Gewässerschutz und EU-Kommunalabwasserrichtlinie
In Gewässern der EU finden sich Mikroschadstoffe unterschiedlicher Herkunft. Um diese Belastung zu reduzieren, haben die EU-Mitgliedstaaten im Dezember 2024 eine Neufassung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie (Urban Wastewater Treatment Directive, UWWTD) verabschiedet, derzufolge 4. Reinigungsstufen in relevante Kläranlagen der ganzen EU eingebaut werden sollen. Ein sinnvolles Vorgehen, befindet der vfa. Er bezweifelt jedoch, dass die Finanzierung dafür gemäß der Rechtsprinzipien von Verhältnismäßigkeit und Nicht-Diskriminierung geregelt wurden.

Mit neuester Klärtechnik können auch Spurenstoffe weitgehend aus dem Abwasser entfernt werden
Die Kosten für Errichtung und Betrieb dieser Reinigungsstufen sollen nämlich laut Richtlinie dauerhaft zu mindestens 80 Prozent von Unternehmen der Humanpharma- und der Kosmetik-Branche getragen werden. Denn die EU-Kommission nimmt an, dass der größte Teil (92 %) der Mikroschadstoffe im Wasser aus Produkten dieser beiden Branchen hervorgeht. Jedes Mitgliedsland muss die Richtlinie nun bis Sommer 2027 umsetzen; und die Industrie muss dafür jeweils eine nationale „Producer Responsibility Organisation“ (PRO, Organisation für Herstellerverantwortung) einrichten. Diese soll ab 2029 den Zahlungsverkehr verwalten und überwachen.
Derzeit ist noch unklar, auf welchen Mikroschadstoffen und Messmethoden basierend und mit welcher Formel die Kostenbeiträge für einzelne Pharmaunternehmen künftig errechnet werden. Denn das muss die EU-Kommission erst noch festlegen. Klar ist nur: Für die Zahlung in einem EU-Land kommen grundsätzlich die Firmen in Betracht, die dort Medikamente in Verkehr gebracht haben – unabhängig davon, wo und von wem diese hergestellt wurden. Und: Wird einem Pharmaunternehmen eine Zahlungspflicht auferlegt, sieht es sich für die betreffenden Medikamente mit einer veränderten Kostensituation konfrontiert. Es muss sich dann überlegen, wie es reagiert, was ggf. auch die Möglichkeit einer Marktrücknahme einschließt. Auch kann ein Unternehmen, das die Markteinführung eines neuen Medikaments in EU-Ländern erwägt, durch die veränderte Kostenbilanz negativ beeinflusst werden.
Die Position des vfa
Der vfa befürwortet grundsätzlich die Einführung und den Betrieb einer 4. Reinigungsstufe in relevanten Kläranlagen. Er erkennt auch grundsätzlich an, dass die Pharmaindustrie dazu einen Beitrag leisten soll. Auch am Aufbau der nationalen PRO wird er sich konstruktiv beteiligen.
Aber bei der Bestimmung der Beitragshöhe für die Branchen insgesamt und die einzelnen Pharmaunternehmen müssen die EU-Rechtsprinzipien “Verhältnismäßigkeit”, “Nichtdiskriminierung” und “polluter pays” eingehalten werden. Der vfa hat begründete Zweifel, dass das auf die UWWTD zutrifft. Eine Überprüfung durch die EU-Kommission ist erforderlich, und das umso dringlicher, als der Pharmaindustrie in der EU noch andere Belastungen drohen, wie etwa Zölle auf Exporte in die USA. Die EU will ja versorgungskritische Industrien fördern und nicht durch ungerechtfertigte Belastungen verlieren.
Deshalb verlangt der vfa, dass die EU-Kommission die Methodik transparent offenlegt, mit der die Mikroschadstoff-Werte ermittelt wurden. Sollte diese zu Fehleinschätzungen geführt haben, muss die EU-Kommission die daraus abgeleitete Kostenverteilung für die Industrie korrigieren, etwa durch ein zusätzliches Omnibusgesetz. Er befürwortet auch die Klage der EFPIA und einiger Unternehmen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der vfa setzt sich ferner für eine unbürokratische und harmonisierte Umsetzung ein, damit seine Mitgliedsunternehmen in den EU-Ländern nicht unterschiedlichen Regeln folgen müssen. Ziel muss sein, dass Patientinnen und Patienten in Deutschland auch bei verbessertem Gewässerschutz weiter mit innovativen Arzneimitteln versorgt werden können.
Wie Arzneistoffe ins Wasser gelangen
Stoffe aus Arzneimitteln können prinzipiell auf folgenden Wegen in Gewässer gelangen:
- durch Ausscheidungen von medikamentös behandelten Menschen;
- durch unsachgemäße Entsorgung nicht mehr benötigter Arzneimittel über Waschbecken/Toilette;
- durch Ausscheidungen von medikamentös behandelten Nutztieren;
- durch die Arzneimittelproduktion – Pharma-Unternehmen setzen jedoch aufwendige Technik ein, damit auf diesem Wege möglichst keine Arzneistoffe ins Wasser gelangen
Kampagne des Bundesministeriums für Umwelt zur richtigen Medikamentenentsorgung (2020)
Neben unveränderten Stoffen aus Medikamenten können auch Stoffe relevant sein, die durch den Stoffwechsel im Körper oder Mikroorganismen im Abwasser daraus hervorgehen.
Von allen diesen Stoffen sind aber nur solche möglicherweise umweltrelevant, die von konventionellen Kläranlagen nicht komplett aus dem Abwasser entfernt werden können.
Maßnahmen forschender Pharma-Unternehmen
Forschende Pharma-Unternehmen arbeiten seit langem in vier Feldern darauf hin, den Spurenstoff-Eintrag in Gewässer zu minimieren:
- Sie sorgen für eine umweltgerechte Arzneimittelproduktion in Deutschland. Dafür setzen sie nach Möglichkeit Produktionstechniken ein, die ohne Wasser auskommen, oder sie "verbrennen" ihre Abwässer.(1) Die erheblichen Kosten dafür übernehmen sie selbst und überlassen die Reinigung nicht kommunalen Kläranlagen.
- Sie unterstützen Kommunen dabei, die Bevölkerung über die richtige Entsorgung (über den Hausmüll, nicht über Waschbecken oder Toilette) aufzuklären (#medsdisposal). Mehr dazu im letzten Abschnitt des Artikels.
- Viele ihrer in den letzten Jahren entwickelten Medikamente sind Biopharmazeutika: Diese haben Protein-basierte Wirkstoffe, die gut biologisch abbaubar sind. Dazu zählen neben den Original-Biopharmazeutika auch die Biosimilars. Beispiele für Biopharmazeutika sind Mittel mit monoklonalen Antikörpern oder Enzymen, die zur Behandlung von Patient:innen mit Entzündungskrankheiten, Krebserkrankungen oder angeborenen Stoffwechselkrankheiten eingesetzt werden.
Lassen sich Arzneistoffe nachträglich abbaubarer machen?
Versuche, zugelassene Wirkstoffe durch chemische Abwandlung in ihrer Abbaubarkeit zu verbessern, führten bisher stets zu einer erheblichen Minderung ihrer Wirksamkeit. Vermutlich werden die veränderten Stoffe im Körper so leicht abgebaut, dass sie zu wenig Zeit haben, zu wirken. Patient:innen benötigen aber die am besten wirksamen und verträglichen Medikamente, die sich entwickeln lassen. Niemandem ist mit schlechteren Medikamenten gedient, nur weil diese weniger Kläraufwand erfordern.
Selbst zum Gewässerschutz beitragen
Alle können helfen, die Menge an Arzneistoffen in der Umwelt zu minimieren. Wichtig dafür: Medikamente, auch flüssige, nicht über Toilette oder Waschbecken entsorgen! Stattdessen den sicheren Entsorgungsweg nutzen, den die jeweilige Kommune dafür anbietet; welcher das ist, lässt sich leicht über die Website "Arzneimittel-Entsorgung – richtig gemacht" des Umweltbundesamtes herausfinden. In den meisten Fällen ist das einfach der gewöhnliche Hausmüll; denn der wird heutzutage verbrannt.
Es gibt nur einige wenige Ausnahmen: So müssen beispielsweise Zytostatika-Tabletten für die Krebstherapie und bestimmte Hormonpflaster anders entsorgt werden – wie, steht in der Packungsbeilage.
Zur Minimierung von Arzneistoffen in der Umwelt trägt aber auch eine gesundheitsbewusste Lebensweise bei. Auch Impfungen leisten einen Beitrag, da durch sie weniger Antibiotika oder antivirale Medikamente benötigt werden.
(1) Dabei wird verunreinigtes Wasser in die Flamme einer Abfallverbrennungsanlage gespritzt. Das Wasser vedampft dann, und die enthaltenen organischen Verunreinigungen werden verbrannt, also durch die Hitze und Sauerstoff oxidativ zerstört. Die dabei entstehenden Gase sind entweder als solche ungefährlich (Wasser und Kohlendioxid) oder werden in der Rauchgasreinigung zurückgehalten. Um nicht mehr als nötig an verunreinigtem Wasser in die Flamme einsprühen zu müssen, wenden Unternehmen auch Techniken an, um die Wassermengen zu minimieren, darunter Membranverfahren wie Umkehrosmose. Hilfreich kann aber auch eine Wiederverwendung von Waschwasser sein: leicht verunreinigtes Waschwasser aus dem dritten Reinigungsschritt wird beim nächsten Reinigungszyklus als Waschwasser im ersten Schritt verwendet.