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Gemeinsam für Gesundheit und Entwicklung

Wege zu günstigen Medikamenten

Eine Reihe von Hilfsorganisationen und das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) machen sich für so genannte local production medizinischer Güter in Entwicklungsländern stark. Auch die G8-Staaten haben sich in Heiligendamm 2007 dafür eingesetzt. Produktion vor Ort wird als Weg verstanden, die Kosten für Arzneimittel zu senken, weil das Lohnniveau derartiger Arbeitskräfte geringer ist und sich die Einfuhrzölle für Importe vermeiden lassen, die bis zu 20 Prozent des Herstellerabgabepreises betragen. Auch erscheint Produktion vor Ort als Hilfe zur Selbsthilfe.

Abfüllstation für Medikamente in einem Industrieland: Reinraumbedingungen erfordern High-Tech

Unverzichtbar: Qualität
Den Patienten ist nur mit Medikamenten von zureichender Qualität gedient. Das bedeutet beispielsweise, dass alle Kapseln einer Produktion die gleiche, mit dem Beipackzettel übereinstimmende Menge Wirkstoff enthalten müssen. Oder dass magensaftresistente Tabletten stets eine lückenlos versiegelte Oberfläche haben, damit sie nicht doch im Magen angegriffen und wirkungslos werden. Injektionslösungen müssen nicht nur steril, sondern auch frei von jeglichen Spuren Fieber auslösender Bakterienreste (Pyrogene) sein. Diese und viele weitere Anforderungen sind im internationalen Regelwerk Good Manufacturing Practice, GMP, festgehalten. Gerade bei der Behandlung von Infektionskrankheiten wie AIDS oder Tuberkulose ist es zwingend, dass sich Arzt und Patient auf die Dosis in jeder Tablette verlassen können. Denn sackt die Wirkstoffkonzentration im Blut zeitweilig ab, dann macht das die Erreger resistent, also unempfindlich gegenüber dem Medikament, was den Patienten hochgradig gefährdet und ebenso alle, die sich bei ihm anstecken.
Eine Reihe einheimischer Pharmaunternehmen in Schwellenländern wie etwa Indien, Brasilien, China, Südafrika oder Jordanien haben inzwischen gezeigt, dass sie GMP-konform produzieren können (wenn auch aus Brasilien und Thailand immer wieder Medikamente mit Qualitätsmängeln gemeldet werden). In Entwicklungsländern sind Betriebe dieser Qualitätsstufe aber rar.

Abwägungen
Arzneimittelproduktion auf GMP-Niveau erfordert neben geeigneter baulicher und technischer Ausstattung (und einem Wartungsdienst dafür) auch qualifizierte Arbeitskräfte-Pharmazeuten, Betriebsingenieure, Chemikanten und Pharmakanten. Die Erfahrung zeigt zudem, dass eine weitere Voraussetzung ein effektives staatliches Arzneimittelkontrollwesen ist. In einem Umfeld schwacher staatlicher Strukturen ein effektives Kontrollwesen zu etablieren, ist allerdings eine große Herausforderung.
Diese Voraussetzungen schränken die Möglichkeiten, In Entwicklungsländern eine Pharmaproduktion aufzubauen, erheblich ein. Es ist sinnvoll, erst einmal die Herstellung einfacherer Präparate wie Schmerztabletten oder Zucker/Salz-Lösungen (in großen Mengen bei Durchfallerkrankungen benötigt) zu etablieren; oder von einem Produktionsprozess nur die einfacheren Arbeitsschritte tatsächlich "vor Ort" durchzuführen. Dazu zählt, andernorts hergestellte Wirkstoffe zu Tabletten zu verarbeiten oder diese anschließend zu verpacken. Das praktizieren beispielsweise schon einige Großapotheken in Afrika, die im Rahmen von Hilfsprojekten betrieben werden.
Meist wird aber, wenn von lokaler Produktion die Rede ist, nicht an Schmerztabletten gedacht, sondern an AIDS- oder Malaria-Präparate.


Deren Produktion ist jedoch meist technisch aufwendig, so dass Zweifel angebracht sind, ob ihre GMP-gemäße Herstellung in neuen Fabriken mit unerfahrenen Kräften gelingen kann, wenn diese nicht an einfacheren Präparaten bereits Erfahrung gesammelt und ihr Produktionsniveau unter Beweis gestellt haben. So hat beispielsweise das thailändische Unternehmen GPO bis heute wegen Qualitätsmängeln nicht die Präqualifizierung, also die Anerkennung seines AIDS-Kombinationspräparats durch die WHO, erhalten.
Wäre es wirklich ein gangbarer Weg, in Entwicklungsländern mit vertretbarem Aufwand eine GMP-konforme, aber besonders preiswerte Medikamentenproduktion aufzubauen, dann hätten ihn die großen Pharmaunternehmen längst häufiger beschritten, sind sie doch an Kostensenkung stets interessiert.
Eine Untersuchung im Auftrag der Weltbank von 2005 [1] kommt nach Abwägung vieler Aspekte zu dem Schluss, dass lokale Produktion nur da gefördert werden sollte, wo eine realistische Chance auf GMP-konforme Produkte besteht und auch ein wirksames Kontroll system aufgebaut werden kann. Wo GMP-Standards nicht zu erreichen sind, sei dem Land mehr gedient, wenn nur sein Arzneimittelvertriebssystem verbessert wird; bestehende „Sub-Standard“-Produktionsstätten sollten dann beispiels weise in Arzneimittel-Großhändler umgewandelt werden. Diese Ansicht vertrat auch schon die WHO in einem Bericht anlässlich der Sitzung des WHO-Exekutivrats 2004.
Aber auch da, wo die Rahmenbedingungen eigentlich für die Etablierung einfacher Produktionsstätten geeignet sind, können diese beim Versuch, ihre Produkte zu vertreiben, auf große Schwierigkeiten stoßen. Denn viele Schwarzhändler, Ärzte und Apotheker profitieren vom bestehenden Mangel an Medikamenten und den höheren Preisen der Importprodukte und wehren sich gegen Veränderung. Manche Mitarbeiter der Verwaltung sichern sich lieber einen Anteil an diesem Geld, als sich um geeignete Bedingungen für Produktion und Vertrieb von Arzneimitteln zu kümmern.

Medikamente aus dem Spendenprogramm einer forschenden Pharmafirma werden in Empfang genommen

Sonderkonditionen für Importarzneimittel
Weil viele Entwicklungsländer nicht über nennenswerte eigene Pharmaproduktion verfügen oder in absehbarer Zelt verfügen werden, ist ihre Forderung nach verbilligten Importarzneimitteln gut nachvollziehbar. Die forschenden Pharmaunternehmen kommen dieser Forderung auch immer wieder nach. Grundsätzlich muss jedes kommerzielle Unternehmen jeweils die Kaufkraft seiner Kunden berücksichtigen und dann eine Abwägung treffen zwischen einem sich gerade noch rechnenden oder einem ruinösen Geschäft. Dementsprechend gibt es auch in der Pharmabranche keinen bestimmten Preis für bestimmte Medikamente, der auf der ganzen Welt gültig wäre. Vielmehr versuchen die Arzneimittelhersteller, durch differenzierte Preise eine den jeweiligen Gegebenheiten in einem Land angemessene Lösung zu finden. Insofern sind verbilligte Lieferungen an Entwicklungsländer ohnehin der Normalfall.

Aber die Arzneimittelhersteller gehen weit darüber hinaus: Viele Unternehmen liefern etliche dringend benötigte Medikamente und Impfstoffe für den Einsatz in Entwicklungsländern durch die dortigen Gesundheitsministerien, durch Hilfsorganisationen oder die Weltgesundheitsorganisation WHO zum Selbstkostenpreis ("no profit, no loss"). Auch haben mehrere Firmen freiwillig Generika-Herstellern die Lizenz erteilt, Generika-Versionen ihrer HIV-Medikamente herzustellen und an Entwicklungsländer zu liefern.

Beide Tabletten sind bis auf Farbe und Prägung identisch. Die obere vertreibt der Hersteller in Industrieländern, die untere liefert er Entwicklungsländern zu ermäßigten Preisen. Die Kennzeichnung verhindert, dass Tabletten für Entwicklungsländer in Industrieländer umgeleitet werden können.Einige Medikamente gegen tropische Armutskrankhelten und die HIV-Ansteckung von Kindern bei der Geburt verschenken sie sogar. Spendenprogramme können jedoch von den Unternehmen nicht auf ihr gesamtes Sortiment ausgedehnt werden.

Zur weiteren Senkung ihrer Arzneimittelausgaben könnten die Entwicklungsländer auch selbst beitragen, indem sie ihre Einfuhrzölle und Steuern auf Arzneimittel senken. Dies fordert beispielsweise die 2007 auf dem Gipfeltreffen der G8-Staaten In Heiligendamm verabschiedete Erklärung "Wachstum und Verantwortung In Afrika".

Strukturelle Probleme lösen
Spendenprogramme, Sonderkonditionen und - wo sie möglich ist - preiswerte lokale Produktion können Menschen In Not helfen und auch zur wirtschaftlichen Erholung von Entwicklungsländern beitragen, deren Produktivität durch die hohe Krankenrate ihrer Arbeitskräfte heute noch gering ist.
Diese Maßnahmen können aber nicht die strukturellen Probleme dieser Länder lösen. Denn in den am wenigsten entwickelten Ländern kann sich das Gros der Patienten auch Medikamente zum Selbstkostenpreis nicht leisten; und selbst wenn alle Medikamente gratis zu haben wären, hätten sie nicht das Geld für den Arzt. Die Kosten für ihre Versorgung kann nur ein staatliches Gesundheitssystem oder eine andere Organisation übernehmen.


[1] Kaplan, W., Laing, R.: Local Production of Pharmaceuticals: Industrial Policy and Access to Medicines. Washington (2005).