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Deutschland als Standort für Gen- und Zelltherapien

Institute und Unternehmen haben in den letzten Jahren einiges dafür getan, dass Deutschland doch noch Anschluss an die internationale Entwicklung bei Gen- und Zelltherapien finden kann. Mit einer Nationalen Strategie für gen- und zellbasierte Therapien, die unter Moderation des Berlin Institute of Health (BIH) erarbeitet wurde, soll dieses Engagement nun weiter verstärkt werden. Am 12. Juni 2024 wurde sie in Berlin der Bundesforschungsministerin übergeben.

Eine KI-generierte Collage zum Thema Gen- und Zelltherapien in Blautönen

Die Bedeutung von Gen- und Zelltherapien für die Medizin wächst stetig – insbesondere für die Behandlung ansonsten austherapierten Krebspatient:innen und Menschen mit seltenen angeborenen Gendefekten. 15 Gentherapien und zwei Zelltherapien sind mittlerweile in der EU zugelassen (siehe Übersicht hier), viele weitere weltweit in Entwicklung.

Bis 2019 hatte Deutschland an diesem Trend nur geringen Anteil, wie der Biotech-Report 2020 von vfa und BCG konstatierte. Deutschland drohe, so hieß es, bei der klinischen Entwicklung von Gen- und Zelltherapien und dem Transfer von Forschungsergebnissen in marktfähige Produkte den Anschluss an China und die USA zu verlieren. Nur eine starke Grundlagenforschung zu diesem Gebiet zu haben, genüge dafür nicht.

Ein vitaler Standort für Gen- und Zelltherapien zeichnet sich dadurch aus, dass Institute, Unternehmen bzw. Kliniken in sechs „Disziplinen“ aktiv sind: Grundlagenforschung, präklinische Entwicklung, klinische Entwicklung, Produktion, Versorgung und Vernetzung. In Deutschland stellt sich das so dar:

  • Forscher:innen in Deutschland sind sehr aktiv in der Grundlagenforschung zu durch Gen- und Zelltherapien adressierbaren Krankheiten und biologischen Phänomenen, die für Gen- und Zelltherapien genutzt werden können. Da hat Deutschland laut der Studie „Technologische Souveränität Pharma/Biotech“ von Fraunhofer ISI (2023) seinen Output an themenbezogenen Fachpublikationen nach 2018 erheblich gesteigert, auf rund 600 im Jahr 2021 – gleichauf mit UK und nur überboten von China und den USA mit jeweils mehreren tausend Artikeln (aktuellere Zahlen sind leider noch nicht verfügbar).
  • Präklinische Entwicklung für konkrete Gen- und Zelltherapien findet ebenfalls in Deutschland statt. Hiesige Forschung zu als Vektoren geeigneten Viren ist beispielsweise in die Entwicklung einiger zugelassener Therapien eingeflossen. Entwickelt werden in Labors hierzulande unter anderem Gentherapien gegen angeborene Gendefekte, aber auch therapeutische mRNA-Impfungen für die Krebsbehandlung – sie zählen ebenfalls zu den Gentherapien. Einige davon haben auch schon das Laborstadium verlassen und werden mit Patient:innen erprobt.
  • An der klinischen Entwicklung, also bei Studien mit Patient:innen zur Erprobung von Gen- und Zelltherapien, wirken deutsche medizinische Einrichtungen vielfach mit. Für 2023 wurden 78 solche Studien gezählt, siehe „Monitor ATMP-Standort Deutschland“ des vfa. In UK waren es allerdings 84, in den USA und China jeweils mehr als 550. Erprobt werden hierzulande sowohl Therapien aus deutscher wie sonstiger präklinischer Entwicklung.
  • Für die kommerzielle Produktion von Gen- und Zelltherapeutika verfügt Deutschland über Ausrüster und Dienstleister. Entwicklungsarbeit fließt in die Teilautomatisierung von Herstellungsschritten. Einige Kliniken haben im Rahmen der „Hospital Exemption“ die Erlaubnis, unter ärztlicher Verantwortung und nur für einzelne Patient:innen Gen- oder Zelltherapeutika herzustellen, die keine formale Marktzulassung haben.
  • Versorgung der Patientinnen und Patienten: In Deutschland werden 13 der 15 zugelassenen Gentherapien und beide Zelltherapien zumindest in einigen Kliniken durchgeführt (eine weitere Gentherapie können deutsche Patient:innen in Mailand erhalten).
  • Vernetzung hat bereits in einigen Fällen zwischen verschiedenen im Themenfeld aktiven Playern stattgefunden. Dem Zweck, diese weiter zu fördern, dient auch seit März 2024 eine Kooperation von Deutscher Gesellschaft für Gentherapie (DG-GT) und vfa. Vier deutsche Einrichtungen (Kliniken oder Institute) wirken auch am EU-Programm Join4atmp.eu mit, das das wirtschaftliche Risiko der Entwicklung von Gen- und Zelltherapien senken und solche Therapien in der EU besser verfügbar machen soll.

Deutschland ist also in allen “Disziplinen” vertreten, aber die Aktivität ist noch ausbaufähig.

Die Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien

Eine "Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien", die von zahlreichen Expert:innen aus der akademischen Wissenschaft, der Industrie (u.a. dem vfa) und dem Gesundheitswesen unter Koordination durch das Berlin Institute of Health (BIH) erarbeitete wurde, wurde am 12. Juni 2024 der damaligen Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger übergeben. Sie soll helfen, Deutschlands Aktivitäten in allen Feldern auszuweiten. Gerade in puncto Vernetzung hat sich bereits die gemeinsame Erarbeitung der Strategie in gemischten Arbeitsgruppen positiv bemerkbar gemacht.

Doch nur wenn anschließend alle beteiligten Stakeholder entschlossen und gemeinsam an der Umsetzung arbeiten, hat Deutschland eine Chance, sich in eine führende Rolle bei diesen Zukunftstechnologien zu bringen und das zu verwirklichen, was die Nationale Gen- und Zelltherapie als wichtigstes Ziel ansieht: dass immer mehr Patienten und Patientinnen geholfen werden kann.