vfa-Faktencheck zum “AMNOG-Report 2024“ der DAK-Gesundheit
Die DAK-Gesundheit hat am 19. Juli 2024 unter Autorenschaft von Prof. Greiner und Mitarbeitern von Vandage GmbH den AMNOG-Report 2024 veröffentlicht. Der vfa hat sich mit den wesentlichen Aussagen des diesjährigen Reports auseinandergesetzt und diese einem Faktencheck unterzogen.
Aussage 1:
Nach Einführung des GKV-FinStG wurde im Jahr 2023 ein neues Allzeithoch bei Erstbewertungen ohne belegten Zusatznutzen erreicht. Gleichzeitig gab es einen Tiefststand bei Bewertungen mit einem beträchtlichen oder erheblichen Zusatznutzen.
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Dies deckt sich mit den Beobachtungen des vfa, die bereits zum Ende des Jahres 2023 präsentiert wurden. Zum einen als eine Folge des Webfehlers im AMNOG-Verfahren, die zunehmend zielgerichteten Therapien für kleine Patientengruppen angemessen bewerten zu können. Nach den Verschärfungen durch das GKV-FinStG ist diese Entwicklung jedoch besonders auffällig und alarmierend. Die Tendenz kann zum anderen auch ein Anzeichen dafür sein, dass die G-BA-Bewertungen den Fehlanreizen der AMNOG-Leitplanken folgen. Dies wäre genau die befürchtete Fehlsteuerung dieses Instruments: schlechtere Bewertungen statt mehr Forschungsanreize. Die Fakten sind also ein klarer Anlass für eine kritische Auseinandersetzung, statt für eine nüchterne Feststellung!
Aussage 2:
Bei der Analyse zu den Auswirkungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes wird im Report festgestellt, dass sich die Zeit bis zur Markteinführung neuer Arzneimittel in Deutschland (mediane Time-to-Market) zwischen 2017 und 2023 verdoppelt hat. Zudem wird darauf hingewiesen, dass unmittelbar nach Inkrafttreten des GKV-FinStG fünf Marktaustritte zu beobachten waren.
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Auch hinter diesen nüchtern aufgeführten Statistiken verbergen sich ernstzunehmende negative Folgen des GKV-FinStG, die bereits seit Ende 2022 zu beobachten waren. Auch im vfa-Spotlight Pharma Market zeichnet sich eine schlechtere Verfügbarkeitsquote sowie eine Verzögerung beim Time-to-Market für neue Arzneimittel ab. Neue Medikamente kommen also verzögert oder gar nicht mehr in der Patientenversorgung an. Dies bestätigt der Report nun auch und zeigt sogar eine weitere Verschärfung auf: Erst 64 Tage nach ihrer Zulassung wurden Arzneimittel seit Inkrafttreten des GKV-FinStG auf den Markt gebracht. Das ist deutlich über dem AMNOG-Schnitt von 45 Tagen und eine besorgniserregende Entwicklung, die im Report heruntergespielt wird.
Auf mögliche negative Folgen für den Forschungsstandort Deutschland sowie die Versorgung hat der vfa bereits in seiner Stellungnahme zur Evaluation der Auswirkungen des GKV-FinStG im September 2023 hingewiesen. Diese Risiken wurden inzwischen auch vom Gesetzgeber erkannt. Nach massiver Kritik und intensiven Beratungen ist kürzlich eine Anpassung mittels einer Ausnahmeregelung für die Leitplanken im Medizinforschungsgesetz (MFG) beschlossen worden. Ein Schritt in die richtige Richtung. Fest steht aber schon jetzt: Ausreichend sind diese Anpassungen nicht.
Aussage 3:
Der Report stellt fest, dass die durchschnittlichen Jahrestherapiekosten pro Arzneimittel in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen sind.
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Fakt ist, dass die Therapieansätze der letzten Jahre zunehmend zielgerichteter geworden sind und immer häufiger der Behandlung eng definierter, kleinerer Gruppen von betroffenen Patient:innen dienen und zunehmend auch neue Therapieansätze für seltene Erkrankungen (Orphan Drugs) entwickelt werden. Die Zielpopulationen der im AMNOG-Verfahren bewerteten Arzneimittel sind inzwischen um ein Vielfaches kleiner als noch vor 10 Jahren.
Bei immer kleineren Patient:innenzahlen ist es ökonomisch nur naheliegend, dass die durchschnittlichen Jahrestherapiekosten nicht gleich hoch bleiben können. Ein Arzneimittel für nur 10 Patient:innen kann sich nicht auf demselben Preisniveau bewegen, wie Arzneimittel für 100.000 Patient:innen, weil für diese Medikamente mindestens ebenso umfangreiche Forschungs- und Entwicklungskosten anfallen. Speziell für Orphan Drugs konnte eine Studie dies auch belegen. Die Studie zeigt, dass die Patientenzahlen im Vergleich zu vor AMNOG-Zeiten deutlich gesunken sind.
Aussage 4:
Bei der Entwicklung der Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel stellt der DAK-Report einen überproportionalen Anstieg fest.
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Fakt ist, dass der Arzneimittelmarkt in den letzten Jahren diversen Schwankungen unterlag. Die außergewöhnlich hohen Wachstumsraten im Arzneimittelmarkt in diesem Jahr sind maßgeblich auf das Auslaufen des in 2023 einmalig erhöhten Herstellerrabatts von 7 auf 12 Prozent zurückzuführen. Damit verzerrt ein statistischer Sondereffekt das Bild der normalen Marktentwicklung. Ein ähnlicher Effekt war bereits bei der temporären Absenkung der Mehrwertsteuer 2021 zu beobachten. Nicht unerwartet ist, dass der Report vor allem das Ausgaben- und Absatzwachstum für Arzneimittel im April 2024 betont. An anderer Stelle wird eingeordnet, dass die dargestellten Monatsanalysen u.a. von der Anzahl der Arbeitstage und der Rückführung des Herstellerrabatts beeinflusst wurden. Ohne diese Faktoren, insbesondere ohne die Änderung des Herstellerabschlags, hätte sich ein Ausgabenwachstum von 4 Prozent ergeben, dies wird im Report jedoch nicht erwähnt.
Was ebenso nicht beachtet wird: Der Anteil der patentgeschützten Arzneimittel bewegt sich seit Jahren konstant unter der 50-Prozent-Marke – trotz der innovationsstarken Jahre 2021 und 2022. Zudem weist Deutschland im Vergleich zu den Big-4 in der EU (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien) mit -6,7 Prozent den stärksten Preisrückgang bei patentgeschützten Arzneimittelpreisen auf.
Es wird also erneut viel Wind um eine normale Entwicklung gemacht, die sich von den Jahren davor nicht unterscheidet. Mehr zur Patentmarktentwicklung.
Aussage 5:
Der DAK-Report stellt einen Anstieg bei stationären Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel fest.
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Fakt ist: Auch im stationären Sektor gilt das AMNOG. Deshalb stellt der DAK-Report erneut fest, dass hier „keine offene Regulierungslücke“ vorliegt. Ausgabendämpfend wirken zudem die Rabattvereinbarungen zwischen Herstellern mit einzelnen Krankenhäusern oder Krankenhausgemeinschaften.
Rund 14 Prozent der Arzneimittel im Pharmamarkt werden im stationären Setting verabreicht. Der Hauptteil der medikamentösen Versorgung findet nach wie vor im ambulanten Sektor statt. Gleichwohl ist der Anteil stationär eingesetzter Arzneimittel in den letzten Jahren gewachsen, weil die Medizin durch zielgerichtete Therapien beachtliche Behandlungserfolge bei schwerwiegenden Erkrankungen ermöglicht hat. Diese Therapien sind komplexe, hochspezialisierte Behandlungen und ihre Anwendung im Krankenhaus nur folgerichtig.
Die Aussage, dass die Kosten für separat abgerechnete Arzneimittel im Krankenhaus im Jahr 2023 einen „neuen Höchststand“ darstellen, darf indes bezweifelt werden. So lagen diese Ausgaben für das Jahr 2021 gemäß DAK-Report 2022 auf dem gleichen Niveau.
Aussage 6:
Die Einsparpotenziale durch den pauschalen Abschlag auf Kombinationstherapien als Folge des GKV-FinStG werden im DAK-Report mit ca. 99 Mio. Euro jährlich geschätzt.
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Fakt ist: Die Hochrechnungen im DAK-Report sind mit zahleichen Unsicherheiten verbunden, da die angedachte technische Umsetzung der Abrechnung bürokratisch und fehleranfällig ist. Die Erfassung der Abschlagspflicht erfolgt dabei „auf Verdacht“. Auch die Benennungspraxis des G-BA ist nach über 1,5 Jahren (trotz mehrfacher Anpassungen) bis heute mit zahlreichen Problemen behaftet und umfasst evidenzfreie Benennungen. Der pauschale Kombinationsabschlag wird übrigens selbst im DAK-Report erneut zutreffend als „arbiträr und inhaltlich nicht begründbar“ eingeordnet.
Dies ist die Kehrseite der Regelung. Es wäre daher endlich an der Zeit, kritisch zu überprüfen, ob ein zusätzlicher, pauschaler Abschlag überhaupt der richtige Regelungsansatz ist. Schließlich kann der kombinierte Einsatz von Arzneimitteln im Rahmen der AMNOG-Preisverhandlung rechtssicher, umfassend und bürokratiearm berücksichtigt werden.