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Südafrika: Anti-Aids-Programm für öffentliches Gesundheitswesen

Demonstration in Südafrika: "Behandlung für alle!"Freitag, der 8. August 2003, war ein Tag des Jubels für südafrikanische HIV-Infizierte: Nach jahrelanger Verweigerung beschloss die südafrikanische Regierung ein landesweites Anti-Aids-Programm. Es soll sicherstellen, dass jeder der mindestens 500.000 Therapiebedürftigen mit Aids-Medikamenten behandelt werden kann. Umgerechnet 1,5 Milliarden Euro sollen dafür investiert werden. Die Aids-Patienten-Organisation "Treatment Action Campaign" (TAC) kündigte an, ihre "Aktionen des zivilen Ungehorsams" gegen die Regierung auszusetzen, und erklärte versöhnlich: "Wir werden mit der Regierung zusammenarbeiten, um Leben zu retten und ein besseres Gesundheitswesen aufzubauen." Das öffentliche südafrikanische Gesundheitswesen ist marode - aber erst jetzt, nach langen Scheingefechten um Patente, wird es von der Regierung als Kernproblem bei der Behandlung von Aids erkannt.

Zwar sind strittige Fragen um Patente und Lizenzen mit den Herstellern anti-retroviraler Arzneimittel seit einiger Zeit geklärt, zwar hatte Tage zuvor im Land sogar die Produktion des ersten afrikanischen Generikums zur Behandlung von Aids begonnen; aber die Regierung hatte sich bis jetzt gesträubt einzuräumen, dass das öffentliche Gesundheitswesen Südafrikas so unterentwickelt ist, dass eine flächendeckende Aids-Behandlung bislang gar nicht möglich war - es gibt zu wenig ausgebildetes Personal, zu wenig Krankenstationen, zu wenig medizinische Infrastrutur.

Vuyolwethu Tshambuluku aus Kapstadt, 8, ist HIV-positiv und hat TB.Jahrelang hatte TAC, unterstützt von internationalen Fachleuten, der Regierung deshalb vorgeworfen, dass eine Behandlung für jedermann "durch die Politik zurückgehalten" würde, und gefordert "ein besseres Gesundheitswesen zu schaffen, das den Bedürfnissen aller Menschen in Südafrika entspricht".

Der öffentlichkeitswirksame Streit um Patente auf Arzneimittel, den mitzufechten die südafrikanische Regierung nicht müde geworden war, hatte sich trefflich nutzen lassen, um von den Versäumnissen im heimischen Gesundheitswesen abzulenken - ein immer wiederkehrendes Phänomen im Konflikt um den Zugang der mittellosen Bevölkerung in Entwicklungs- und Schwellenländern zu Medikamenten.

Denn Arzneimittel allein helfen nicht: Die Behandlung von Aids mit anti-retroviralen Medikamenten ist komplex und erfordert die Einnahme von bis zu 16 Tabletten am Tag. Wird das Einnahmeschema nicht strikt eingehalten, ist die Wirksamkeit nicht gewährleistet. Zudem drohen Resistenzbildungen, die letztlich zu einem Scheitern der Aids-Therapie bei weiten Bevölkerungsteilen führen können. Die Kontrolle der Medikation durch Fachpersonal ist daher zwingend erforderlich.

Naturheiler in Afrika: Konkurrenz für modernes Gesundheitswesen?Oft fehlt es jedoch in Entwicklungsländern daran. Und: Nur in der Hälfte von 102 untersuchten Staaten fand die WHO verbindliche Regelungen zur Abgabe von Arzneimitteln - wie Vorschriften zur Ausstellung von Rezepten oder Zulassungsregelungen für Ärzte und Apotheker. Der weit verbreitete Analphabetismus und mangelnde Aufklärung über mögliche Gefahren durch Nebenwirkungen tun ein Übriges, um den Einsatz von Medikamenten für Patienten in Entwicklungsländern immer wieder zu einem Risiko für den Patienten zu machen.

Schlimmer noch: Unkenntnis der Entstehung und des Verlaufs von Krankheiten führen zu unnötigen, immens hohen Zahlen an Neuerkrankungen lebensbedrohlicher Krankheiten.

Beispiel Aids: Insbesondere unter den am meisten gefährdeten jungen Menschen herrscht Unwissenheit über die Übertragungswege des HI-Virus. Wie eine Studie in Mozambique ergab, hatten 74 Prozent der 15- bis 19-jährigen jungen Frauen keine Vorstellung, wie sie sich vor dem Virus schützen können. Und der südafrikanische Staatspräsident Thabo Mbeki leugnete obendrein mehrfach öffentlich den Zusammenhang zwischen HI-Viren und der Entstehung von Aids.

Beispiel Malaria: Obwohl Insektensprays und Moskitonetze als wirksamstes Mittel zur Malariaprävention gelten, schlafen nach Angaben des Global Fund to Fight AIDS, Tubercolosis & Malaria nur 2 Prozent aller afrikanischen Kinder unter einem insektizid behandelten Moskitonetz.

Billige Medikamente allein nützen wenig, der Kampf gegen die tödlichen Epidemien in den Entwicklungsländern kann nur gewonnen werden, indem die betroffenen Länder ein funktionierendes Gesundheitswesen aufbauen - so hat man bei den Vereinten Nationen längst erkannt:

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UN-Generalsekretär Kofi Annan zur Aids-Epidemie:

"Die Lösung liegt nicht allein bei den pharmazeutischen Konzernen. Ich rufe daher zu einer machtvollen Mobilisierung von politischem Willen aber auch von wesentlich mehr Finanzmitteln auf, damit wir bei der Prävention, der Aufklärung, der Fürsorge und der Behandlung einen entscheidenden Sprung nach vorne machen können."»

Die forschenden Arzneimittelhersteller helfen dabei: Der Weltpharmaverband IFPMA schätzt, dass die Branche mehr als zwei Milliarden US-Dollar für Hilfsprojekte bereitgestellt hat. Zum Vergleich: Deutschland hat bis jetzt eine Summe von 200 Millionen Euro zum Global Fund beigesteuert - und gehört damit schon zu den größten staatlichen Geldgebern.