Prämiert: Modelle für Lunge, Leber und Gelenke ersetzen Versuchstiere
Lungen- und Lebermodelle aus dem 3D-Drucker und Gelenkmodelle in Petrischale und Computer – für solche neuartigen Versuchssysteme haben zwei Forschungsgruppen am 11. Dezember 2019 den Preis des Landes Berlin für Alternativen zu Tierversuchen erhalten. Das Preisgeld von 40.000 Euro wurde geteilt. Finanziert wurde der Preis vom vfa.
Verleihung des Berliner Forschungspreises für Alternativen zu Tierversuchen 2019. V.l.n.r.: Dr. Siegfried Throm (vfa), Senator Dr. Dirk Behrendt (Berliner Senat), die Preisträger Dr. Rainald Ehrig und Dr. Annemarie Lang (Charité ‒ Universitätsmedizin Berlin und Zuse-Institut Berlin), die Preisträger Dr. Johanna Berg und Prof. Dr. Jens Kurreck (TU Berlin), Laudator Prof. Dr. Stefan Hippenstiel (Charité) und LAGeSo-Präsident Franz Allert
Mit der alle zwei Jahre vergebenen Auszeichnung werden Forschungsprojekte aus Berlin oder Brandenburg gefördert, die beitragen, den Einsatz von Versuchstieren zu verringern oder bei Tierversuchen die Belastung für die Tiere herabzusetzen. Denn Berlin hat das Ziel, Forschungshauptstadt für Ersatzmethoden zu werden, wie der Berliner Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dr. Dirk Behrendt, bei der Preisverleihung betonte.
Drucken und infizieren
Die Preisträger Dr. Johanna Berg und Prof. Dr. Jens Kurreck (TU Berlin)
Den Preisträgern Dr. Johanna Berg und Prof. Dr. Jens Kurreck vom Institut für Biotechnologie der Technischen Universität Berlin ist es gelungen, mit 3D-Biodruckverfahren Modelle für Lunge und Leber aus lebenden menschlichen Zellen zu erstellen. Zwar bieten diese nicht alle Funktionen der echten Organe, doch können sie ebenso wie diese von Grippe- (Lunge) oder Adenoviren (Leber) befallen werden. Damit ist erstmals belegt, dass solche Modelle tatsächlich einen Teil der Versuchstiere in der Infektionsforschung ersetzen können. Gedacht sind sie unter anderem für die Arzneimittelforschung gegen Virusinfektionen.
Um ihre tiersparenden Modelle schnell zu etablieren, weisen Berg und Kurreck auch zahlreiche Masterstudierende und Promovierende in die neuen Techniken ein.
Gelenkersatz der anderen Art
Die Preisträger Dr. Annemarie Lang und Dr. Rainald Ehrig (Charité ‒ Universitätsmedizin Berlin und Zuse-Institut Berlin)
Prämiert wurde auch die Entwicklung eines Zellkultur- und eines Computermodells für Gelenkknorpel. In diesen lassen sich Knorpelveränderungen nachbilden, wie sie bei Arthrose-Patienten auftreten. Gelungen ist das durch eine institutsübergreifende Zusammenarbeit: Die Preisträgerin Dr. Annemarie Lang arbeitet in der Berliner Charité – Universitätsmedizin (medizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie). Ihr Mit-Preisträger Dr. Rainald Ehrig ist am Julius Wolff Institut für Biomechanik und Muskuloskeletale Regeneration der Charité tätig, zudem aber auch am Zuse-Institut Berlin.
Gemeinsam arbeiten sie nun daran, in ihren Modellen sogar ganze Gelenke so nachzubilden, dass neben der Arthrose auch rheumatische Entzündungen simuliert und potenzielle Therapien getestet werden können. Dann könnte die Rheuma-Forschung weitaus weniger Tiere als heute benötigen. Die Modelle könnten nach Einschätzung der Entwickler sogar die Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse auf den Menschen verbessern.
Ein Preis mit Signalwirkung
Initiiert und koordiniert wird der Berliner Forschungspreis für Alternativen zu Tierversuchen seit 2011 vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), das auch für veterinärmedizinische Belange in Berlin zuständig ist. Der Preis solle insbesondere den wissenschaftlichen Nachwuchs anregen, gezielt Ersatzmethoden zu entwickeln, erklärte LAGeSo-Präsident Franz Allert bei der Preisübergabe.
Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung beim Sponsor des Preises, dem Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)
Ebenfalls seit 2011 als Sponsor dabei ist der Verband der forschen Pharma-Unternehmen.
Der Preis hat Signalwirkung weit über Berlin und Brandenburg hinaus. Er zeigt, dass Politik, Veterinärmedizin und Industrie es wahrnehmen und wertschätzen, wenn an Tieralternativen geforscht wird.»
Mehr zu Tierversuchen und Alternativen bei den forschenden Pharma-Unternehmen findet sich im Dossier „Tierversuche und Tierschutz in der Pharmaindustrie“.
Die Mitgliedsunternehmen des vfa seien bestrebt, Jahr für Jahr mit weniger Tieren auszukommen, so Throm. Sie arbeiteten daher auch selbst an Alternativen zu Tierversuchen. Zudem unterstützten sie wie der vfa die Entwicklung neuer tiersparender Methoden an Universitäten, Forschungs- und Fortbildungseinrichtungen. Der vfa engagiere sich beispielsweise bei der „Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen“.