Innovationsbilanz 2018: Viele Fortschritte durch neue Medikamente
Im Jahr 2018 haben forschende Pharma-Unternehmen 36 neue Medikamente auf den Markt gebracht (ohne Biosimilars), darunter zwölf gegen Krebs- und zehn gegen Stoffwechselerkrankungen. Dazu kamen noch neue Darreichungsformen für bekannte Medikamente, etwa für Kinder. Insgesamt sind diese Arzneimittel gegen mehr als 45 Krankheiten einsetzbar. Für viele Patientinnen und Patienten bedeuten die neuen Medikamente bessere Behandlungsmöglichkeiten; für einige sogar die erste gezielte Therapie überhaupt.
Die Neueinführung von 36 Medikamenten mit neuem Wirkstoff in einem Jahr ist überdurchschnittlich hoch. Im Zehnjahresschnitt kommen pro Jahr 32 Medikamente auf den Markt. Das veranschaulicht das folgende Diagramm. Mit einem Klick auf das Symbol oben rechts lässt es sich in verschiedenen Formaten herunterladen.
Diese Medikamente verteilen sich auf verschiedenen Krankheitsgebiete, wie das nachfolgende Diagramm zeigt. Auch dieses lässt sich mit einem Klick auf das Symbol oben rechts in verschiedenen Formaten herunterladen.
Medikamente mit neuem Wirkstoff und Medikamente mit neuer Darreichungsform / Kombination für bekannte Wirkstoffe
Zahlreiche Orphan-Medikamente
Hintergrund:
Medikamente gegen seltene Erkrankungen
Für die Behandlung seltener Krankheiten hat sich 2018 viel getan: Gleich 16 Medikamente mit neuem Wirkstoff haben den Orphan Drug-Status in der EU (2017 waren es 10). Er zeigt an, dass die EU-Arzneimittelbehörde EMA diese Medikamente gegen seltene Krankheiten als den bisherigen Therapiemöglichkeiten überlegen einstuft.
Interaktive Vergleichsgrafik:
Wie häufig ist häufig, wie selten ist selten
Als selten wertet die EU Krankheiten, an denen höchstens fünf von 10.000 EU-Bürgern leiden; das entspricht derzeit maximal 256.000 EU-Bürgern. So leiden derzeit rund 130.000 Menschen in der EU an der Gerinnungsstörung aTTP (erworbene thrombotische thrombozytopenische Purpura) und unter 5000 Menschen an der Stoffwechselstörung Alpha-Mannosidose, die zu kognitiven und Immundefiziten führt. Am Sly-Syndrom mit seinen Knochendeformationen und Sehstörungen leiden sogar weltweit weniger als 100 Menschen; es ist damit eine der seltensten bekannten Krankheiten überhaupt. Gegen alle drei Krankheiten kamen in diesem Jahr erstmals Medikamente heraus.
Das gute Dutzend neuer Orphan Drugs belegt, dass Pharma-Unternehmen ihren Teil zu einer besseren Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen leisten. Heute dauert es aber oft noch Jahre, bis diese Menschen überhaupt eine richtige Diagnose bekommen. Wir hoffen, dass hier das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen (NAMSE) in den kommenden Jahren einiges verbessern kann.»
Dass seit einigen Jahren vermehrt Orphan Drugs auf den Markt kommen, hat wegen der sehr kleinen Patientenzahl nur geringe finanzielle Auswirkungen: Auf Orphan Drugs entfallen pro Jahr nicht mehr als 3,7 % der Arzneimittelausgaben der Krankenkassen.
Neueinführungen gegen Krebserkrankungen
Wie schon in vergangenen Jahren werden rund ein Drittel der neuen Medikamente (12) gegen Krebserkrankungen eingesetzt.
Fast die Hälfte der Menschen in Deutschland erkrankt im Laufe ihres Lebens an der einen oder anderen Form von Krebs. Mit intensivem Engagement ist es den Pharma-Unternehmen gelungen, für sie weitere neue Therapien zu entwickeln. Für die Chancen der Betroffenen es wichtig, dass gegen jede Krebsart mehrere unter-schiedliche Mittel zur Verfügung stehen. Damit können auch resistent gewordene Krebszellen erreicht werden.»
Erstmals wurden 2018 zwei CAR-T-Zell-Therapien verfügbar. Bei diesen werden einem Patienten bestimmte Immunzellen (T-Zellen) entnommen und im Labor durch gentechnische „Nachrüstung“ zum Medikament gemacht. Nach ihrer Rückführung in den Körper können sie Krebszellen aufspüren und zerstören. Bislang kommt diese Behandlung nur für wenige Patienten mit bestimmten Leukämien oder Lymphomen in Betracht; und sie hat schwere Nebenwirkungen, die aber von Spezialisten beherrscht werden können. Sie bringt die Chance einer monate- oder sogar jahrelangen Tumorkontrolle mit sich.
Bei fünf weiteren Krebsmedikamenten wird über ihre Eignung im Einzelfall anhand eines Gentests beim Patienten entschieden; das folgt dem Konzept der Personalisierten Medizin. Die Weiterentwicklung der Personalisierten Medizin wurde im November von der Bundesregierung in ihrem ‚Rahmenprogramm Gesundheitsforschung‘ zu einer Priorität erhoben. Forschende Pharma-Unternehmen tragen mit ihren Medikamenten dazu bei, dieses Konzept in die praktische Anwendung zu bringen.
Neueinführungen gegen Stoffwechselkrankheiten
Es ist außergewöhnlich, dass in einem Jahr gleich zehn Medikamente für Patienten mit Stoffwechselerkrankungen herauskommen. Unter diesen befinden sich Medikamente gegen die Volkskrankheit Diabetes Typ 2 ebenso wie gegen einige seltene angeborene Stoffwechselstörungen. Zu diesen zählen Mukoviszidose, Transthyretin-Amyloidose, bestimmte Lipodystrophien, verschiedene Störungen der Harnstoff-Bildung sowie die schon erwähnten Krankheiten Alpha-Mannosidose und Sly-Syndrom.
Neueinführungen gegen weitere Krankheiten
Vier weitere Medikamente mit neuem Wirkstoff dienen der Behandlung von Entzündungskrankheiten – d.h. Krankheiten, denen eine Fehlsteuerung des Immunsystems zugrunde liegt. Die Darmkrankheit Morbus Crohn gehört dazu, ebenso die Psoriasis, das eosinophile Asthma und die Multiple Sklerose (MS). Für Patienten, bei denen diese Krankheit primär-progredient (d.h. ohne Regenerationsphasen) voranschreitet, stellt das Medikament von 2018 sogar die erste zugelassene Basistherapie dar.
Technik und Innovation:
Bundespräsident Steinmeier verleiht den Deutschen Zukunftspreis 2018
Unter den Medikamenten gegen Infektionskrankheiten befindet sich ein neuer Impfstoff gegen Gürtelrose (Herpes zoster). Gegen diese Krankheit empfiehlt die Ständige Impfkommission am Robert Koch Institut (STIKO) seit Dezember 2018 die Impfung für alle ab 60 Jahren; eine Entscheidung zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen steht allerdings noch aus. Weitere Medikamente bekämpfen HIV, den Darmkeim Clostridium difficile und das für immungeschwächte Patienten gefährliche Cytomegalovirus (CMV). Für das CMV-Medikament erhielten die Entwickler im November 2018 den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten.
Gegen Hämophilie A (Gerinnungsstörungen durch Mangel an Gerinnungsfaktor VIII) kamen zwei Medikamente heraus. Eins davon übernimmt die Funktion des Faktors VIII, ohne selbst ein solcher Faktor zu sein (es ist ein Antikörper). Es ist für Patienten zugelassen, bei denen wegen der Entwicklung von Hemmkörpern Faktor VIII-Präparate kaum wirksam sind.
Weitere Medikamente adressieren die Knochenerkrankung X-chromosomal vererbte Hypophosphatämie und die psychische Krankheit Schizophrenie. Für Patienten, die wiederkehrend an Migräne leiden, kam ein Medikament mit neuem Wirkprinzip zur Vorbeugung heraus. Die erworbene thrombotische, thrombozytopenische Purpura (aTTP), bei der es zu Blutgerinnseln in kleinen Blutgefäßen und Blutplättchenmangel kommt, kann nun mit einem Nanobody behandelt werden. Moleküle dieses Typs sind von Antikörpern abgeleitet, sind aber kleiner als diese.
Fortschritte für Kinder durch neue Darreichungsformen
Datenbank:
Arzneimittelzulassungen für Kinder
Fortschritte für Patienten haben Pharma-Unternehmen auch mit Medikamenten erzielt, die bekannte Wirkstoffe in neuer Darreichungsform verfügbar machen. So sind beispielsweise einige Medikamente nun in einer kleinkindgerechten Darreichungsform verfügbar (Granulat, Suspension o.ä.), etwa zur Behandlung von Neugeborenen-Diabetes oder Nebennieren-Insuffizienz.