In Labors und Kliniken – Der Beitrag Deutschlands
Die Medikamente, die in der Erhebung erfasst sind, wurden in Labors rund um den Globus erfunden, und ihre Erprobung fand oder findet fast durchgehend in länderübergreifenden Studien statt. Deutschland hat aber an diesem internationalen Arzneimittel-Entwicklungsgeschehen einen wesentlichen Anteil.
Klinische Erprobung
Aus der Erhebung geht hervor, dass Kliniken oder Arztpraxen in Deutschland an 80 % aller erfassten Projekte mitwirken, durch Beteiligung an den klinischen Studien. Die meisten Medikamente und ihre Anwendungsarten, die in Deutschland zum Einsatz kommen, werden also zuvor auch unter deutscher Beteiligung erprobt.
Das gilt in besonderem Maße für die Gentherapien der Erhebung: bei 13 von 15 Projekten (87 %) sind deutsche medizinische Einrichtungen an der Erprobung beteiligt. Das ist eine erhebliche Steigerung gemessen daran, dass Gentherapien in den letzten Jahren weitgehend in den USA und China entwickelt wurden, ohne Mitwirkung deutscher
Kliniken.
Deutsche medizinische Einrichtungen sind auch an 10 von 12 Projekten (83 %) beteiligt, bei denen zum Medikament noch eine App für die Patienten entwickelt wird.
Vergleicht man das Ergebnis mit früheren Erhebungen, sieht man allerdings ein Absinken des deutschen Anteils. So waren deutsche Kliniken und Praxen bei der Erhebung von 2017 noch an 87 % der Projekte beteiligt.
Auch im Länder-Rang ist Deutschland in den letzten Jahren bei der Zahl der Industrie-finanzierten Studien zurückgefallen. UK steht hier europaweit mittlerweile auf Platz 1 (und weltweit auf Platz 2 nach den USA), Deutschland folgt erst danach.
Wirkstoff-Erfindung
Von den 161 neuen Wirkstoffen, die in den erfassten Projekten zum Einsatz kommen, sind 19 (12 %) unter maßgeblicher Beteiligung deutscher Labors erfunden worden. Unter ihnen finden sich gentechnische ebenso wie chemisch-synthetische Wirkstoffe, darunter auch ein Gentherapeutikum auf Basis von synthetischer RNA. Medizinisch reicht das Anwendungsspektrum dieser Wirkstoffe von Krebserkrankungen über Entzündungskrankheiten bis hin zu Diabetes Typ 2, Herz- Kreislauf- und neurodegenerativen Krankheiten.
Geht man davon aus, dass rund die Hälfte aller Wirkstoffe in US-Labors entwickelt werden,1 bedeutet das, dass ein Viertel aller sonstigen Wirkstoffe aus deutschen Industrielabors kommt – kein schlechter Wert, wenn man berücksichtigt, dass auch die Schweiz, Frankreich, UK, Italien, Belgien und Japan wichtige Länder für Wirkstofferfindung sind.
Ähnlich stark waren deutsche Labors auch in der Vergangenheit an den neuen Wirkstoffen beteiligt. Bei der entsprechenden Erhebung 2017 kamen ebenfalls 19 Wirkstoffe von hier, 2015 sogar 21.
Längst nicht alle Unternehmen, die in ihren deutschen Labors Wirkstoffe erfinden, haben auch ihren Hauptsitz hierzulande. Bei einigen liegt er in den USA, Frankreich, Japan oder der Schweiz. Das zeigt, dass Deutschland international als Wirkstoffschmiede geschätzt wird – ein Status, der aber nur durch ständige Fortentwicklung gehalten werden kann.
vfa-Präsident Han Steutel zum Standort Deutschland
Deutschland muss wieder Europameister bei klinischen Studien werden
Seit 2017 ist Deutschland in Europa zurückgefallen: erst auf Platz 2 hinter Großbritannien, womöglich bald auch noch hinter Spanien. Ich spreche von der Mitwirkung von Kliniken und Arztpraxen des Landes an klinischen Studien der Pharmafirmen zu neuen Medikamenten und Therapien. Ein weiteres Warnzeichen: Die ersten erfolgreichen Gentherapien gegen Krebserkrankungen und Erbkrankheiten sind fast völlig außerhalb Deutschlands erprobt worden.
Warum für Deutschland ein Top-Rang bei klinischen Studien wichtig ist? Nun, dieser Parameter sagt viel über die Leistungskraft und Zukunftsfähigkeit des Landes. Schließlich geht es darum, ob Patienten und Patientinnen frühzeitigen Zugang zur Medizin der Zukunft haben, ob deutsche Medizin innovative Therapien mitgestalten kann und ob forschende Pharma-Unternehmen wieder mehr von ihrem internationalen Studienbudget in Deutschland ausgeben.
Deshalb muss schnell einiges besser werden, damit der Platz 1 in Europa zurückgewonnen wird: Denn auf Studiengenehmigungen müssen Unternehmen bei deutschen Behörden oft weit länger warten als in anderen EU-Ländern. Immer wieder zeigen sich Schwächen in der Abstimmung verschiedener Institutionen, die für Studien zuständig sind. Und auch die Vertragsverhandlungen mit deutschen Kliniken gestalten sich oft langwierig.
Platz 1 muss man wollen! Erreichbar ist er, wenn alle Beteiligten entschlossen zusammenarbeiten.