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Anwendungsbegleitende Datenerhebung: nur in Einzelfällen zielführend

Seit 2020 kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Verfahren zu anwendungsbegleitenden Datenerhebungen (AbD) für bestimmte Arzneimittel einleiten. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass dieses Instrument nur vereinzelt eine sinnvolle Anwendung finden kann. Ausgangspunkt muss stets die Abwägung sein, ob eine solche Datenerhebung angemessen, realisierbar und zielführend ist. Alternativen sollten einzelfallbezogen erwogen werden.

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Verfahren muss zielgerichtet sein

Umsetzbarkeit gewährleisten

Die bisherigen Verfahren, in denen die Forderung zur Durchführung einer AbD geprüft wurde, zeigen deutliche Probleme bei der Durchführbarkeit solcher Datenerhebungen. Gründe, warum die Verfahren teilweise eingestellt werden oder weiterhin Zweifel bezüglich des Erfolgs bestehen, sind unter anderem:

  • eine zu geringe Anzahl der in Frage kommenden Patient:innen,
  • die definierte Patientenpopulation entspricht nicht dem realen Einsatz des Arzneimittels in der Versorgung,
  • die zweckmäßige Vergleichstherapie wird nicht mehr eingesetzt, da das neue Arzneimittel zum Therapiestandard wurde und
  • geforderte Zusatzerfassungen im Register sind entweder ressourcenintensiv, mit zeitlichem Vorlauf verbunden oder in der Praxis gar nicht möglich.

Dieser Ausschnitt der Herausforderungen zeigt bereits, dass eine frühzeitige Einbindung der verschiedenen Stakeholder elementar ist, um eine mögliche AbD schon im Vorfeld einer kritischen Prüfung, insbesondere hinsichtlich der Realisierbarkeit, zu unterziehen. Erste bereits erfolgte Anpassungen der Verfahrensordnung, die eine frühe Einbeziehung des betroffenen pharmazeutischen Unternehmens vorsehen, waren sinnvoll. Hilfreich wäre zudem eine frühe, strukturierte Konsultationder verschiedenen Akteure, wie Fachgesellschaften, Registerbetreiber und Herstellerverbände, auch im Rahmen eines sog. „Interaktionstermins“ mit dem G-BA, um aussichtslose Verfahren gar nicht erst einzuleiten.

Grundsätzlich sollten Austauschmöglichkeiten zu methodischen Fragestellungen auch während der Studienprotokollerstellung ermöglicht werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Durchführung der AbD dem jeweiligen pharmazeutischen Unternehmer obliegt. Ein Austausch zwischen pharmazeutischen Unternehmen, beispielsweise im Vorfeld der Anordnung einer nachgelagerten AbD im selben Indikationsgebiet, stößt jedoch auf rechtliche Bedenken. Hier bedarf es transparenter und kartellrechtlich unbedenklicher Lösungen, beispielsweise durch das Angebot offener Interaktionstermine für Interessierte durch den G-BA.

Der Vorschlag, dass der G-BA bereits abgestimmte Studienunterlagen zu einer geforderten AbD über das laufende Verfahren hinaus für andere AbD nutzen kann, berührt dagegen sensible
Fragen des Urheberrechts und zum finanziellen Ausgleich des in Vorleistung gegangenen ersten Unternehmens und ist daher kritisch zu prüfen. Die Vorleistungen des ersten Unternehmens umfassen darüber hinaus beispielsweise auch Anpassungen am Register zum Zweck der Realisierung der AbD.

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Quantifizierung des Zusatznutzen als Ziel

Neben der grundsätzlichen Umsetzbarkeit ist stets zu prüfen, ob die Auflage einer AbD auch nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geboten ist. Es bedarf einerseits einer genauen Einzelfallprüfung, ob der hohe Aufwand für die Beteiligten dem zu erwartenden Ergebnis gerecht wird. Andererseits muss die AbD geeignet sein, das vom Gesetzgeber intendierte Ziel der Quantifizierung des Zusatznutzens auch zu erfüllen.

Die Vorgaben für die Generierung und Auswertung von Versorgungsdaten müssen daher zweckmäßig, aber auch angemessen und praktisch durchführbar sein. Die dazugehörigen methodischen Vorgaben des IQWiG lassen diesbezüglich Zweifel aufkommen. Die Anforderungen sind teilweise überhöht und praxisfern. Beispielsweise geht das geforderte Maß der kontrollierten Studiendurchführung, das sich am Vorbild klinischer Studien orientiert, weit über die wissenschaftliche Praxis von Versorgungsstudien hinaus und kann mit der Erhebung von Versorgungsdaten nicht geleistet werden. Zusätzlich wartet die methodische Auswertung des Zusatznutzens mit einer weitgehend unerfüllbaren Confounder-Adjustierung sowie einer mehrfach erhöhten statistischen Hürde gegenüber klinischen Studien auf. Unter solchen methodischen Bedingungen erscheint unter Berücksichtigung der aktuell geltenden Bewertungsmaßstäbe die Quantifizierung eines Zusatznutzens, insbesondere bei seltenen Erkrankungen, kaum machbar. Die methodischen Richtlinien des IQWiG sollten daher bezüglich ihrer Praxistauglichkeit erneut einer kritischen Prüfung unterzogen werden. So könnte beispielsweise als Kriterium der Überschreitung des Schwellenwertes eines Relativen Risikos von 2 der Effektschätzer anstelle der Grenze des 95%-Konfidenzintervalls verwendet werden. Die notwendige Effektschwelle kann so eher erreicht werden, zudem wäre oft eine geringere Patientenanzahl ausreichend. Das steigert die Umsetzbarkeit der AbD und erhöht die Chancen einer Quantifizierbarkeit des Zusatznutzens.

Alternativen zur AbD prüfen

In Anbetracht des für alle involvierten Akteure hohen Aufwands und der notwendigen Ressourcen ist es angezeigt, einzelfallbezogen zu prüfen, ob die AbD das beste Mittel der Wahl ist. Als Universallösung ist sie nicht geeignet. Daher sollte geprüft werden, ob beispielsweise bei besonderen Therapiesituationen durch eine frühe und möglichst verbindliche Beratung mit dem G-BA alternativ ein indirekter Vergleich unter Nutzung eines externen Kontrollarms aufgesetzt werden kann. Dieser sollte dann bereits im Rahmen der als bestverfügbare Evidenz zur Quantifizierung des Zusatznutzens akzeptiert werden.