Orphan Drugs: Mythen und Fakten
Rund um Medikamente gegen seltene Erkrankungen tauchen immer wieder fehlerhafte Behauptungen auf. Von A wie Anwendungsgebiete bis Z wie Zusatznutzen sind sämtliche Aspekte dabei. Wir klären auf:
Mythos | Fakt |
Der Zusatznutzen von Orphan Drugs ist unbewiesen, denn der G-BA darf ihn gar nicht ermitteln. | Ein bei der EMA nachgewiesener Zusatznutzen ist Voraussetzung für den Orphan-Status; zusätzlich bestimmt der G-BA das Ausmaß des Zusatznutzens. |
Orphan Drugs können schneller und kostengünstiger entwickelt werden, da die klinischen Studien viel weniger Patienten umfassen. | Das eigens maßgeschneiderte Studiendesign und die schwierige und langwierige Rekrutierung von Studienteilnehmern machen die theoretischen Kosten- und Zeitvorteile rein hypothetisch. |
Orphan Drugs werden schneller und mit geringerer Stringenz zugelassen. | Das Zulassungsverfahren ist nicht nennenswert schneller. Orphan Drugs unterliegen bei der Zulassung denselben Kriterien wie alle anderen Medikamente. |
Hersteller erfinden seltene Erkrankungen, indem sie größere Anwendungsgebiete in Untergruppen aufteilen ("Orphanisierung"/ "Slicing"). | Die EU-Regelungen verbieten ausdrücklich Untergruppen bzgl. Orphan Drug-Status; dies wird auch konsequent umgesetzt. |
Hersteller entwickeln Orphan Drugs, um diese dann – unter Beibehaltung der Orphan-Vorteile – für häufigere Erkrankungen zur Zulassung zu bringen ("Trojaner"). | Ein Orphan Drug verliert seinen Status, sobald mehr als 5 von 10.000 EU-Bürgern daran leiden oder es zusätzlich für eine Nicht-Orphan-Anwendung zugelassen wird. Es ist lediglich möglich, dass der gleiche Wirkstoff sowohl in einem Orphan Drug als auch einem anderen Medikament eingesetzt wird; die müssen dann aber strikt getrennte Anwendungsgebiete, Entwicklungsprogramme und Zulassungsverfahren haben und getrennt vermarktet werden. Der Orphan-Status wird dann nicht auf das zweite Medikament übertragen. |
Orphan Drugs treiben die Arzneimittelausgaben beträchtlich in die Höhe. | Orphan Drugs waren 2015 nur für 3,1 % der GKV-Arzneimittelausgaben für die ambulante Versorgung in Deutschland verantwortlich. |
Der Orphan-Status wird genutzt, um das AMNOG zu umgehen. | Orphan Drugs müssen sich wie alle anderen neuen Wirkstoffe dem AMNOG-Verfahren einschließlich Erstattungsbetragsverhandlungen stellen. |
Quelle: „Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2014 - Biopharmazeutika: Wirtschaftsdaten und Nutzen für Patienten mit seltenen Erkrankungen“ von vfa bio und The Boston Consulting Group, 2014 (https://www.vfa.de/download/bcg2014.pdf), und Insight Health/vfa