Kinder und Jugendliche in klinischen Studien
Wie wird ein Medikament für Kinder und Jugendliche entwickelt?
Es gibt unterschiedliche Arten von Medikamenten-Studien, und nur ein kleiner Teil wird mit Kindern oder Jugendlichen durchgeführt, während für andere ausschließlich erwachsene Teilnehmer in Betracht kommen. Das wird deutlich, wenn man sich anschaut, in welchen Schritten ein neues Medikament entwickelt und erprobt wird:
Jährlich finden in Deutschland rund 1.000 klinische Studien statt. An rund 150 davon wirken auch oder ausschließlich Kinder und Jugendliche mit.Der Wirkstoff für ein neues Medikament wird im Labor erfunden. Danach wird er intensiv mit Laborversuchen, Zellkulturen und dann Tieren getestet. Nur, wenn er sich dort bewährt hat (sich also als wirksam und nicht giftig erwiesen hat, wenn es nicht das Erbgut geschädigt oder Krebs hervorgerufen und auch keine anderen Probleme verursacht hat), darf er weiter erprobt werden.
Im nächsten Schritt testen gesunde, erwachsene Freiwillige das Medikament in klinischen Studien der Phase I. Dabei ist noch keine heilende oder lindernde Wirkung zu sehen (die Freiwilligen sind ja gesund); aber es zeigt sich, wie der Wirkstoff durch den Körper wandert, wie schnell er wieder ausgeschieden wird und ob er gut vertragen wird. An diesen Studien nehmen im Normalfall keine Kinder und Jugendlichen teil.
Studien mit erwachsenen Erkrankten
Hat sich das Medikament bei gesunden Freiwilligen bewährt, folgen Studien mit Erkrankten, die sich freiwillig zur Mitwirkung bereit erklärt haben. Dann zeigt sich, ob das Medikament auch wirkt. Es wird außerdem untersucht, wie gut die Erkrankten das Medikament vertragen und welche Medikamentenmenge (Dosis) für ihre Behandlung die beste ist.
In der Regel nehmen an diesen Studien zunächst nur Erwachsene teil: erst einmal rund 100 bis 500 (in der Phase II), in den abschließenden Studien (in der Phase III) dann viele Hundert oder sogar mehrere Tausend. Die Patientinnen und Patienten werden in vielen verschiedenen Krankenhäusern oder Arztpraxen behandelt.
Verläuft auch die Phase III gut, kann der Hersteller für die Behandlung von Erwachsenen mit dem Medikament die Zulassung beantragen. Lassen es die Behörden nach Prüfung aller Unterlagen schließlich zu, kann es in allen Krankenhäusern und Arztpraxen verordnet werden.
Erprobung mit minderjährigen Erkrankten
In der Regel eignen sich Wirkstoffe, die sich bei Erwachsenen bewährt haben, auch zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Genau weiß man das aber erst, wenn es in Studien überprüft wurde. Auch muss die richtige Dosierung für jede Altersgruppe neu ermittelt werden; man kann sie nicht einfach anhand eines Größenvergleichs von Erwachsenen und Kindern herunter rechnen. Denn im Laufe der Kindheit verändern sich der Körperbau (beispielsweise der Fettanteil im Körper), die Leistungsfähigkeit von Nieren und Leber sowie der Stoffwechsel. Deshalb sind eigene Studien mit Minderjährigen verschiedener Altersgruppen erforderlich.
Zur besseren Ansicht: Oben abgebildetes Schaubild zum Download.
Wann mit diesen Studien begonnen wird, ist unterschiedlich: Meist werden dafür die gesamten Ergebnisse der Erprobung mit Erwachsenen abgewartet. Will oder kann man aber so lange nicht warten – etwa weil es um ein möglicherweise lebensrettendes Medikament geht – kann frühestens dann eine Studie mit Minderjährigen durchgeführt werden, wenn die Phase-I-Studien mit Erwachsenen mit gutem Ergebnis abgeschlossen wurden.
Die Erprobung mit Minderjährigen erfolgt dann wie bei Erwachsenen in Kliniken oder Arztpraxen. Bei den ersten Studien (Phase II) wirken nur wenige, bei den anschließenden Studien (Phase III) dann viele erkrankte Minderjährige mit. Die Dosis wird bei den ersten Phase-II-Studien sehr vorsichtig gewählt und von Studie zu Studie nachjustiert. Jüngere Kinder bekommen ein Medikament in der Regel in einer anderen Form als ältere: Tabletten beispielsweise eignen sich für Erwachsene, Jugendliche und Schulkinder, aber nicht für Jüngere. Für diese wird dann z. B. eine Trinklösung entwickelt.
Normalerweise können Kinder und Jugendliche an einer Medikamenten-Studie nur teilnehmen, wenn sie ohnehin eine medizinische Behandlung benötigen. Gesunde Kinder kommen lediglich dann als Teilnehmer in Betracht, wenn ein Impfstoff oder ein anderes Mittel zur Krankheitsvorbeugung oder für eine Vorsorgeuntersuchung getestet werden soll, von dem sie selbst etwas haben.
Werden die Studien der Phasen II und III mit Minderjährigen schließlich mit guten Ergebnissen abgeschlossen, erhält das Medikament von den Arzneimittelbehörden die Zulassung für die untersuchten Altersgruppen.
Studien nach der Zulassung
Auch nach der Zulassung werden mit einem Medikament Studien durchgeführt. Sind es Studien, bei denen das Medikament im bereits zugelassenen Anwendungsgebiet eingesetzt wird, heißen sie Studien der Phase IV. In ihnen wird beispielsweise geprüft, ob sich das Medikament sinnvoll mit anderen Mitteln kombinieren lässt.
"Kinder und Jugendliche in klinischen Studien"
Ein Informationsheft zur Hilfe und Vorbereitung
Sie können den gesamten Text auch kostenlos als gedruckte Broschüre bestellen oder als PDF herunterladen.
Die Kapitel dieses Artikels / Mehr zum Thema
Wie wird ein Medikament für Kinder und Jugendliche entwickelt?