. Es dürfte auf Großaufträge im Sonstigen Fahrzeugbau zurückgehen,(4) zu dem militärische Fahrzeuge zählen. Dank dieses Schubes sinken die Exporte durchschnittlich im Jahresvergleich kaum. Im kommenden Jahr legen sie zwar deutlich zu, bleiben aber weiter hinter dem Expansionstempo von Weltproduktion und Welthandel zurück (vgl. auch Tabelle 1).

Deutsche Industrie weiterhin belastet

Verschiedene Belastungen spalten die deutsche Industrie: Die energieintensiven Branchen(5) kämpfen mit den Auswirkungen der Energiekrise, zunehmender Protektionismus trübt die Aussichten der Exportunternehmen und Investitionsgüterhersteller sowie die Bauwirtschaft spüren die Auswirkungen der weltweiten Zinserhöhungen.

In dieses Jahr ist die Produktion im produzierenden Gewerbe dennoch recht dynamisch gestartet.(6) Dies lag vor allem daran, dass die Bauwirtschaft witterungsbedingte Ausfälle kompensierte: Um den Jahreswechsel litten viele Bauunternehmen, vor allem im Tiefbaugewerbe, unter ungewöhnlich schlechten Wetterverhältnissen(7) und mussten ihre Aktivitäten deutlich zurückfahren. Das Plus im Februar spiegelt die Bemühungen wider, diese Ausfälle aufzuholen (Tabelle 3).

Abwärts ging es seit Jahresbeginn bei den Energieversorgern: Deren Produktion lag zuletzt drei Prozent niedriger als im Vorquartal und hochfrequente Daten zur Stromerzeugung(8) weisen gar auf noch stärkere Rückgänge hin – aber auch auf eine Stabilisierung im zweiten Quartal. Die Energieversorgung war seit Beginn des Ukrainekriegs in etwa parallel zu den Produktionsrückgängen bei den energieintensiven Industriebranchen zurückgefahren worden. In dem Maß, in dem sich diese Branchen erholen, dürfte auch die Energieversorgung zulegen.

In den energieintensiven Branchen zeichnet sich allmählich eine Erholung ab. So haben sich laut ifo-Konjunkturtest die Aussichten der Unternehmen deutlich aufgehellt, insbesondere die Exporterwartungen sprechen für ein Ende der Talfahrt(9) . Zuletzt gab es zwei kräftige Produktionsanstiege in Folge und die Auftragseingänge haben etwas zugelegt. Auch wenn sich die jüngsten Zuwächse erst noch verstetigen müssen, wird hier angenommen, dass die Anpassung an die höheren Energiekosten weitgehend abgeschlossen ist und dass die deutlichen Rückgänge den permanenten Effekt überzeichnet haben. Mit anderen Worten: Ein Teil des Einbruchs um 20 Prozent (Abbildung 4) dürfte auch mit den vorübergehend extrem hohen Energiepreisen und konjunkturellen Faktoren zusammenhängen, so dass nun eine Erholung in den betroffenen Branchen auf ein vom jetzigen Standpunkt aus höheres – im Vorkrisenvergleich aber geringeres – Niveau einsetzt. Unterstellt wird, dass sich dieses Niveau mittig zwischen Vorkrisenniveau und Krisentief befindet. Alles in allem ergeben sich damit neben dem bereits zu Jahresbeginn erfolgten Schub vor allem ab dem vierten Quartal deutliche Impulse.

Die besonders von der globalen Investitionsflaute betroffenen Branchen(10) haben ihre Aktivität bis zuletzt zurückgefahren und auch die Einschätzung der aktuellen Lage verschlechterte sich im März erneut. Es mehren sich indes positive Signale: Zwar gingen die Neubestellungen bis Januar zurück. Diese haben im Februar aber mit zweistelligen Zuwächsen aus dem Inland sowie dem Nicht-Euroraum zugelegt und die Erwartungen haben sich laut ifo-Institut merklich verbessert. Dies spricht dafür, dass die Produktion in diesen Branchen ab Mitte des Jahres ins Positive drehen wird, zumal ab Frühsommer Zinssenkungen anstehen. Diese entfalten ihre volle Wirkung indes erst nach und nach und verleihen unter anderem dem Maschinenbau und der Elektroindustrie erst im späteren Verlauf merklich Schub.

Die Automobilindustrie hat weiterhin mit strukturellen Problemen zu kämpfen. Daran ändern auch der jüngste Produktionsschub und die deutlich aufgehellten Exporterwartungen nichts. Mit Blick auf den bereits vor der Pandemie eingeschlagenen Abwärtstrend, den die Auftragseingänge aus In- und Ausland derzeit spiegeln, dürfte die Aktivität auf der Stelle treten.

Als einzige Schlüsselindustrie kann sich die Pharmabranche von der aktuellen Schwächephase absetzen und robust zulegen.

Deutsche Pharmaindustrie: Produktion von übriger Industrie entkoppelt

Die Pharmaindustrie dürfte nach dem Boom in der Impfstoffproduktion an die Produktionsentwicklung der Vor-Corona-Jahre anknüpfen und sich in diesem Jahr von der Industrieflaute mit Zuwächsen bei Umsätzen und Produktion absetzen.

Die Entwicklung im vergangenen Jahr war nur auf den ersten Blick schwach: Die Umsätze fielen zwar um 4,3 Prozent. Jedoch normalisierten sich die Inlandsumsätze lediglich nach dem Impfstoffschub der Coronajahre (Abbildung 5, oben) – wie erwartet(11) fielen sie um ein Fünftel geringer aus als im Jahr 2022. Dabei nahmen sie im späteren Jahresverlauf sogar Fahrt auf, nicht zuletzt wohl auch aufgrund eines höheren Bedarfs infolge des hohen Krankenstands.(12) Für das Auftaktquartal zeichnet sich bereits eine niedrigere Aktivität, etwa auf dem Vorkrisenniveau, ab – von dem es im Folgenden nur geringfügig aufwärts gehen dürfte.

Positive Impulse sind aus dem Ausland zu erwarten: Zwar flauten die Auslandsumsätze anders als zuletzt erwartet im Herbst nicht allmählich ab, sondern fielen im September 2023 zweistellig und verharrten zunächst (unter starken Schwankungen) auf dem niedrigeren Niveau. Zuletzt legten sie aber (wiederum etwa zweistellig) zu, dürften damit allmählich auf den Vorkrisentrend einschwenken und diesem folgen.

Die Produktion hinkte den Umsätzen zuletzt etwas hinterher, hat aber jüngst kräftig zugelegt (im Durchschnitt von Januar und Februar lagen sie 4,3 Prozent höher als im Schlussquartal 2023) und dürfte im Folgenden etwa im Gleichschritt mit den Umsätzen steigen. Für dieses Jahr ergibt sich ein Plus von rund zwei Prozent – im Kontrast zur gesamten Industrieproduktion, die wohl deutlich im Minus sein dürfte. Im kommenden Jahr dürfte der Zuwachs bei der Pharmaproduktion dann etwa so hoch ausfallen wie in der übrigen Industrie.

Der Beschäftigungsaufbau dürfte sich fortsetzen: Die Zahl der Erwerbstätigen die im Jahr 2023 – nicht zuletzt aufgrund eines kräftigen Zuwachses im April – um sieben Prozent gestiegen war, wird auch in diesem Jahr spürbar dynamischer zulegen als in der Gesamtwirtschaft.

Begleitet werden dürfte die steigende Zahl an Mitarbeitenden durch eine Ausweitung der Investitionen. Im Zuge der Energiekrise waren die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen durch die Vorleistungskosten, die zweistellig in die Höhe geschnellt waren, beschnitten. Mittlerweile sind Einfuhr- und Erzeugerpreise gesunken (vgl. MacroScope Facts auf Seite 10) und eröffnen bei gleichzeitig steigender Produktion (nominal dürfte diese bei leicht erhöhtem Preisauftrieb um reichlich fünf Prozent zulegen) wieder Spielräume. Aktuelle Entscheidungen zum Bau von Produktionsstätten in Deutschland zeugen vom Vertrauen in den Standort – welches auch durch die Pharmastrategie der Bundesregierung gestärkt wird.

Bei Großprojekten ist indes der langjährige Planungsprozess zu berücksichtigen. Aber auch in der Breite kehrt der Optimismus zurück, wie die merklich aufgehellten Investitionsabsichten(13) belegen. Dem stehen spürbar steigende Arbeits- und auch Finanzierungskosten sowie die allgemeine Unsicherheit gegenüber. Alles in allem dürften die Investitionen in realer Rechnung um rund drei Prozent zulegen – und damit sogar den realen Produktionsanstieg übersteigen.

Wachstumskräfte stärken – Modernisierung anschieben

Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland gibt weiterhin Anlass zur Sorge. Nach zwei Jahren der Stagnation gelingt es voraussichtlich nicht, eine größere wirtschaftliche Dynamik zu entfachen. Diese wäre allerdings notwendig, um Marktanteile zurückzugewinnen und die Modernisierung der Wirtschaft voranzutreiben.

Gerade die Industrie steht vor grundlegenden Veränderungen, die wegen höherer Faktorkosten, ungünstiger Demografie und neuer Technologiezyklen notwendig sind. Eine Modernisierung muss nun entschlossen vorangetrieben werden. Weichenstellungen, wie beispielsweise im Wachstumschancengesetz ursprünglich angelegt, gehen hier in die richtige Richtung, sind allerdings im politischen Prozess gescheitert. Hier gilt es einen neuen Anlauf zu nehmen, um schnell ein Paket zur wirtschaftlichen Belebung auf den Weg zu bringen. Dabei geht es darum, konsequent Innovationen zu erleichtern, die Produktivität zu stärken und Investitionen rentabler zu machen.

Verstärkt sollten hier die Schlüsselindustrien der deutschen Wirtschaft in den Blick genommen werden, die – allen voran die Pharmaindustrie – auch in Schwächephasen positiv zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen können. Dass politische Weichenstellungen hierfür relevant sind, zeigt sich mit Blick auf die Pharmastrategie, die in der Branche ein deutlich positiveres Investitionsklima verbreitet. Ihre Umsetzung sowie innovationsfreundliche Rahmenbedingungen im Gesundheitssystem sind Faktoren, damit in Zukunft Weltmarktanteile im pharmazeutischen Sektor hinzugewonnen werden können.

(1) Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2024): „Deutsche Wirtschaft kränkelt – Reform der Schuldenbremse kein Allheilmittel“, online verfügbar.

(2) Es liegen nur Hochrechnungen des IAB bis Januar vor, und die Branchenaufteilung wird für diesen Monat mit ihrem Dezember- Anteil fortgeschrieben.

(3) Vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, ibid.

(4) Im Mittel von Januar und Februar liegen die Warenausfuhren real 3,5 Prozent höher als im Schlussquartal 2023. Zu den Sondereffekten dahinter vgl. auch Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, ibid.

(5) Die energieintensiven Branchen umfassen die Wirtschaftszweige 17, 19, 20, 23 und 24; zu Details vgl. Informationen des Statistischen Bundesamtes, online verfügbar.

(6) Nach zwei Anstiegen in Folge liegt sie im Durchschnitt von Januar und Februar 1,4 Prozent höher als im Vorquartal, siehe MacroScope Pharma Dashboard.

(7) Laut ifo-Konjunkturtest gaben im Dezember 37 Prozent der Befragten an, dass das Wetter die Bautätigkeit beeinträchtigt hatte und auch im Januar waren es noch 32 Prozent. Ähnlich widrige Bedingungen gab es seit 1991 nur zehn Mal.

(8) Verwendet werden hier saisonbereinigte Monatsreihen (eigene Bereinigung) basierend auf Daten im Viertelstunden-Takt des Verbands Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (Quelle: MacroBond); vgl. auch den „Pulsmesser Wirtschaft“ des Statistischen Bundesamtes.

(9) Die Exporterwartungen der energieintensiven Branchen sind nahezu ausgeglichen – während seit Mitte 2022 der Anteil der Unternehmen, die eine Verschlechterung beim Export erwarteten, im Schnitt um zehn Prozentpunkte höher lag als derjenige, die eine Verbesserung erwarteten, ist dieser Wert in den vergangenen Monaten rasant gestiegen, auf − 1,3 im März. Die entspre- chenden ifo-Reihen wurden mit den Wertschöpfungsanteilen der fünf energieintensiven Branchen zusammengewichtet,
vgl. hierzu die Informationen des Statistischen Bundesamtes, online verfügbar.

(10) Hierunter zusammengefasst (und kurz als „zinsreagible Branchen“ bezeichnet) werden hier der Maschinenbau und die Elektroindustrie (Wirtschaftszweige 26, 27 und 28).

(11) MacroScope Pharma Economic Policy Brief #10/23 (2023), „Herbstprognose: Aufschwung unter erheblichen Risiken“, online verfügbar.

(12) Vgl. hierzu etwa Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2024), ibid.; Boysen-Hogrefe, J., Groll, D., Hoffmann, T., Jannsen, N., Kooths, S., Schröder, C. und Sonnenberg, N. (2024): „Deutsche Wirtschaft im Frühjahr 2024“, Kieler Konjunkturberichte 112; MacroScope Pharma Economic Policy Brief #01/24 (2024), „Hoher Krankenstand drückt Deutschland in die Rezession“, online verfügbar.

(13) Laut DIHK-Konjunkturumfrage sind die Investitionsabsichten zuletzt deutlich auf 30 Punkte gestiegen: Fast die Hälfte (46 Prozent) der befragen Pharmaunternehmen gibt an, in diesem Jahr die Investitionen auszuweiten; das übersteigt die Zahl derer, die weniger investieren wollen, um 30 Prozentpunkte. Zum Vergleich: In der Industrie verharrt dieser Saldo bei − 11 Punkten; vgl. auch die MacroScope Facts im MacroScope Pharma Policy Brief 03/24.

Autor:

Dr. Claus Michelsen
Geschäftsführer Wirtschaftspolitik
Dr. Claus Michelsen

Telefon 030 20604-120

c.michelsen@vfa.de

Co-Autor:

Dr. Simon Junker
Senior Manager Konjunkturpolitik
Dr. Simon Junker

Telefon 030 20604-511

s.junker@vfa.de

Pressesprecher:

Henrik Jeimke-Karge
Pressesprecher Wirtschaftspolitik
Henrik Jeimke-Karge

Telefon 030 20604-205

h.jeimke-karge@vfa.de