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1000fach bewährt gegen Arzneifälschungen – 25 Jahre GPHF-Minilab

Arzneimittelfälschungen sind insbesondere für Entwicklungsländer ein hohes Risiko für das Leben und die Gesundheit kranker Menschen. Allein in den Subsahara-Regionen Afrikas sterben jährlich rund 500.000 Menschen, weil sie Arzneimittel ohne Wirkstoffe oder mit gefährlichen Substanzen einnehmen. Um den Schaden zu begrenzen, wurde vor 25 Jahren auf Initiative forschender Pharma-Unternehmen das Minilab entwickelt. In diesem Jahr wurde eine Stückzahl von 1000 Einheiten erreicht, von denen mehr als 500 in Afrika und mehr als 300 im asiatisch-pazifischen Raum genutzt werden, um Fälschungen zu detektieren.

Bereitgestellt wird das mobile Kompakt-Labor vom Global Pharma Health Fund (GPHF), der auch die erforderlichen Schulungen organisiert und dafür Manuale entwickelt hat. Die Vorteile des Minilab: Es ist gut transportabel, liefert bei der Detektion von Fälschungen sehr sichere Ergebnisse, ist für pharmazeutisches Fachpersonal einfach zu handhaben und im Vergleich zu Alternativen äußerst kosteneffektiv. Die Zahl der analysierbaren Wirkstoffe wurde über die Zeit ständig erhöht und wird im nächsten Jahr 125 erreichen. Da der Markt für Fälschungen auf absehbare Zeit nicht auszutrocknen ist, wird das Minilab nach Einschätzung des GPHF-Vorsitzenden Dr. Johannes Waltz (Merck) seine Notwendigkeit behalten und kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Das Ausmaß von Arzneimittelfälschungen ist sowohl hinsichtlich seines gesundheitlichen als auch seines ökonomischen Schadens größer als Produktion, Handel und Konsum von illegalen Drogen. „Gefälschte Arzneimittel untergraben und zerstören das Vertrauen der Menschen in das Gesundheitssystem“, sagte Pernette Bourdillon-Esteve von der Weltgesundheitsorganisation WHO Mitte Oktober bei einem GPHF-Symposion im Rahmen des Welt Health Summit (Welt-Gesundheits-Gipfel) in Berlin. Wenn das Vertrauen in die Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln verloren geht, verweigern Menschen mögliche Therapien – zum Schaden ihrer Gesundheit.

500.000 Todesopfer jährlich

Die von der WHO erarbeitete Definition für Substandard and Falsified (SF) Medical Products sieht drei Kategorien vor:

  • Substandard bedeutet, dass die Zusammensetzung außerhalb der von den Arzneimittelbehörden zugelassenen Spezifikation liegt, beispielsweise zu geringe Wirkstoffanteile oder Qualitätsmängel;
  • Unregistriert/unlizensiert bedeutet, dass für das Fertigarzneimittel keine behördliche Zulassung existiert.
  • Gefälscht bedeutet, dass das Arzneimittel keine Wirkstoffe enthält oder falsche Zusammensetzungen von Wirk- und Hilfsstoffen.

Nach Schätzungen der WHO ist in den Ländern mit geringen und mittleren Einkommen mehr als jedes zehnte Medikament, das sich auf dem Markt befindet, gefälscht. Allein der ökonomische Schaden durch den Handel mit unwirksamen und aufgrund ihrer Zusammensetzung gefährlichen Arzneimittel wird auf über 30 Milliarden US-Dollar beziffert, allein in Subsahara-Afrika sind es rund 10 Milliarden Dollar. Noch dramatischer sind die Schäden für Leib und Leben: Das United Nations Office on Drug and Crime gibt die Zahl der Todesopfer aufgrund von Arzneimittelfälschungen mit rund 500.000 pro Jahr an. Arzneimittelfälschungen zu verhindern ist aufwändig und erfordert sichere, überwachte und qualifizierte Lieferketten, Einsatz von Technik und eine effiziente staatliche Kontrolle. Diese Voraussetzungen sind in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen meist nicht gegeben. Überdies sind Produktion, Handel und Verkauf gefälschter Arzneimittel für die Täter höchst lukrativ und bringt mehr Rendite als der illegale Drogenhandel.

Zur Aufdeckung von Arzneimittelfälschungen hatte die WHO schon in den 1980er/90er Jahren Basic-Tests entwickelt, die sich allerdings als wenig praxistauglich erwiesen. Erste Gehversuche des GPHF in Deutschland – zunächst in Kooperation mit der Universität Bonn – hätten sich als „akademisch verkopft“ erwiesen, so der Minilab-Projektleiter beim GPHF, Dr. Richard Jähnke. Jähnke, von Beruf Pharmazeut und Betriebswirt, entwickelte aus der Sicht eines Praktikers für den GPHF innerhalb eines Jahres Anfang 1998 ein für die Gegebenheiten in Entwicklungsländer taugliches kompaktes und mobiles Labor. In der ersten Version konnten damit Arzneimittel auf 15 Wirkstoffe getestet werden, derzeit sind es, basierend auf den entsprechenden Monographien, 113; die Zahl analysierbarer Wirkstoffe soll im nächsten Jahr um weitere sieben steigen.

Der Einsatz der ersten vier Pionier-Minilabs erfolgte bei den Ärzten für die Dritte Welt („German Doctors“) in den Philippinen, in Krankenhäusern des Missionsärztlichen Instituts Würzburg in Tansania und Ghana und beim staatlichen National Drug Quality Laboratory in Nairobi, das vom deutschen Entwicklungshilfeministerium für die kenianische Regierung finanziert worden war.

Prioritär Tests für Medikamente gegen Infektionskrankheiten

Für die Weiterentwicklung des Kompaktlabors, so Jähnke, seien zwei Aspekte ausschlaggebend gewesen: die Erweiterung der Analysemöglichkeiten um solche Wirkstoffe, die von der WHO im Fokus der öffentlichen Gesundheit stehen und die als Essential Drugs eingestuft sind; das sind insbesondere Antibiotika sowie Wirkstoffe gegen Malaria, Tuberkulose und Aids, inzwischen aber auch wichtige Wirkstoffe zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes (letzteres ist in Arbeit). Der zweite wichtige Aspekt war es, in der Praxis häufig gebräuchliche Wirkstoff-Kombinationen mit dem Minilab analysieren zu können.

Für pharmazeutisches Fachpersonal, so betont Jähnke, sei das Konzept des Minilab einfach zu verstehen und in der Praxis auch gut umsetzbar. Gleichwohl wünschten sich die Chefs der Anwender:innen zumindest im ersten Schritt eine Schulung vor Ort. Jähnke selbst schätzt die Zahl seiner Einsätze als Schulungsleiter auf inzwischen mehr als 50.

Nummer 1 unter den Anwender:innen ist das von der US-Regierung finanzierte Gesundheitsprogramm „Promoting the Quality of Medicine (PQM) und sein Nachfolge-Programm PQM+. Im Rahmen dieser Programme wurden allein 300 der insgesamt 1000 produzierten Minilabs eingesetzt. Nicht selten sei dies auch in Kooperation mit der Institution durchgeführt worden, die für das US-amerikanische Arzneibuch verantwortlich ist, finanziert von der US-amerikanischen Agentur für internationale Entwicklung. „Mit diesen Partnern im Rücken spürt man die Wucht von International Public Health-Programmen, sofern der Wille vorhanden ist. Das ist Champions-League“, resümiert Jähnke.

Wie arbeiten die Anwender:innen mit dem Minilab?

Bedeutende Nutzer:innen, wenn auch in kleinerem Maßstab, sind kirchliche Organisationen wie das Ecumenical Pharmaceutical Network (Ökumenisches pharmazeutisches Netzwerk, EPN) mit Sitz in Nairobi/Kenia. EPN ist eine kirchliche und unabhängige Non-Profit-Organisation, deren Aufgabe es ist, Dienstleistungen zur pharmazeutischen Qualitätssicherung zu erbringen. Dem Netzwerk gehören unter anderem 32 christliche Gesundheitsorganisationen und 20 Arzneimittel-Lieferorganisationen an.

EPN arbeitet in insgesamt 38 Ländern, davon 27 in Afrika, und hat mit seiner Arbeit Einfluss auf die Arzneimittelversorgung von mehr 300 Millionen Menschen. Für eine seiner wichtigsten Aufgaben, die Erkennung von Arzneimittelfälschungen, setzt EPN seit 2010 insgesamt 19 GPHF-Minilabs ein und arbeitet dabei eng mit dem Deutschen Institut für Ärztliche Mission (DIFÄM) in Tübingen zusammen.

Um Arzneimittelfälschungen gezielt zu detektieren hat EPN nach Angaben seines Exekutiv-Direktors Dr. Robert Neci Cizungu ein Risiko-basiertes Entscheidungsverfahren und Checklisten für Qualitätskriterien für Arzneimittel entwickelt, die vor allem von Arzneimittel-Lieferorganisationen genutzt werden.

Wie Neci beim World Health Summit Mitte Oktober in Berlin berichtete, wurden im gesamten Netzwerk 1114 Arzneimittel im Jahr 2021 und 1420 Arzneimittel 2022 getestet. 44 Prozent waren Antibiotika, 16 Prozent Antimalaria-Medikamente und 13 Prozent Schmerzmittel. Identifiziert wurden in beiden Jahren 27 Fälschungen und weitere 85 Arzneimittel unterhalb des definierten Standards. Diese Fälle waren mit erheblichen Risiken für Gesundheit und Leben verbunden: Unwirksamkeit bei manchen Infektionskrankheiten kann tödlich sein, ferner steigt das Infektionsrisiko für weitere Menschen.

Fälschungen fördern Resistenzen – auch mit tödlichen Folgen

Neci beschreibt drei Kategorien von Risiken für die öffentliche Gesundheit durch Fälschungen:

  • Unwirksamkeit: Unterdosierung oder gar fehlende Wirkstoffe führen zur Unwirksamkeit des Medikaments, verschlechtern den Gesundheitszustand, führen zu steigenden Gesundheitskosten, nicht zuletzt aufgrund des steigenden Risikos für Komplikationen.
  • Resistenzentwicklung: Suboptimale Dosierungen von Wirkstoffen, insbesondere bei Antibiotika und Antimalaria-Medikamenten. Unzureichende Behandlung von Malaria führt zum Überleben der Parasiten, erhöht ihre Widerstandsfähigkeit gegen Medikamente und erschwert künftige Malaria-Behandlungen – mit potentiell tödlichen Folgen.
  • Nebenwirkungen und Toxizität: Gefährliche Substanzen, unkorrekte Hilfsmittel und falsche Dosierungen können zu gefährlichen Nebenwirkungen führen. So wurden gefälschte Schmerzmittel gefunden, die toxische Substanzen enthielten, die schwere, sogar tödliche Organschäden verursachen können.

Als Konsequenz dieser erheblichen Risiken informiert EPN nicht nur die Weltgesundheitsorganisation regelmäßig über aufgedeckte Fälschungen, sondern auch die zuständigen Gesundheitsministerien und staatlichen Arzneimittelbehörden. In manchen Ländern ist das Procedere dazu in Memoranden geregelt. Idealerweise würden dann die Behörden die Öffentlichkeit informieren und Arzneimittelrückrufe starten – in der Realität würden staatliche Institutionen dieser Aufgabe oft nicht der gebotenen Eile und Stringenz gerecht, kritisiert Neci. Dies gelte sogar dann, wenn die WHO Alarmmeldungen veröffentlicht.

Detektion von Fälschungen bleibt eine Daueraufgabe

Angesichts der Tatsache, dass seit Aufdeckung der ersten Fälschung eines Penicillin-Medikaments 1949 mehr als 70 Jahre vergangen sind und die WHO aktuell schätzt, dass global jedes zehnte Medikament eine Fälschung ist, erwartet Neci nicht, dass dieses Problem sich auf absehbare Zeit lösen lässt. Beharrliche Detektionsarbeit bleibt zwingend notwendig. Der Einsatz des Minilab spielt dabei eine relevante Rolle: Allein sieben von insgesamt 34 von der WHO zwischen 2019 und 2022 ausgelösten Alarmen gingen auf Untersuchungen des EPN mit Hilfe des Minilab zurück. „Insofern kann die Bedeutung des Einsatzes von Minilabs im Kampf gegen Arzneimittelfälschungen nicht hoch genug eingeschätzt werden. Regierungen und Behörden müssen dabei stärker involviert und für den Nutzen des Minilab sensibilisiert werden“, lautet Necis Resümee.

Seine Erwartungen an die Zukunft:

  • Nachhaltigkeit: Sicherung des Nachschubs an standardisierten Wirkstoffen, Reagenzien und Verbrauchsmaterialien,
  • Expansion: Weil das Minilab Leben retten kann, sollten mehr Geräte in Afrika verfügbar werden und entsprechend Mitarbeiter geschult werden.
  • Partnerschaften, etwa zwischen kirchlichen Organisationen in der Gesundheitsversorgung und Regierungen sollten ausgebaut werden.

Zwar ist das Minilab kein „Alleskönner“. Es detektiert sehr zuverlässig – mit Sensitivität und Spezifität von bis zu 100 Prozent – Arzneimittel ohne oder mit deutlich zu wenig Wirkstoff, also groben Fälschungen; bei Substandard-Arzneimitteln oder solchen mit geringen Dosierungsschwankungen sind Detektionsrate und Treffsicherheit weniger zuverlässig, schränkt die Apothekerin Christine Häfele-Abah vom Deutschen Institut für Ärztliche Mission in Tübingen ein. Bedeutsam und notwendig sei allerdings der Plan, die Zahl analysierbarer Wirkstoffe zeitnah auf 125 zu erhöhen.

Trotz solcher Einschränkungen hält Professor Lutz Heide vom Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen das Minilab unter allen zwölf weltweit verfügbaren Technologien derzeit unter Berücksichtigung von Aussagefähigkeit und Preis für die beste und daher auch meistverwendete Screening-Technologie. Alternative Geräte seien teils um ein Vielfaches teurer.

Der Global Pharma Health Fund, so sichert sein Vorsitzender Dr. Johannes Waltz (Merck KGaA) zu, wird sich auch zukünftig bei der Fälschungsbekämpfung mit dem Minilab engagieren. „Wir sehen kein Licht am Ende des Tunnels“, so Waltz – die Aufdeckung von Fälschungen bleibe eine Daueraufgabe, die vom Unternehmen Merck maßgeblich unterstützt wird. Neben der Ausweitung des Analysespektrums auf mittelfristig 125 Wirkstoffe seien bei der Weiterentwicklung des Kompaktlabors digitale Anwendungen eine Option. Ferner könnten digitale Schulungen als Ergänzung zum analogen Training den Know how-Transfer verbessern und effizienter machen.


Stichworte

Global Pharma Health Fund e.V. (GPHF)

Der GPHF ist eine gemeinnützige Initiative des Unternehmens Merck KGaA, Darmstadt. Er fördert die Entwicklung des Gesundheitswesens in Entwicklungsländern, insbesondere die Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen durch Einsatz des GPHF-Minilab.

Der GPHF kooperiert dabei mit staatlichen und privaten Institutionen wie der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), kirchlichen Organisationen wie action medeor, dem Deutschen Institut für Ärztliche Mission (Difäm) und dem US-Amerikanischen Arzneibuchbüro (USP PQM+).

Projektleiter für das GPHF-Minilab ist der Apotheker und Betriebswirt Dr. Richard Jähnke.

Das GPHF-Minilab

Das Minilab ist in einem robusten Reisekoffer untergebracht und sicher transportabel. Der Inhalt besteht aus:

  • Einem vollständigen Satz an Glas- und Volumenmessgeräten zur Probenextraktion und -aufbereitung,
  • hochwirksamen Chromatografierplatten,
  • Trenn- und Detektionskammern,
  • UV-Lampen mit unterschiedlichen Wellenlängen,
  • elektronischer Taschenwaage und Heizplatte
  • Handbuch in Englisch, Französisch und Spanisch
  • Referenzproben für derzeit 113 Wirkstoffe
  • Für die Analyse notwendige weitere Chemikalien.

Die Grundausstattung ermöglicht die Durchführung von etwa 1000 Analysen. Die Materialkosten pro Testlauf liegen bei etwa drei Euro.

Die Prüfung von Arzneimitteln erfolgt in vier Schritten:

  1. Sichtung auf äußerliche Auffälligkeiten an der Arzneiform, Verpackung und Lieferpapieren
  2. Prüfung von Füll- und Gesamtgewicht als Frühindikator zur Erkennung von Falschangaben zum Arzneimittelgehalt
  3. Überprüfung der Etikettenangaben hinsichtlich eines schnellen oder verzögerten Zerfalls von Tabletten und Kapseln
  4. Dünnschichtchromatografischer Test zur schnellen Prüfung hinsichtlich Identität und Gehalt

Kosten und Finanzierung

Die Kosten der Minilab-Plattform selbst liegen inklusive Chemikalien und Verbrauchsmaterialien liegen bei 4500 Euro, weitere 4000 Euro kostet die Grundausstattung für Referenzproben; alles in allem erlaubt das Minilab in dieser Ausstattung die Durchführung von rund 1000 Analysen. Hinzu kommen jeweils Transportkosten und ggf. staatliche Abgaben wie Zölle.

Am teuersten sind Schulungen, insbesondere beim Ersteinsatz in einer Organisation, insbesondere bedingt durch Reisekosten für den Trainer sowie Reisekosten der zu schulenden Anwender. Organisationen wie das EPN führen aber auch intern Schulungen durch, wodurch die Kosten begrenzt werden.

Die Kosten des Global Pharma Health Fund wurden in den Anfangsjahren insbesondere durch beträchtliche Spenden des vfa finanziert und werden seit 2007 ausschließlich von der Firma Merck KGaA in Darmstadt getragen.