Ärzte warnen vor virtueller Behandlung von «DrEd»
Berlin/London (dpa) - Ärzteverbände warnen vor dem neuen Internetportal «DrEd» aus London. «Es kann einen Arztbesuch nicht ersetzen», sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl, der Nachrichtenagentur dpa. Auch ein Beitrag zur Verbesserung der Krankenversorgung sei das Portal nicht. Diagnose und Behandlung allein über das Internet könnten nicht im Interesse des Patienten sein, heißt es auch von der Bundesärztekammer. Deshalb sehe die Ärzteschaft Angebote wie dieses äußerst skeptisch.
Patienten mit Asthma, Bluthochdruck, Blasenentzündung und weiteren Krankheiten können sich bei «DrEd» per Mausklick behandeln lassen, bekommen ihr Rezept per Post oder die Medikamente durch eine online-Apotheke zugesandt. Die Patienten müssen nur Fragebögen beantworten. «Ein Telefongespräch mit dem Arzt ist möglich, wenn nötig», erklärt Sprecher Jens Apermann. Für akute Erkrankungen und Notfällen sei das Portal nicht geeignet, erklärt er. Eine Praxisgebühr entfällt, doch die Behandlungen kosten bis zu 29 Euro.
Zwei deutsche Ärzte arbeiten für das Unternehmen mit Sitz in London. «Das hat rechtliche Gründe», sagt Apermann. In England sei das Angebot legal, in Deutschland nicht. Abgesehen von dringlichen Notfallbehandlungen gelte hierzulande das Fernbehandlungsverbot nach den Satzungen der jeweiligen Landesärztekammern, erklärt Carsten Dochow, Mitarbeiter am Göttinger Zentrum für Medizinrecht.
Ärzte dürfen demnach Patienten nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien behandelt oder beraten. Auch bei telemedizinischen Verfahren sei zu gewährleisten, dass zumindest ein Arzt den Patienten unmittelbar therapiert. Im Falle eines Behandlungsfehlers könne zudem die unangenehme Folge auftreten, dass der Patient den Arzt am Ort der Niederlassung des Unternehmens, hier also in England, verklagen muss, gibt Dochow zu bedenken.
«Wir wissen, dass die Mehrzahl der Ärzte das, was wir tun, ablehnen», sagt Apermann. Doch «DrEd» wolle auch Patienten mit peinlichen Problemen helfen, die sonst möglicherweise den Weg zu Arzt scheuten. «Auch wenn es peinlich ist: Aus Schamgefühl sollte niemand auf den Arztbesuch verzichten», betont KBV-Sprecher Stahl. «Auch die blaue Pille kann gefährlich sein», warnt er mit Blick auf das Potenzmittel Viagra, das es ebenfalls bei «DrEd» gibt.
Im Bundesgesundheitsministerium sieht man «DrEd» ebenfalls kritisch. «Bei einem persönlichen Arztbesuch kann der Mediziner viel mehr wahrnehmen als bei einem Kontakt via Internet», sagt Referent Roland Jopp. Der Patient könne dem Arzt zwar Dinge nennen, die ihm selbst auffallen, ein Arzt könne aber mehr sehen und ertasten.
Das Portal «DrEd» bezeichnet sich selbst als telemedizinisches Angebot. «Telemedizin ist das aber nicht», entgegnet Jopp. Das sieht auch die Deutsche Gesellschaft für Telemedizin so. Der Deutsche Ärztetag habe Leitsätze dazu verabschiedet, wonach die Technik ärztliches Handeln unterstützen, aber nicht ersetzen solle, betont Wolfgang Loos vom Vorstand der Gesellschaft.
Es gebe bereits zahlreiche telemedizinische Angebote in Deutschland. Eine im Mai 2010 veröffentlichte Landkarte liste rund 270 einzelne Dienste und Projekte auf.
Das Unfallkrankenhaus Berlin hat eigenen Angaben zufolge 2004 als bundesweit erstes Krankenhaus mit der Telemedizin begonnen. Dort arbeiten Radiologen und Neurologen mit 16 Krankenhäusern in vier Bundesländern zusammen und stellen mit externen Befunden, Live-Schaltung und Web-Cam Diagnosen. Pro Jahr kommen mehr als 60 000 telemedizinischen Befundungen und Leistungen zusammen. Die Berliner Ärzte ersetzen die Spezialisten, die es vor Ort nicht mehr gibt, nicht aber den betreuenden Arzt.