AMNOG-Dossiervorlagen: Reduzierung nötig
Seit der Einführung des AMNOG im Jahr 2011 müssen pharmazeutische Unternehmen in Deutschland umfangreiche Dossiers zur Zusatznutzenbewertung einreichen, wenn sie neue Arzneimittel auf den Markt bringen. Hierfür müssen Dossiervorlagen verwendet werden, die detaillierte Vorgaben für die Einreichung von Studiendaten und Analysen enthalten.
Die Dossiervorlagen sind in fünf Module gegliedert:
- Modul 1 enthält eine Zusammenfassung,
- Modul 2 enthält allgemeine Informationen über das neue Arzneimittel,
- Modul 3 umfasst Angaben zur Patientenpopulation und Kostenanalysen,
- Modul 4 ist der Kern für die klinische Bewertung des ,
- Modul 5 ist ein vertraulicher Anhang mit der zugrundeliegenden Dokumentation einschließlich klinischer Studienberichte und Berichte der Zulassungsbehörden.
Massive Anforderungen an die Datenübermittlung führt zu extremen Umfängen von Dossiers
Der G-BA hat von Beginn des AMNOG an sehr hohe Anforderungen an die zu übermittelnden Daten gestellt. Seitdem boten die Dossiers der pharmazeutischen Unternehmen bereits eine noch nie dagewesene Transparenz von Studiendaten (1)
. Dennoch wurden die Anforderungen im Jahr 2020 noch einmal erweitert. Der G-BA fügte weitreichende Anforderungen an die Analyse von unerwünschten Ereignissen (UE), an Datenschnitte, zusätzliche Zeitauswertungen mit Outcome-Plots, Endpunkten (inkl. Sensitivitätsanalysen) und Subgruppenanalysen hinzu.
Die Ausweitung der Datenanforderungen führte zu einem extremen Anstieg der Anzahl der Analysen. Der durchschnittliche Umfang der Dossiers stieg um den Faktor 4 bis 5 von durchschnittlich ca. 750 auf 3.500 Seiten allein für die Module 1-4 an (in Einzelfällen 20.000 bis 40.000 Seiten). Die Erstellung solcher Dossiers ist zugleich für Hersteller mit einem enormen Aufwand verbunden. Die Dossiererstellung in Deutschland dauert dabei durchschnittlich 12 Monate und kostet rund 800.000 EUR.
Die eingereichten Daten werden weitgehend nicht berücksichtigt
Seit der Erweiterung der Datenanforderungen gibt es große Diskussionen über deren Notwendigkeit. Zum einen stellen sie die offensichtlich ausreichenden Anforderungen der Nutzenbewertung in den
vorangegangenen Jahren des AMNOG infrage. Zum anderen ist nicht ersichtlich, in welchem Umfang die vorgelegten Daten tatsächlich für die Bewertung und Entscheidungsfindung benötigt werden.
Downloads:
- Ergebnisbericht "Neue Anforderungen an AMNOG-Dossiers: Untersuchung der Berücksichtigung von Auswertungen im Rahmen der Nutzenbewertung durch IQWiG und G-BA [PDF]
- Report "New requirements for AMNOG-dossiers: Investigation of considered evaluations in the context of the benefit assessment by IQWiG and G-BA" [PDF]
In einer Studie im Auftrag des vfa wurde gezeigt, dass im Durchschnitt nur 23 % der in den Dossiers eingereichten Analysen in den Nutzenbewertungen oder Beschlüssen berücksichtigt wurden, wobei nur 16 % eingeschlossen und weitere 7 % begründet ausgeschlossen wurden (2) . Das bedeutet im Umkehrschluss, dass 77% der Analysen überhaupt nicht gewürdigt werden. Nicht berücksichtigte Inhalte betrafen vor allem Subgruppenanalysen (nur 14 % berücksichtigt), Ergebnis-Plots (23 %) und in geringerem Umfang Wirksamkeitsendpunkte (einschließlich Sensitivitätsanalysen) (39 %) und unerwünschte Ereignisse (52 %). Einen wesentlichen Einfluss hatten zudem die Anforderungen zu Datenschnitten. Dies zeigt, dass große Teile der Datenanforderungen in diesen Bereichen für die Nutzenbewertung schlicht nicht notwendig sind.
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AMNOG-Dossiervorlagen sollten auf notwendige Analysen reduziert werden
Insgesamt muss seitens des G-BA und des IQWiG bessere Transparenz über die Verwendung der eingereichten Analysen sichergestellt werden. Alle Analysen sind hinsichtlich ihres Beitrags zum Gesamtergebnis ausführlich zu kommentieren. Vor allem zeigt sich jedoch, dass der G-BA die Dossiervorlagen kritisch überprüfen und seine Anforderungen auf die eindeutig notwendigen Analysen reduzieren sollte:
- Subgruppenanalysen sollten sich auf ausgewählte zentrale Merkmale und Endpunkte von Interesse beschränken. Die Auswahl könnte im Rahmen der G-BA-Beratung erfolgen und sollte klinisch und pharmakologisch begründet werden.
- Es sollte ein Hauptdatenschnitt mit dem höchsten Informationsgehalt verlangt werden. Zusätzliche Datenschnitte für einzelne Endpunkte sollten eingereicht werden, wenn sie einen informativen Mehrwert liefern, ohne dass für diese Datenschnitte alle anderen Endpunkte zusätzlich eingereicht werden müssen.
- Sensitivitätsanalysen sollten sie sich auf spezielle Datensituationen und zentrale Endpunkte beschränken.
- Ergebnis-Plots sollten auf zentrale Endpunkte beschränkt werden, die statistische Signifikanz aufweisen.
- Die Schwellen für unerwünschte Ereignisse bei MedDRA SOC- und PT-Analysen sollten überarbeitet und angehoben werden.
Seit dem Inkrafttreten der europäischen HTA-Verordnung Anfang 2022 diskutieren die Beteiligten über die Relevanz der nationalen Dossiers auch für das EU-HTA. Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten sollten daher für eine praktikable europäische Vorlage für gemeinsame klinische Bewertungen sorgen. Unnötige, massive Datenanforderungen wie in Deutschland sollten vermieden werden, da dies vor allem die Dossiererstellung in der komprimierten Zeit des europäischen HTA-Prozesseses unmöglich macht.
Referenzen
(1) Köhler et al. "Information on new drugs at market entry: retrospective analysis of health technology assessment reports, journal publications, and registry reports." BMJ 2015;350:h796
(2) Advanced Medical Services (AMS) Ergebnisbericht: "Neue Anforderungen an AMNOG Dossiers: Untersuchung der Berücksichtigung von Auswertungen im Rahmen der Nutzenbewertung durch IQWiG und G BA", 01. July 2021