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Krankheitsbekämpfung stärkt auch Ernährungsprogramme

Hunger überwinden und Krankheiten bekämpfen sind Ziele der Entwicklungspolitik. Sie sind auf mehrfache Art verbunden.

Bei uns sind sie unappetitliche, aber in der Regel ungefährliche Exoten. In den Entwicklungsländern dagegen verursachen sie nach Angaben der WHO bei Schulkindern mehr Krankheiten als jeder andere Erreger. Die Rede ist von Wurmparasiten. Allein unter Spul-, Haken- und Peitschenwürmern, die sich im Darm ansiedeln, leiden geschätzt mehr als eine Milliarde Menschen, darunter viele Kinder. Schon barfuß laufen kann krank machen, denn die Eier der Parasiten stecken im Boden, die Larven durchdringen die menschliche Haut. Mit Freunden am Fluss zu spielen, ist alles andere als ein harmloses Vergnügen. Wo die Erde feucht ist oder das Wasser steht, tummeln sich die Larven der Würmer.

Dieser Wurmbefall führt häufig zu Durchfall und Blutarmut, verstärkt die Folgen von Mangelernährung und zieht so Wachstumsstörungen und geminderte Leistungsfähigkeit in Schule und Beruf nach sich. Unter der Geburt kann eine eigentlich harmlose Blutung für eine durch Wurmbefall anämische Frau zur tödlichen Gefahr werden. Auf lange Sicht halten Wurmerkrankungen die Menschen in der Armutsfalle gefangen. Die WHO empfiehlt, überall dort, wo Wurmparasiten in verstärktem Maße auftreten, alle Kinder zwischen einem und fünfzehn Jahren ein- bis zweimal jährlich mit einem Medikament zu behandeln.

Auch in entlegenen Gegenden werden Kinder regelmäßig mit Medikamenten versorgt

Oft sind es die örtlichen Gesundheitsstationen, die den Dorfbewohnern helfen, die Parasiten loszuwerden. Im evangelischen Distriktkrankenhaus in Koyom im Tschad mit seinen 32 angeschlossenen Gesundheitsstationen ermöglicht es Brot für die Welt, dass
auch Menschen in abgeschiedenen Regionen eine medizinische Grundversorgung bekommen. Zweimal im Jahr kommen die Helfer ins Dorf, stellen Bänke auf und hieven Kisten mit Wurm-Medikamenten darauf. Tags zuvor haben sie mit Megafon die Aktion
angekündigt. Hunderte Väter, Mütter und Kinder versammeln sich im Schatten der Bäume und warten, bis sie an der Reihe sind. Das ist für die Helfer eine gute Gelegenheit zur Aufklärung. Über Lautsprecher geben sie Hinweise zur richtigen Vorsorge: „Wascht
eure Hände, bevor ihr esst! Putzt Obst und Gemüse mit gereinigtem Wasser!“

Die „Entwurmung“ führt gewöhnlich schnell zu einem verbesserten Gesundheits- und Entwicklungszustand der Kinder. Einfach jedes Kinde zu behandeln – ohne eine Wurmdiagnose abzuwarten – ist möglich und sinnvoll, weil die Medikamente gut verträglich sind. Den Infizierten nützen sie, den Nicht-Infizierten schaden sie
nicht. Bislang werden mit den Behandlungen rund 35 Prozent der Schüler in betroffenen Gebieten erreicht. Bis 2020 sollen es 75 Prozent sein.

Umgesetzt wird diese Empfehlung im Programm Children without Worms. Partner des Programms sind die Pharma-Unternehmen Janssen und GlaxoSmithKline. Beide zusammen stellen dafür jährlich rund 600 Millionen Tabletten zur Verfügung.

Doch für ein Ende des Wurmbefalls reichen Tabletten nicht. Children without Worms verfolgt deshalb das ganzheitliches Konzept, zusätzlich für den Zugang zu sauberem Wasser, eine Verbesserung der Sanitäreinrichtungen und für Hygieneerziehung zu
sorgen.

Mit Medikamenten gegen armutsassoziierte Tropenkrankheiten

1987

Fluss­blind­heit

Beginn des WHO-Pro­gramms für Fluss­blind­heits-Pa­ti­en­ten; MSD spendet das Me­di­ka­ment

1992

Leish­ma­nio­se

Un­ter­stüt­zung des Leish­ma­nia­sis Control Programs der WHO durch Gilead Sciences; ab 2011 auch Spende eines Me­di­ka­ments

Lepra

Beginn des Programms der WHO für kos­ten­freie Be­hand­lun­gen; Novartis spendet (seit 2000) die Me­di­ka­men­te

1995

Afri­ka­ni­sche Schlaf­krank­heit

Beginn der WHO-Pro­gram­me gegen Schlaf­krank­heit; Sanofi (seit 2001) und Bayer (seit 2002) spenden die Me­di­ka­men­te, seit 2009 auch für eine neue Kom­bi­na­ti­ons­the­ra­pie

1998

Trachom

Beginn der „In­ter­na­tio­nal Trachoma In­itia­ti­ve“; Pfizer spendet das Me­di­ka­ment

2000

Ele­fan­tia­sis, lym­pha­ti­sche Filariose

Beginn der „Global Alliance to Eliminate Lymphatic Fi­la­ria­sis“; die Me­di­ka­men­te spenden Gla­xoS­mith­Kli­ne, MSD, Eisai und Sanofi

2003

DNDi

Gründung der „Drugs for Neglected Diseases In­itia­ti­ve“ (DNDi), einer Product De­ve­lop­ment Part­nership zur Ent­wick­lung neuer Me­di­ka­men­te v. a. gegen ar­mut­s­as­so­zi­ier­te Tro­pen­krank­hei­ten. Zahl­rei­che Pharma- Un­ter­neh­men wirken seither an der Forschung und Ent­wick­lung mit.

2004

Cha­gas-Krank­heit

Beginn der Be­kämp­fungs­pro­gram­me der WHO; Bayer spendet das Me­di­ka­ment

2006

bo­den­über­tra­ge­ne Würmer

Beginn der In­itia­ti­ve „Children Without Worms“; Janssen und Gla­xoS­mith­Kli­ne spenden die Me­di­ka­men­te

2007

Bil­har­zio­se

Beginn der WHO-Pro­gram­me gegen die Krankheit; Merck spendet das Me­di­ka­ment


Le­be­re­gel-Be­fall
(Fas­zio­lo­se)

Beginn des WHO-Pro­gramms gegen Fas­zio­lo­se; Novartis spendet das Me­di­ka­ment

2010

Lun­ge­ne­gel-Be­fall
(Pa­ra­goni­mo­se)

Beginn des WHO­Pro­gramms gegen Pa­ra­goni­mo­se; Novartis spendet das Me­di­ka­ment

2011

WIPO Re:Search

Gründung von WIPO Re:Search. Diese Or­ga­ni­sa­ti­on fördert den Austausch von For­schungs­er­geb­nis­sen, Tech­no­lo­gi­en und Lizenzen zwischen Firmen und For­schungs­ein­rich­tun­gen, u. a. zu ar­mut­s­as­so­zi­ier­ten Tro­pen­krank­hei­ten.

2012

London De­cla­ra­ti­on

Re­gie­run­gen, Or­ga­ni­sa­tio­nen und Un­ter­neh­men ver­ein­ba­ren eine part­ner­schaft­li­che Aus­wei­tung der Be­kämp­fung von zehn ar­mut­s­as­so­zi­ier­ten Tro­pen­krank­hei­ten; beteiligt sind die Un­ter­neh­men Abbott (heute AbbVie), As­tra­Ze­ne­ca, Bayer, Becton Dickinson, Bris­tol-My­ers Squibb, Eisai, Gilead Scienes, Gla­xoS­mith­Kli­ne, Janssen (Johnson & Johnson), Merck, MSD, Novartis, Pfizer und Sanofi

2015

Rekord

Mit Arz­nei­mit­teln für mehr als 1,5 Mil­li­ar­den Be­hand­lun­gen wird ein neuer Jah­res-Re­kord­wert bei ge­spen­de­ten Me­di­ka­men­ten gegen ar­mut­s­as­so­zi­ier­te Tro­pen­krank­hei­ten erreicht.

2020

Etap­pen­ziel

Bis zu diesem Jahr sollen zehn ar­mut­s­as­so­zi­ier­te Tro­pen­krank­hei­ten regional eli­mi­niert oder ein­ge­dämmt sein. Die Be­kämp­fung solcher Krank­hei­ten wird aber wei­ter­ge­hen.

Nur Partnerschaften von unterschiedlichen Akteuren können die Bevölkerung vieler Länder von vernachlässigten, armutsassoziierten Tropenkrankheiten (NTD) befreien. Forschende Pharma-Unternehmen stellen für Bekämpfungsprogramme der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die nötigen Medikamente kostenlos zur Verfügung und unterstützen sie oft auch logistisch. Was in der Vergangenheit bereits erreicht wurde, zeigt dieser Zeitstrahl.

Sie können sich oben stehenden Zeitstrahl auch als PDF-Poster herunterladen.


Für den Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) ist das ein Beispiel dafür, wie die Bekämpfung armutsassoziierter Tropenkrankheiten auch auf andere Entwicklungsziele einzahlt, etwa auf bessere Ernährung. „Wenn Schulkinder entwurmt werden, macht das Essen wieder sie selbst satt statt ihre Darmparasiten“, sagt Harald Zimmer, beim vfa Senior-Referent Internationales und Vorstandsmitglied des deutschen Netzwerks gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten (DNTDs), und nennt weitere
Zusammenhänge: „Bauern können ihre Äcker wieder bis an die Flussufer ausdehnen, wenn sie nicht länger fürchten müssen, sich dort mit Flussblindheit anzustecken.“ Die WHO berichtet, dass durch die Bekämpfung der Flussblindheit in Westafrika bis heute
schon 25 Millionen Hektar Land wieder sicher für die Landwirtschaft zurück gewonnen werden konnten. Das entspricht der Fläche des einstigen Westdeutschland.

Hilfsprogramme können effektiver werden, wenn die Akteure gemeinsam handeln

Doch noch sind Gesundheitsprogramme und Aktivitäten zur ländlichen Entwicklung und Ernährungssicherung selten vernetzt. Schlimmstenfalls kommt es sogar zu gefährlichen Zielkonflikten: Wo zugunsten besserer Erträge Bewässerungskanäle eingerichtet
wurden, hat sich in der Vergangenheit oft eine andere Erkrankung ausgebreitet: die Bilharziose. Mit guter Planung kann dem jedoch begegnet werden: durch eine geeignete Bauweise bei den Kanälen, durch Aufklärung der Anwohner über Ansteckungswege und
Schutzmaßnahmen und auch durch Sicherstellen, dass Bekämpfungsprogramme
im Bedarfsfall rasch auf die betroffene Region ausgeweitet werden können.

Integrierte Programme und gemeinsames Handeln der Akteure können zugleich Ernährungs- und Gesundheitsprobleme der Armen beseitigen und so umso mehr ihre Chance verbessern, die Armut zu überwinden.