Was sind klinische Studien und warum werden sie gemacht?
In klinischen Studien werden meist neue Medikamente erstmals mit Menschen getestet: Als Bewährungsprobe für therapeutische Medikamente und Impfstoffe stellen sie den wichtigsten Abschnitt beim Übergang zwischen Grundlagenforschung und der Medizin im Alltag dar. Denn positive Studienergebnisse sind die Voraussetzung für die Zulassung eines Arzneimittels. Um die Sicherheit der Studienteilnehmenden zu gewährleisten, finden alle klinischen Studien unter strengen Vorgaben und unter konstanter Überwachung statt. Sie werden dadurch zu hochkomplexen Prozessen mit vielen Beteiligten und Anforderungen.
Zeigen sich in einer Studie Probleme für die Teilnehmenden, wird diese angehalten oder beendet. Bewährt sich ein Medikament in einer Studie nicht, endet die Entwicklung des Medikaments.
Ziele klinischer Studien
Grundsätzlich geht es bei einer klinischen Studie um die Testung eines Medikaments oder einer Medikamentenkombination auf Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit. Ziel ist auch die Bestimmung des optimalen Anwendungsschemas: In welcher Dosierung, Frequenz und Darreichungsform ein Arzneimittel verwendet werden soll.
Ergebnisse
Die Therapiedaten der verschiedenen Behandlungsgruppen werden anonymisiert ausgewertet und verglichen. Die daraus resultierenden Studienergebnisse werden veröffentlicht.
Klinische Studien werden sowohl zur Bekämpfung von Volkskrankheiten mit Millionen Patient:innen (z.B. Herzinsuffizienz) als auch von seltenen Erkrankungen mit wenigen Patient:innen (z.B. chronische lymphatische Leukämie) durchgeführt. Hinzu kommt die Erprobung von Mitteln zur Prävention, wozu auch Impfstoffe zählen.
Die Studienphasen
Jede Arzneimittelentwicklung durchläuft drei fest definierte Studienphasen.
In der Phase I wird die grundlegende Verträglichkeit und Aufnahme und Ausscheidung des Wirkstoffs zunächst mit gesunden Menschen in verschiedenen Dosierungen erprobt.
Die Studien der Phase II befassen sich mit der Wirksamkeit und Sicherheit des Medikaments bei Patient:innen. Wichtig dabei ist auch, die beste Dosierung zu finden. Meist wirken Kliniken oder Arztpraxen mehrerer Länder mit.
In der dritten Phase wird die Anwendung dann in der gefundenen Dosierung mit einer deutlich höheren Anzahl von Patient:innen erprobt. Meist wirken medizinische Kliniken oder Arztpraxen in vielen Ländern mit.
Strenge Regeln
Jede Studie folgt einem Prüfplan, der das Studiendesign darstellt und vorsieht, dass Teilnehmende detaillierte Informationen erhalten: Zu den Studieninhalten, der Eingangsuntersuchung sowie zu den Themen Datenschutz, Analyse und Veröffentlichung der Ergebnisse. Für jede klinische Studie gilt zudem das Recht auf Ausstieg ohne Angabe von Gründen.
Bei klinischen Studien hat die Sicherheit der Teilnehmenden höchste Priorität.
Was ist das Studiendesign?
Unter Studiendesign versteht man das Gesamtkonzept aller Vorgehensweisen im Rahmen einer Studie. Durch die genaue Planung einer Studie sollen Einflüsse, die das Ergebnis eines Testverfahrens verfälschen, vermindert werden. Ein wichtiger Bestandteil des Studiendesigns ist der Abgleich von Ergebnissen der auf neue Weise Behandelten mit denen einer Kontrollgruppe. Dazu zählt z.B., die Zahl erforderlicher Teilnehmer:innen und die Behandlungsdauer festzulegen.
Auch die zufällige Zuordnung der Teilnehmenden in Gruppen (Randomisierung) und die so genannte Verblindung (Behandelnde und Teilnehmende wissen nicht, in welche Gruppe die Teilnehmenden eingeteilt wurden) sind Teil des Studiendesigns. Ebenfalls festgelegt werden Vergleichsmedikation und – wenn es keine gibt – Placebo . Außerdem muss festgelegt werden, woran die Wirksamkeit der Behandlungen gemessen wird.
Ein Studiendesign wird nur genehmigt, wenn es nicht zu vermeidbaren Belastungen für die Teilnehmenden führt.
Genehmigungen im Vorfeld
Für die Vorbereitung einer klinischen Studie sind viele Schritte notwendig – dazu zählt das Finden mitwirkungsbereiter medizinischer Einrichtungen, die Genehmigung des Prüfplans durch die Arzneimittelbehörde und die Registrierung der Studie in einem öffentlichen Studienregister. Hinzu kommt die zustimmende Bewertung von Ethikkommissionen. Dabei sind auf europäischer Ebene die Behörden und Ethik-Kommissionen aller Länder einbezogen, die an den betreffenden klinischen Studien teilnehmen.
Zu den wichtigsten gesetzlichen Vorschriften gehören hierzulande das Arzneimittelgesetz, die EU-Verordnung zu klinischen Prüfungen und die internationalen Anforderungen an klinische Prüfungen des International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use.
Von wem werden Studien durchgeführt und mit welchem Interesse?
Die Komplexität klinischer Studien entsteht auch durch die Vielzahl der beteiligten Akteure. Die Akteure eint das Ziel, dass neue, bessere Behandlungsmöglichkeiten verfügbar werden. Aber natürlich haben sie jeweils noch eigene Interessen.
Studienteilnehmende profitieren von innovativen Behandlungsansätzen
Im Rahmen einer Studie erhalten die Teilnehmenden eine umfassendere Diagnostik und tiefergehende Untersuchungen im Vergleich zur normalen Behandlung – und das unabhängig davon, zu welcher Behandlungsgruppe sie gehören. Für einige Patient:innen sind klinische Studien eine Möglichkeit, frühzeitig Zugang zu innovativen Behandlungsansätzen zu erhalten, die ihnen vielleicht weiterhelfen können als zugelassene Therapien.
Ärzte und medizinisches Personal führen klinische Studien durch
Die Ausführenden einer klinischen Studie sammeln Erfahrungen mit neuen Medikamenten und den damit möglichen Therapien.
Damit helfen sie auch mit, dass diese Therapien – wenn sie sich bewähren – künftig für alle Betroffenen eingesetzt werden können.
Forschende Pharma-Unternehmen und Ärzt:innen sind die Initiatoren klinischer Studien
Forschende Pharmaunternehmen initiieren klinische Studien vor allem, um neue Arzneimittel zu erproben, die sie später auf den Markt bringen wollen – oder um zu erproben, wie zugelassene Medikamente noch besser angewendet werden können.
Forschende Ärztinnen und Ärzte veranlassen klinische Studien meist, um Therapien mit vorhandenen Medikamenten zu optimieren.
Behörden und Ethikkommissionen prüfen und genehmigen klinische Studien
Das Paul-Ehrlich-Institut, das Bundesinstitut für Arzneimittel, das Bundesamt für Strahlenschutz, Ethikkommissionen sowie Datenschutz- und Überwachungsbehörden gewährleisten die Sicherheit von klinischen Studien. Dazu prüfen, überwachen und genehmigen sie alle wesentlichen Schritte in der Entwicklung eines neuen Medikaments.
Weshalb haben es klinische Studien in Deutschland schwer?
Eigentlich steht Deutschland gut da: Pharmaunternehmen können Kliniken und Arztpraxen mit hochmodernen Technologien und qualifiziertem Personal zur Mitwirkung einladen . Bei der Beteiligung an klinischen Studien verliert Deutschland allerdings seit Jahren an Boden. Der Hauptgrund dafür ist die fehlende Schnelligkeit in den Prozessen. Das hat zur Folge, dass klinische Studien oft ohne deutsche Beteiligung stattfinden, da die Rekrutierung international bereits abgeschlossen wurde, wenn sie in Deutschland gerade erst anlaufen könnte.
In Deutschland fehlt eine einheitliche Regelung für den Datenschutz: 16 Landesdatenschutzstellen und eine Bundesstelle haben unterschiedliche Anforderungen. Das kann im Extremfall dazu führen, dass deutsche med. Einrichtungen gar nicht mitwirken können.
Strahlenschutz – ein Sonderfall in Deutschland
Diese Anforderung ist weltweit einzigartig: Der Einsatz bildgebender Verfahren (z.B. Röntgen) muss nur in Deutschland zusätzlich genehmigt werden – was den gesamten Prozess verzögert. Die Anforderung führt auch dazu, dass Deutschland bei Studien dieser Art oft außen vor bleibt.
Langwierige Vertragsverhandlungen zwischen Unternehmen und medizinischen Einrichtungen ziehen die Prozesse in die Länge.
Komplizierte Verträge
Bestimmte grundlegende Vertragsaspekte für klinische Studien sind immer ähnlich. Doch leider werden hierfür selten die verfügbaren Musterverträge genutzt. Oft werden sämtliche Verträge für eine Studie grundlegend neu verhandelt.
Veraltete digitale Infrastruktur
Die schleppende Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen ist eine weitere Hürde für klinische Studien. Beispielsweise
fehlt den Ausrichtern der Studie der Zugang zu allgemeinen Gesundheitsdaten, mit denen sie geeignete medizinische Einrichtungen für eine Studie schneller auswählen könnten.
Wie können wieder mehr Studien unter deutscher Beteiligung stattfinden?
Vereinheitlichung ist das zentrale Stichwort: Über alle Bundesländer hinweg sollten Vorgaben für klinische Studien angeglichen werden – zum Beispiel beim Thema Datenschutz. Eine Standardisierung sollte auch dafür sorgen, dass Verträge zwischen Pharmaunternehmen und mitwirkenden Kliniken oder Praxen schneller abgeschlossen werden.
Zusammenarbeit beschleunigen
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sollte die Zusammenarbeit von Universitätskliniken und Sponsoren beschleunigt und vereinfacht werden – durch die Vereinheitlichung von Vorgehensweisen, Musterverträgen und den Aufbau von Schnittstellen.
Es ist wichtig, international wahrgenommen zu werden. Dafür kann in den Studienzentren das Bewusstsein geschaffen werden.
Chancen der Digitalisierung nutzen
Um besser einschätzen zu können, für welche Studien eine Mitwirkung deutscher Kliniken in Betracht kommt (etwa weil es hier genügend Patient:innen der gesuchten Art gibt), benötigen die Unternehmen einen einfacheren Zugang zu anonymen medizinischen Daten.
Mehr Personal bei den Genehmigungsbehörden
Durch mehr Personal können zügigere Genehmigungsverfahren und mehr wissenschaftliche Beratung für die Studienausrichter bei den Arzneimittelbehörden BfArM und Paul-Ehrlich-Institut ermöglicht werden. Auch eine Angleichung der Datenschutzregeln kann die Prozesse beschleunigen.
Wie sieht die Zukunft für klinische Studien in Deutschland aus?
Um Deutschland international wieder konkurrenzfähiger zu machen, sollten Anforderungen an klinische Studien harmonisiert und Verfahren standardisiert werden, um insgesamt die Mitwirkung Deutschlands an klinischen Studien zu beschleunigen.
Neue EU-Verordnung: Clinical Trial Regulation
Auf europäischer Ebene verkürzt die neue Verordnung (Clinical Trial Regulation, EU 536/2014) den gesamten Bewertungsprozess für klinische Studien. Durch die Nutzung eines digitalen Portals kommt es zu einer deutlichen Zeitersparnis, da unterschiedliche Behörden in allen beteiligten Mitgliedstaaten die Genehmigung gleichzeitig bearbeiten müssen.
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