Monitor ATMP-Standort Deutschland
Bei der Entwicklung von Gen-, Zell- und Gewebetherapeutika, zusammengefasst als ATMP (Advanced Therapeutic Medicinal Products) bezeichnet, schien Deutschland in den 2010er-Jahren nahezu abgehängt zu sein. Doch engagierte Forschungseinrichtungen und Unternehmen sind inzwischen dabei, Deutschland auch in diesem Feld vermehrt ins Spiel zu bringen. Ein Gradmesser dafür: klinische Arzneimittelstudien mit ATMP. Wo Deutschland hier steht, und was sich seit 2023 verändert hat, zeigt die folgende Auswertung des vfa anhand von vier Grafiken. Der vfa wird sie weiterhin jährlich aktualisieren.
Nicht mitgezählt
Nicht mitgezählt wurden in dieser Analyse Studien, bei denen im betreffenden Jahr noch eine Nachbeobachtung der Teilnehmer:innen durchgeführt wurde, die aber schon vor diesem Jahr die „Primary Completion“ erreicht hatten.
Die USA und China haben sich als die führenden Standorte für Zell- und Gentherapiestudien etabliert. Chinas Aktivität in diesem Feld wuchs gegenüber dem Vorjahr sehr dynamisch um +27 % auf nunmehr 701 laufende oder geplante Studien im Jahr 2024.
In Europa bleibt UK mit 112 Studien nach Wachstum um +33 % vorne, gefolgt von Spanien (93), Deutschland (87) und Frankreich (75). Deutschland zeigt eine leichte Zunahme der Studienzahl, trotz regulatorischer Hürden und langer Genehmigungsverfahren. ATMP bzw. innovative Gen- und Zelltherapien bleiben ein zentrales Zukunftsthema für Deutschland. Die neue Bundesregierung steht vor der Aufgabe, hier bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, um Forschung, Entwicklung und Marktzugang in diesem Bereich weiter zu fördern.
Viele der hier gelisteten Studien finden multinational statt; das bedeutet, dass beispielsweise deutsche wie US-Kliniken an der gleichen Studie mitwirken.
Oftmals finden zur gleichen Gen- oder Zelltherapie mehrere Studien parallel statt; und etliche Entwicklungsprojekte führen nicht zu einer Zulassungseinreichung, weil die Studien eine unzureichende Wirksamkeit oder Verträglichkeit erweisen. Nur ein Teil der Projekte kann also mit einer Zulassung abgeschlossen werden.
In der ATMP-Studienlandschaft in Deutschland ist weiterhin eine heterogene prozentuale Verteilung über die Phasen hinweg erkennbar: Während 2024 weiter die meisten Studien (51 %) der Phase II zuzurechnen waren, zeigte die steigende Zahl von Studien in Phase III, dass mehr neue ATMP oder ATMP-Anwendungen in die entscheidende Erprobung vor der Zulassungseinreichung gelangt sind. Ärztinnen und Ärzte, die an den Phase-II- und -III-Studien mitwirken, bauen dadurch eine Expertise in der komplexen Anwendung dieser Arzneimittel auf, die es ihnen ermöglichen wird, die Therapien gleich nach ihrer späteren Zulassung weiter zu praktizieren. Dies unterstreicht die Innovationskraft des Standorts.
Einen ähnlichen Anteil haben Phase II-Studien auch in den USA (46 %). Phase I-Studien hingegen spielen dort eine weitaus größere Rolle mit 40 % Anteil am Studiengeschehen (Deutschland: 18 %). Weitere 10 % entfallen dort auf Phase III-Studien (in Deutschland: 22 %).
ATMP kommen grundsätzlich in Betracht gegen Krankheiten, die lebensbedrohlich sind oder bei den Betroffenen zu schweren Einschränkungen führen, und für die es weiterhin Bedarf für wirksamere Behandlungen gibt. Das reflektiert auch das Spektrum der Anwendungsgebiete in den ATMP-Studien in Deutschland: verschiedene Krebsarten, nicht-maligne hämatologische und autoimmune Erkrankungen wie auch Stoffwechsel-Erkrankungen. Die meisten dieser Krankheiten treten nur bei wenigen Patient:innen auf. Besonders der Bereich hämatologische Krebserkrankungen bleibt mit 29 % aller ATMP-Studien in Deutschland der umfangreichste.
Die in Deutschland 2024 laufenden und geplanten Studien fanden sowohl auf Veranlassung von akademischen Forschungseinrichtungen als auch von Pharma- oder Biotechunternehmen statt. Den größten Anteil (85 %) stemmten hier allerdings die Unternehmen allein, und 5 % akademische Einrichtungen alleine. 10 % der Studien fanden in gemischter Verantwortung statt.
Damit hat sich Deutschland binnen eines Jahres stark an die Verhältnisse in den USA angenähert. Dort waren 2024 insgesamt 82 % der Studien von Unternehmen veranlasst worden, 8 % von akademischen Einrichtungen allein; und weitere 10 % der Studien fanden in gemischter Verantwortung statt.