Bürokratiekosten drängen Arzneimitteltherapien aus der Versorgung
- Gemeinsamer Bundesausschuss entwickelt seine Verfahrensordnung weiter
- Arzneimittel mit niedrigen Umsätzen könnten unter die Räder kommen
- Bei Arzneimitteln für Krankenhäuser drohen komplizierte Doppelstrukturen in der Arzneimittelbewertung
Berlin (vfa). Das oberste Selbstverwaltungsgremium im Gesundheitswesen (G-BA) ändert gerade mit Zustimmung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) Teile seiner Verfahrensordnung.
"Fragen der Verfahrensordnung klingen nach langweiligen Regeln für Bürokraten. Dabei hat die Verfahrensordnung praktische und durchaus weitreichende Auswirkungen auf die medizinische Versorgung von Patienten: Etwa wenn Bürokratiekosten die zu erwartenden Umsätze eines Arzneimittels auffressen. Dann entsteht ein ökonomischer Anreiz, auf die Erstattungsfähigkeit von vorneherein zu verzichten oder anders ausgedrückt: Arzneimitteltherapien werden dann aus der Versorgung gedrängt, " sagt Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des vfa.
Heute kostet eine Dossiereinreichung zur vorgeschriebenen Nutzenbewertung eines Arzneimittels im Schnitt schon ca. 870.000 Euro. Das ist ein Vielfaches dessen, was man bei Einführung des AMNOG veran-schlagt hatte. Damals gingen Experten noch von rund 1.300 Euro Dossierkosten aus.
Bei Medikamenten, die vorhersehbar nur kleine Umsätze erzielen können, stellt sich schnell die Frage, ob sich ein mehrere hunderttausend Euro teures Dossier überhaupt rechnet. Das kann zum Beispiel bei einigen in der Entwicklung befindlichen Antibiotika passieren.
Die neue Verfahrensordnung sieht zwar vor, Pharma-Unternehmer von der Pflicht zur Dossiereinreichung freizustellen, wenn die zu erwartenden Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen einen Betrag von einer Million Euro im Jahr nicht überschreiten. Doch diese Grenze ist eng gezogen.
"Die geplante Freistellungsgrenze von einer Million Euro wird sich bei hohen Dossierkosten als zu niedrig erweisen. Zwar sind es nur wenige Arzneimittel, die um die Umsatzmarke von einer Million pendeln, bei denen also Bürokratiekosten in fast gleicher Höhe eine Problem darstellen würden. Aber jedes Arzneimittel weniger beschränkt die Therapiepalette der Ärzte und da kann gelegentlich auch ein "kleines" Medikament schmerzlich vermisst werden," so Fischer weiter.
Die neue Verfahrensordnung wird eine weitere einschneidende Änderung mit sich bringen und erstmals die Nutzenbewertung auf Arzneimittel ausdehnen, die ausschließlich in Krankenhäusern angewendet werden. Dadurch entstehen unklare Doppelstrukturen, denn hier gibt es neben der neuen Nutzenbewertung noch das etablierte Fallpauschalensystem.
Zu Arzneimitteln im Krankenhaussektor sagt Fischer: "Bei Arzneimitteln im stationären Bereich wird durch die neue Verfahrensordnung alles komplizierter und dadurch auch langwieriger. Statt hier mehrere Verfahren nebeneinander ablaufen zu lassen, wäre ein einheitlicher Ansatz besser, damit Patienten und Ärzte in Krankenhäusern nicht immer länger darauf warten müssen, dass Krankenkassen die Kosten erstatten."
Hintergrund zum Verfahrensstand bei der neuen Verfahrensordnung:
Das BMG hat Teile der neuen Verfahrensordnung des G-BA genehmigt: Das betrifft Fragen zur "Nutzenbewertung von Krankenhaus-Medikamenten" sowie die sogenannten "Freistellungsgrenzen". Andere Teile der Verfahrensordnung hat das BMG bislang nicht genehmigt und dem G-BA weitere Fragen dazu gestellt. Das betrifft die sogenannten "Dossiervorlagen".
Der vfa ist der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland. Er vertritt die Interessen von 42 weltweit führenden Herstellern und ihren über 100 Tochter- und Schwesterfirmen in der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik. Die Mitglieder des vfa repräsentieren rund zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland mehr als 80.000 Mitarbeiter. Mehr als 16.000 davon arbeiten in Forschung und Entwicklung. Folgen Sie uns auf Twitter: www.twitter.com/vfapharma