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Zweckmäßige Vergleichstherapie - mehr Verlässlichkeit erforderlich

Verlässliche Rahmenbedingungen sind essenziell für den Pharmastandort Deutschland, für die Entwicklung innovativer Arzneimittel und damit für die Versorgung von Patientinnen und Patienten. Im AMNOG-Verfahren ist die Verlässlichkeit aufgrund von kurzfristigen Änderungen der zweckmäßigen Vergleichstherapie häufig nicht gegeben. Die Vorgaben zur zweckmäßigen Vergleichstherapie müssen mehr Planungssicherheit für die Durchführung klinischer Studien, die Nutzenbewertung und die Erstattung gewährleisten.

Zweckmäßige Vergleichstherapie: der Dreh- und Angelpunkt

Die zweckmäßige Vergleichstherapie ist von zentraler Bedeutung im AMNOG-Verfahren. So muss der Zusatznutzen neuer Arzneimittel gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie nachgewiesen werden. Sie stellt zugleich eine Grundlage für die anschließenden Verhandlungen der Erstattungsbeträge dar.

Problem: Entwertung der Studien und des Zusatznutzens

Trotz der bestehenden Beratungsmöglichkeit ist die zweckmäßige Vergleichstherapie ein Unsicherheitsfaktor für den Ausgang eines AMNOG-Verfahrens. Sie kann vom G-BA zu jedem Zeitpunkt verändert werden, ohne dass der pharmazeutische Unternehmer darüber in Kenntnis gesetzt wird: kurze Zeit nach der Beratung des pharmazeutischen Unternehmens, während einer laufenden Studie, kurz vor oder nach der Einreichung eines Dossiers oder sogar erst mit dem Beschluss. Allein die Änderungen in einer laufenden Nutzenbewertung traten zuletzt in rund jedem fünften Verfahren auf(1) . Eine Änderung, vom G-BA mit neuen Erkenntnissen oder einer Weiterentwicklung des Stands der medizinischen Erkenntnisse begründet, stellt stets eine schwer antizipierbare Abwä-gungsentscheidung für pharmazeutische Unternehmen dar.

Als besonders problematisch erweisen sich solche Änderungen der zweckmäßigen Vergleichstherapie, wenn dadurch klinische Studien der pharmazeutischen Unternehmen für die Nutzenbewertung entwertet oder gänzlich unbrauchbar werden. Vor allem dann, obwohl sie mit einer Vergleichstherapie in Übereinstimmung mit einer G-BA-Beratung konzipiert und durchgeführt wurden. Trotz wissenschaftlich hochwertiger Studien kann der Hersteller in solchen Fällen einen Zusatznutzen aus formalen Gründen nicht mehr belegen. Der im Vertrauen auf die Beratung des G-BA durch alle Beteiligten geleistete Aufwand in eine geeignete Studienlage wird so weder in der Bewertung noch in den Verhandlungen angemessen berücksichtigt.

So wurde beispielsweise für mehrere Medikamente zur Behandlung von Kopf-Hals-Tumoren, Melanomen, Multipler Sklerose, chronischer Rhinosinusitis oder Plaque-Psoriasis ein zunächst in der Dossierbewertung attestierter Zusatznutzen aufgrund kurzfristiger Änderungen der Vergleichstherapie im Beschluss aberkannt, obwohl Zulassungsstudien gemäß G-BA-Beratung oder sogar extra für das AMNOG-Verfahren durchgeführt worden waren.

Planungssicherheit: untergraben

Diese Situation gefährdet die essenzielle Planungssicherheit für die Hersteller. Dies gilt für die Investitionsentscheidungen und die Durchführung von Studien, wie auch für die Rahmenbedingungen der Nutzenbewertung und Verhandlung des Ersttattungsbetrages. Zugleich wird bei einem formal nicht belegten Zusatznutzen die Wahrnehmung der betroffenen Arzneimittel in der Versorgung verzerrt, sowohl aus Sicht der behandelnden Ärztinnen und Ärzte als auch aus Sicht der Patientinnen und Patienten.

Erschwerend kommt hinzu, dass eine Änderung der Vergleichstherapie nach dem Inkrafttreten des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) im Jahr 2022 sich auch zu einem möglichen strategischen Hebel der neuen AMNOG-Leitplanken entwickelt hat. So kann eine Änderung der Vergleichstherapie nicht nur zur Entwertung einer Studie und des Zusatznutzens führen, sondern auch zu weiteren nicht antizipierbaren Verhandlungszwängen.

Die Lösung heißt: Verlässlichkeit

Die Beratung und die Vorgaben zur zweckmäßigen Vergleichstherapie müssen mehr Verlässlichkeit aufweisen. Bei der Festlegung einer Vergleichstherapie sollte die bestehende Studienlage berücksichtigt werden, insbesondere wenn diese vom pharmazeutischen Unternehmen auf Grundlage einer G-BA-Beratung generiert wurde.

Lösungsvorschlag:
Eine zweckmäßige Vergleichstherapie ist in der Nutzenbewertung ergänzend heranzuziehen, wenn sie übereinstimmend zur G-BA-Beratung in einer klinischen Studie eingesetzt wurde.


Ist eine Änderung der zweckmäßigen Vergleichstherapie dennoch erforderlich, so verbessert eine solche ergänzende Berücksichtigung im Sinne einer Überbrückungsregelung die Planungssicherheit im AMNOG-Verfahren. Zugleich wird dadurch die bestverfügbare Evidenz besser berücksichtigt, während dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse angemessen Rechnung getragen wird.

Fazit

Verlässliche Rahmenbedingungen sind essenziell für den Pharmastandort Deutschland, für die Entwicklung innovativer Arzneimittel und damit für die Versorgung von Patientinnen und Patienten.

Deshalb braucht das AMNOG-Verfahren mehr Verlässlichkeit bei den Vorgaben zur zweckmäßigen Vergleichstherapie. Hier muss endlich Planungssicherheit für die Durchführung klinischer Studien, die Nutzenbewertung und die Verhandlung des Erstattungsbetrags gewährleistet werden.

Quellen:

(1) Rasch, A.: Änderungen der zweckmäßigen Vergleichstherapie, in: Monitor Versorgungsfor-schung (05/2022), S. 32-36. http://doi.org/10.24945/MVF.05.22.1866-0533.2440

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