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Neuverblistern von Arzneimitteln kostet viel und bringt wenig

Berlin (VFA). "Nutzen nur für wenige, schwer identifizierbare Patienten, aber per Saldo keine erkennbaren ökonomischen Vorteile" - das ist das Resumée eines Gutachtens über den Sinn des industriellen Neuverblisterns von Medikamenten für chronisch kranke Patienten. Heute stellte Prof. Dr. Eberhard Wille vom Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim das im Auftrag des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller erarbeitete Gutachten in Berlin vor.

Ein chronisch Kranker muss oft mehrmals täglich mehrere Medikamente einnehmen. Das brachte Unternehmen darauf, für Patienten individuelle Wochenblister anzufertigen, die für jeden Einnahmezeitpunkt die richtigen Tabletten oder Kapseln verschiedener Hersteller zusammengepackt enthalten. Ihrer Meinung nach brächte das nicht nur eine Erleichterung für den Patienten, sondern auch Vorteile für das Gesundheitssystem, da so die Therapietreue (Compliance) gefördert und Folgekosten aufgrund unregelmäßig durchgeführter und deshalb weniger wirksamer Therapien vermieden werden könnten.

Wille, der auch Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen ist, hält demgegenüber fest: "Die Neuverblisterung ist gegenüber der herkömmlichen Arzneimittelversorgung von vorn herein mit einigen Nachteilen behaftet." So ist vom Kostenaufwand her für die industrielle Fertigung eines Blisters ca. 1,50 Euro anzusetzen (noch mehr bei Fertigung in einer Apotheke), und für die Abgabe an den Patienten durch die Apotheke weitere 1,50 Euro. Mindestens soviel müssten also die Kassen pro Blister im Falle einer Kostenerstattung an anderer Stelle wieder einsparen, damit sich das Verblistern tatsächlich rechnet.

Zum zweiten brächte die Versorgung mit Wochenblistern für Patienten eine massive Einschränkung der ihm zur Verfügung stehenden Arzneimittel mit sich; denn kein Anbieter für Neuverblisterung wäre imstande, alle zugelassenen Arzneimittel in seine Fertigungsstraßen einzubeziehen. Ein Anbieter hat beispielsweise angekündigt, sich auf nur 400 Arzneimittel - von rund 15.000 nach Hersteller, Wirkstoff, Dosis und Darreichungsform unterschiedlichen Präparaten - zu beschränken. Dies bedeutet im Umkehrschluss für den Arzt, dass er künftig aus einer engen Positivliste verordnen müsste. Die Neuverblisterung ist auch für viele Arzneimittel prinzipiell nicht anwendbar. So lassen sich beispielsweise injektionspflichtige Arzneimittel nicht in die Blister einbeziehen.

Die behaupteten Vorteile können diese Nachteile nicht aufwiegen, denn, so Wille: "Mangelhafte Therapietreue ist nur in einem kleineren Teil der Fällen durch Verblisterung überwindbar." Oft sind andere Gründe - beispielsweise Angst vor Nebenwirkungen - ausschlaggebend, wenn Patienten ihre Medikamente nicht oder unregelmäßig einnehmen; das lässt sich jedoch durch Verblistern nicht überwinden. "Man könnte als Ausweg daran denken, nur solche Patienten mit neu verblisterten Medikamenten zu versorgen, bei denen Compliance-Vorteile zu erwarten sind", erläuterte Wille, "doch scheitert das daran, dass sich Ärzte nicht imstande sehen, diese Patienten zu identifizieren."

Auch für einzelne Subgruppen, etwa Patienten in Disease Management Programmen, konnte Wille keinen relevanten Nutzen der Neuverblisterung erkennen. Bei diesen Patienten ist die Therapietreue ohnehin hoch.

So ist die Bilanz zum Neuverblistern eindeutig negativ, die herkömmliche Form der Abgabe von Medikamenten im ambulanten Bereich bleibt überlegen. "Und für die Stärkung der Therapietreue wäre mit anderen, preiswerteren Maßnahmen wahrscheinlich mehr zu erreichen", so Wille abschließend.

Das Gutachten kann heruntergeladen werden unter: https://www.vfa.de/pm20060627

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA) ist der Wirtschaftsverband der forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland. Er vertritt die Interessen von 39 weltweit führenden Herstellern und ihren über 100 Tochter- und Schwesterfirmen in der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik. Die Mitglieder des VFA repräsentieren rund zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland rund 86.000 Mitarbeiter, darunter mehr als 14.500 in Forschung und Entwicklung.



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