Gemeinsam für Gesundheit und Entwicklung
Gesundheit in Entwicklungsländern - ein gefährdetes Gut
Ist von Krankheiten der Entwicklungsländer die Rede, dann meist von Malaria, Tuberkulose und AIDS. Doch zu den vorrangigen Todesursachen in den Entwicklungsländern gehören auch Durchfall, Lungenentzündung und viele hierzulande wenig bekannte Armutskrankheiten. Dazu kommen noch etliche nichtinfektiöse Erkrankungen, an die man vor allem bei Industrieländern denkt, die aber auch die Bewohner von Entwicklungsländern keineswegs verschonen.
Ein Mädchen leidet an einem Malaria-Schub
Die gute Nachricht: Auch weite Teile der Dritten Welt haben an der Steigerung der Lebenserwartung seit den 50er-Jahren ihren Anteil gehabt. Doch für einige afrikanische Länder, und das ist die schlechte Nachricht, hat sich dieser Trend seit den 1990er-Jahren wieder umgekehrt - vor allem durch AIDS (siehe Diagramm). Sehr differenziert zeigt das der World Health Report 2003 der Weltgesundheitsorganisation WHO. Wenig überrascht darin der Befund, dass in den Entwicklungsländern Infektionskrankheiten eine wesentlich größere Rolle spielen als in den Industrienationen. Viele davon bedrohen vor allem Kinder unter fünf Jahren. HIV/AIDS gefährdet Erwachsene und Kinder gleichermaßen, und Tuberkulose wirkt sich insbesondere bei Erwachsenen aus.
Bei Jugendlichen ab 15 Jahren und Erwachsenen stehen auch in den Entwicklungsländern - sieht man von Afrika südlich der Sahara ab - die nicht übertragbaren Krankheiten im Vordergrund. Sie sind in Ländern wie Indien oder Korea für rund 60% der Krankheitslast [1] verantwortlich (in Deutschland 90%); die wichtigsten Todesursachen sind auch dort Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Herzinfarkt oder Schlaganfall und Krebs. Trotzdem stehen, geht es um spezifische Gesundheitsprobleme der Entwicklungsländer, die Infektionskrankheiten im Vordergrund. Zu den wichtigsten zählen die folgenden.
AIDS
AIDS ("erworbenes Immundefizienz-Syndrom") bezeichnet den Zusammenbruch der Immunabwehr nach mehrjähriger Infektion mit dem Virus HIV, der vor allem sexuell, bei der Geburt und über die Muttermilch übertragen wird. Ende 2009 waren laut WHO weltweit rund 33 Millionen Menschen infiziert, 23 Millionen davon in Afrika südlich der Sahara. Dort ist in manchen Ländern mehr als ein Drittel der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren infiziert - mit katastrophalen Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft. Mit 2 bis 3 Millionen HIV-Infizierten ist Indien ebenfalls hart getroffen. Eine dramatische Zunahme der Infektionen wird auch aus Osteuropa und China berichtet.
Eine Kombination dreier Medikamente, die dauerhaft täglich eingenommen werden müssen, kann meist den Immunverfall stoppen und ein weitgehend normales Leben ermöglichen. Bislang gibt es aber weder eine Heilung noch eine Schutzimpfung.
Laut WHO benötigten Ende 2009 weltweit 10,6 Millionen HIV-Infizierte eine Kombinationstherapie, doch nur 5,3 Millionen erhielten sie auch.
Tuberkulose
Die Schwächung des Immunsystems durch HIV ist wiederum die wichtigste Ursache für das Ausbrechen von Tuberkulose (TB). Denn rund ein Drittel der Weltbevölkerung trägt die Erreger in sich; doch manifestiert sich die Krankheit erst, wenn die Immunabwehr Schwächen zeigt. Schon heute fallen 15 Prozent aller AIDS-Kranken der TB zum Opfer. Insgesamt starben 2009 weltweit 1,7 Millionen Menschen an TB.
Tuberkulosebakterien befallen vorwiegend die Lunge, was unbehandelt meist zum Tode führt. Mit Arzneimittel-Kombinationen, über mindestens sechs Monate eingenommen, lassen sich viele Patienten heilen; bei Therapieversagen können Ersatzmedikamente angewendet werden. Die Therapie erfordert aber strikte Behandlungstreue, obwohl sie sehr belastend ist. Eine sehr behandlungsresistente Form, genannt XDR-TB, greift immer weiter um sich.
Malaria
Malaria wird von nachtaktiven Stechmücken übertragen. Sie tritt in vielen tropischen Ländern, aber auch in gemäßigten Breiten auf. Jährlich führen rund 225 Millionen Infektionen zu fast 800.000 Todesfällen (Stand 2009), drei Viertel davon bei afrikanischen Kindern unter fünf Jahren. Wer überlebt, trägt mitunter bleibende Schäden wie Epilepsie davon. Gegen viele ältere Medikamente sind die einzelligen Erreger mittlerweile resistent geworden. Neuere wurden entwickelt, doch gibt es Lieferengpässe bei einem pflanzlichen Grundstoff dafür. Häufig fehlt es selbst an den einfachsten Schutzmaßnahmen wie insektizidbeschichteten Moskitonetzen um die Betten.
Durchfall-Erkrankungen
An Durchfallerkrankungen sterben jährlich 3 Millionen Menschen, davon 1,9 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Meist sind Rotaviren, Salmonellen, Coli- oder seltener auch Cholera-Bakterien die Ursache. Unsauberes Trinkwasser, eine ungeordnete Beseitigung menschlicher Exkremente und Unkenntnis über einfachste Hygienemaßnahmen sorgen für die Verbreitung. Eine überaus preiswerte Behandlung ist mit oraler Rehydrationstherapie (Kochsalz und Zucker in Wasser) möglich. Doch auch diese kommt vielfach nicht zum Einsatz. Wirksame und sichere Impfstoffe gegen Rotaviren und Cholera sind seit kurzem in Industrienationen und einigen Entwicklungsländern verfügbar, sie müssen die meisten Bedürftigen jedoch erst noch erreichen.
Lungenentzündung
An Lungenentzündung (u.a. durch Pneumokokken) sterben jährlich allein 2 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Dabei ließen sich bakterielle Lungenentzündungen meist gut mit Antibiotika behandeln oder durch Schutzimpfungen verhindern. Die WHO empfiehlt, den vorhandenen Pneumokokkenimpfstoff für Industrienationen auch in Entwicklungsländern breit einzusetzen.
Tropische Armutskrankheiten
Neben den genannten Seuchen grassieren in vielen Entwicklungsländern weitere Infektionskrankheiten, die mitunter als neglected tropical diseases oder tropische Armutskrankheiten zusammengefasst werden.[2] Denn sie treffen vor allem Angehörige der armen Bevölkerungsgruppen. Beispiele sind Wurmkrankheiten wie die Bilharziose (Befall von Harnblase oder Leber) oder Flussblindheit (Zerstörung der Haut, Erblindung). Aber auch die das Gehirn zerstörende afrikanische Schlafkrankheit, die Augenkrankheit Trachom und die Lepra gehören dazu. Zusammengenommen sind sie trotz ihrer stark regionalen Beschränkung für noch einmal rund eine halbe Million Todesfälle jährlich verantwortlich. Gegen einige dieser Krankheiten - beispielsweise Bilharziose - gibt es eigentlich wirksame und preiswerte Medikamente, doch haben viele Betroffenen keinen Zugang dazu. Für andere - wie die fortgeschrittene Schlafkrankheit - gibt es bis heute kein Mittel, das gut wirksam und zugleich verträglich und einfach einsetzbar wäre.
Die Lebenserwartung ab Geburt im Laufe der letzten Jahrzehnte laut United Nations World Population Prospect: The 2006 Revision Population Database. Die europäischen und nord-amerikanischen Staaten sowie Japan zählen zu den entwickelteren Ländern. Brasilien, Thailand, China und Indien werden den weniger entwickelten Ländern zugerechnet. Bangladesch, Nepal, Afghanistan und viele afrikanische Staaten gehören zu den am wenigsten entwickelten Ländern.»
1 Gerechnet als so genannte disability-adjusted life years (DALYs). Darin geht die Senkung der Lebenserwartung ebenso ein wie der Verlust an Lebensqualität durch krankheitsbedingte Behinderung (wobei diese in Prozenten eines verlorenen Lebensjahres ausgedrückt wird).
2 So auch in: Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung/ Verband Forschender Arzneimittelhersteller (Hg.): Die Bekämpfung tropischer Armutskrankheiten. Berlin (2006). Die Liste tropischer Armutskrankheiten darin ist identisch mit den "neglected tropical diseases" von Hotez, P.J., et al. PLoS Med 3(5): e102 (2006) .
Die Kapitel dieses Artikels / Mehr zum Thema
Gemeinsam für Gesundheit und Entwicklung