Biotech-Report 2023: Die automatische Substitution braucht es nicht
Bei chemisch-synthetisch hergestellten Wirkstoffen werden Original-Arzneimittel nach Patentablauf zugunsten der Wirtschaftlichkeit gegen Nachahmerpräparate, sogenannte Generika, ausgetauscht. Auf Biopharmazeutika findet diese Regelung bisher keine Anwendung. Zahlen des diesjährigen Biotech-Reports zeigen, weshalb es die automatische Substitution nicht braucht.
Biologika, Biosimilar, Bioidentical
Der Begriff Biologika bezeichnet alle biotechnologisch hergestellten (also mit Hilfe von lebenden Zellen) Wirkstoffe. Biosimilars sind Referenzarzneimittel zum Original-Biologikum. Sie ähneln dem Original und sind mit der gleichen Wirkstoff-Bezeichnung deklariert. Aufgrund der unterschiedlichen Herstellungsprozesse gelten sie in Bezug auf die Substitution (Austauschbarkeit) nur als ähnlich (similar) nicht gleich (identical). Tatsächlich gleiche Biologika, die sogenannten Bioidenticals, dürfen in der Apotheke ausgetauscht werden. Die Liste der betreffenden Fertigarzneimittel findet sich in der Anlage 1 des Rahmenvertrages.
Mit Ablauf der Marktexklusivität durch Patente, Unterlagenschutz oder andere Schutzinstrumente von Biopharmazeutika können Biosimilars auf den Markt kommen, die ähnlich (similar) zum Referenzprodukt sind und keine klinisch relevanten Unterschiede in Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit gegenüber dem Referenzprodukt aufweisen.
Im Jahr 2006 wurde das erste Biosimilar in der EU zugelassen: Somatropin zur Behandlung von Wachstumsstörungen. Seither sind viele weitere Biosimilars hinzugekommen. Der Gesamtumsatz aller Biosimilars nimmt seit 2007 jedes Jahr zweistellig zu. Die durchschnittliche jährliche Steigerungsrate beträgt 57 %. In den letzten Jahren wurde das Umsatzwachstum durch besonders viele Zulassungen für biosimilare Antikörper (Infliximab, Rituximab, Trastuzumab, Adalimumab, Bevacizumab) angetrieben. Im Jahr 2022 erzielten die Biosimilars am deutschen Markt einen Umsatz von € 2.324 Mio. (+7 %) (2021: € 2.182 Mio.).
Eine Übersicht über alle zentralisiert in der EU zugelassenen Biosimilars findet sich hier.
Biosimilars erzielen massive Einsparungen
Wo Biosimilars in Konkurrenz zu Originalen stehen (biosimilarfähiger Markt), erzielen sie im Schnitt inzwischen einen Umsatzanteil von 64 % (2021: 60 %). Mit diesem stetig wachsenden Umsatzanteil sorgen Biosimilars bereits für massive Einsparungen.
Rabattverträge mit Krankenkassen
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich auch die Anbieter von Originalpräparaten dem Wettbewerb stellen: So schließen sie beispielsweise entsprechende Rabattverträge mit den Krankenkassen ab. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Biosimilars bereits im ersten Jahr nach ihrer Einführung in Deutschland Marktanteile von bis zu 80 % gewinnen. Im Anschluss wächst ihr Marktanteil weiter, z. B. auf 95 % für Bevacizumab, 94 % für Rituximab, 91 % für Infliximab und 87 % für Trastuzumab (Stand: Ende 2022).
Der Wettbewerb funktioniert
Fünf gute Gründe gegen die automatische Substitution von Biopharmazeutika
Diese Zahlen bestätigen: Der Wettbewerb funktioniert sowohl im Hinblick auf das Tempo der Marktdurchdringung der Biosimilars als auch im Hinblick auf ihre aktuellen Verordnungsanteile. Die Marktdurchdringung von Biosimilars ist dabei von vielen Faktoren abhängig, darunter von der Höhe des Preisunterschieds zum Originalpräparat – dessen Hersteller ebenso preislich auf den Wettbewerb reagieren kann – und der Zahl der verfügbaren biosimilaren Produkte. Es liegt im Verantwortungsbereich der Ärzt:innen, im jeweiligen Verordnungsfall abzuwägen, welches der Therapie-Optionen für welche Patient:innen, unter Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebots, am besten geeignet ist.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Biosimilars in Deutschland ein sehr starkes Wachstum aufweisen und bereits im ersten Jahr nach ihrer Markteinführung signifikante Marktanteile gewinnen. Die wettbewerbliche Dynamik biopharmazeutischer Therapieoptionen ist längst in vollem Gang und trägt zur Verbesserung der Versorgung von Patient:innen bei. Weitere politische Interventionen wie die ab August 2023 geplante – und damit bereits um ein Jahr verschobene – automatische Substitution von Biopharmazeutika zur parenteralen Anwendung in der Apotheke sind in diesem Zusammenhang weder erforderlich noch hilfreich. Von der derzeit geplanten Regelung sind zunächst parenteral durch Ärzt:innen zu verabreichende Darreichungsformen betroffen.