Neue Medikamente gegen Malaria, Tuberkulose und vernachlässigte Tropenkrankheiten (NTD)
Malaria-Erreger im Blut (Sporozoiten-Stadium)Forschende Pharma-Unternehmen bieten bedürftigen Ländern Medikamente gegen Malaria und Tuberkulose Sonderkonditionen. Für die Bekämpfung etlicher armutsassoziierter vernachlässigter Tropenkrankheiten (NTDs) liefern sie ihre Medikamente sogar kostenfrei. Dazu haben sich 13 forschende Pharma-Unternehmen aus Industrienationen in der London Declarationvon 2012 verpflichtet; mehr dazu hier.
Kompakt
- Gegen Malaria, Tubekulose und viele vernachlässigte Tropenkrankheiten sind Medikamente verfügbar. Unternehmen liefern sie bedürftigen Ländern zu Sonderkonditionen oder sogar gratis.
- Trotzdem besteht Bedarf für weitere therapeutische Medikamente und Impfstoffe.
- Forschende Pharma-Unternehmen arbeiten an mehr als 200 solchen Medikamenten, fast immer im Rahmen von Product Development Partnerships (PDPs).
Neuentwickungen meist im Rahmen von Product Development Partnerships
Aktuelles: Medikamente im Zulassungsverfahren oder kurz davor
Stand: 2018
Seit Januar 2018 prüft die EU-Arzneimittelbehörde EMA den Zulassungsantrag für Fexinidazol-Tabletten, ein von DNDi und Sanofi entwickeltes Medikament gegen die afrikanische Schlafkrankheit. Studien zufolge lässt sich die Krankheit damit auch im Spätstadium ohne Infusionen ausheilen. Eine positive EMA-Bewertung kann zur Zulassung in betroffenen Ländern beitragen (Pressemitteilung).
Der Ebola-Impfstoff rVSV-ZEBOV-GP der Unternehmen MSD und New Link Genetics steht kurz vor der Zulassungseinreichung. Er soll in Deutschland produziert werden (Pressemitteilung).
Darüber hinaus entwickeln forschende Pharma-Unternehmen auch neue therapeutische Medikamente und Impfstoffe gegen Malaria, Tuberkulose, NTDs und Viruskrankheiten mit Epidemiepotenzial (wie Ebola oder Lassa-Fieber). Einen kleinen Teil dieser Projekte betreiben die Firmen im Alleingang, den größten Teil hingegen im Rahmen von Produktentwicklungspartnerschaften (Product Development Partnerships, PDPs) – also im Verbund mit großen Stiftungen, regierungsnahen und anderen Organisationen, Forschungseinrichtungen und anderen Unternehmen. Beispiele für große PDPs sind das Medicines for Malaria Venture (MMV), die TB Alliance, die Drugs for Neglected Diseases Initiative (DNDi), die PATH – Malaria Vaccine Initiative (PATH-MVI), die Tuberculosis Vaccine Initiative (TBVI) und die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI). Darüber hinaus gibt es aber noch weitere konkret um ein Projekt herum gegründete PDPs wie das Paediatric Praziquantel Consortium, das die Entwicklung eines kleinkindgerechten Bilharziose-Medikaments vorantreibt.
Im Rahmen der PDPs wird der finanzielle Aufwand für die Entwicklung auf mehrere Partner verteilt; im Gegenzug müssen sich beteiligte Unternehmen verpflichten, jedes aus der gemeinsamen Arbeit hervorgehende Medikament später an betroffene ärmere Länder zu Sonderkonditionen zu liefern.
Mehr als 200 Projekte
Der internationale Pharmaverband IFPMA hat bei Pharma-Unternehmen zahlreiche Projekte für Medikamente gegen die genannten Krankheiten identifiziert, von denen die meisten in größeren PDPs oder kleineren akademisch-industriellen Kooperationen durchgeführt werden.
Es sind:
- 53 Projekte gegen Malaria (siehe IFPMA: R&D Pipeline for Malaria vom April 2017)
- 62 Projekte gegen Tuberkulose (siehe IFPMA: R&D Pipeline for Tuberculosis vom März 2017) und Neue Medikamente gegen Tuberkulose
- 7 Projekte gegen Ebola (siehe IFPMA: R&D Pipeline for EBOLA vom April 2017)
- 109 Projekte gegen NTD (siehe IFPMA: Doing our part: Innovation to fight Neglected Tropical Diseases vom April 2017)
Zum Beitrag der pharmazeutischen Industrie hat die australische Nichtregierungsorganisation Policy Cures Research den jährlichen G-FINDER Report veröffentlicht. In seiner elften Ausgabe stellt der Bericht am bisher umfassendsten die weltweite Finanzierung von Forschung und Entwicklung (F&E) von Medikamenten und Diagnostika gegen Krankheiten dar, die vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer betreffen, darunter HIV/AIDS, Malaria, Tuberkulose oder die Schlafkrankheit. Demnach hat die Industrie allein im Jahr 2017 Beiträge im Wert von insgesamt 554 Mio. USD zu den weltweiten F&E-Bemühungen geleistet. Das entspricht in etwa 16% der gesamten globalen Finanzmittel. Wie in den Vorjahren zeigt der Report, dass die biopharmazeutische Industrie nach dem National Institute of Health (NIH) der USA und der Gates-Stiftung den drittgrößten Block zu den Investitionsanstrengungen beiträgt.
Der Bedarf für neue Medikamente ist je nach Krankheit unterschiedlich. Gegen Malaria und einige NTDs sind schon wirksame und verträgliche Medikamente verfügbar, z. B. gegen lymphatische Filariose (Elephantiasis), boden-übertragene Würmer und die Augenkrankheit Trachom – oder es gibt Impfstoffe wie im Fall der Tollwut; hier kommt es vorrangig darauf an, dass die Betroffenen nicht trotz vorhandener Medikamente unbehandelt bleiben. Die Behandlung mehrerer anderer Krankheiten ist hingegen bisher nebenwirkungsreich oder schwierig anzuwenden (etwa gegen Tuberkulose, Schlafkrankheit oder Chagas) oder kann die Krankheit nur zurückdrängen, nicht ausheilen (so im Fall der Echinococcose). Hier ist der Bedarf für neue therapeutische Medikamente groß ist. Aber auch bei Krankheiten, die wie die Flussblindheit oder Bilharziose grundsätzlich gut behandelbar sind, besteht teilweise Bedarf für weitere Medikamente, etwa schneller wirksame oder kindgerecht anwendbare. Und bei allen Krankheiten besteht die Gefahr, dass die Erreger gegen die vorhandenen Medikamente resistent werden.
Impfstoffe gibt es nur gegen eine dieser Krankheiten, die Tollwut. Bei allen anderen besteht Bedarf für Impfstoff-Entwicklung, soweit diese nicht (wie beim Schlafkrankheitserreger) aufgrund von Besonderheiten des Erregers gar nicht denkbar ist.
Zwingend nötig: Ausbau des Gesundheitswesens in betroffenen Ländern
Damit wirklich den Erkrankten und Gefährdeten geholfen werden kann, genügt es nicht, Medikamente zu liefern und neue zu entwickeln. Vielmehr sind weitere Anstrengungen in den betroffenen Ländern erforderlich. Jede Behandlung braucht einen Arzt, der sie anleitet, braucht sichere Lieferwege für die Medikamente, braucht auch ein Mindestmaß an Aufklärung über Gesundheit und Krankheit bei den Einwohnern. Wo den Menschen selbst das Geld für den Bus zum Arzt fehlt, ist eine nachhaltige Bekämpfung von Krankheiten nicht einmal mit gespendeten Medikamenten möglich. Hier müssen insbesondere Regierungen im Verbund mit Hilfsorganisationen und weiteren Akteuren ein Mindestmaß an Gesundheitsinfrastruktur schaffen – sonst bleibt auch aller Aufwand für die Entwicklung neuer Medikamente nutzlos.