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Niedrige Impfquote: Warum es nicht nur an Impfmüdigkeit liegt

Trotz hoher Impfquoten bei Säuglingen und Kindern bleibt der Impfschutz bei Jugendlichen und Erwachsenen in Deutschland unzureichend. Gründe dafür liegen weniger in Impfmüdigkeit als in strukturellen Hürden und fehlender Zugänglichkeit.

Ansicht von oben. Mensche (eher jüngeren Alters) sitzen im Kreis und diskutieren. Man sieht Beine und Stühle und Hände. Kaum Gesichter.

Seit Jahren stagniert der Impfschutz in der Bevölkerung in Deutschland. Die Impfquoten der Schutzimpfungen für Säuglinge und Kinder sind vergleichsweise hoch. Hier wurden in der Vergangenheit überwiegend Quoten von über 90 Prozent erreicht. In den vergangenen Jahren beobachtete das Robert Koch-Institut (RKI) allerdings ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Nachlassen der Impfquoten.(1) Hinzu kommt, dass viele Impfserien später als von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen abgeschlossen werden, beispielsweise, wenn es um den Schutz durch die Sechsfach-Impfung unter anderem gegen Kinderlähmung und Diphtherie geht. Bedenklich sieht es bereits beim Infektionsschutz der Jugendlichen und Erwachsenen aus. Hier sind die Impfquoten seit Jahren niedrig – ohne Aussicht auf eine Trendwende – und hinken den Empfehlungen hinterher.

Der Bevölkerung eine generelle „Impfmüdigkeit“ oder gar „Impfskepsis“ zu unterstellen, wird der Sache nicht gerecht. Denn für ihre Kinder kümmern sich ja immer noch deutlich mehr Erwachsene um die Impfungen als für sich selbst. Nur wenn es um den eigenen Impfstatus geht, dann scheint den Erwachsenen wie auch schon den Jugendlichen etwas im Wege zu stehen.

Schutzimpfungen müssen unaufwendig sein

Der einfache Blick in den Impfpass

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Roll-out der elektronischen Patientenakte (ePA) bieten hier eine einmalige Chance. Ein digitaler Impfpass, der nicht vergessen oder verlegt werden kann, bietet für jede und jeden Versicherten einen enormen Mehrwert. Weil er stets verfügbar und abrufbar ist, kann er auch jederzeit hinsichtlich anstehender und neuer Impfungen überprüft werden, egal ob in der Arztpraxis, der Apotheke oder beim Gesundheitsamt. Gleichzeitig können die Versicherten frühzeitig und personalisiert an die anstehenden und infrage kommenden Schutzimpfungen erinnert werden.

Impfungen als lohnende Investition

Mit niedrigschwelligem Zugang und elektronischem Impfpass allein ist es jedoch nicht getan. Zur nachhaltigen Anhebung der Impfquoten bedarf es einer umfassenden und fein abgestimmten Strategie. Und diese erwächst am besten aus dem Zusammenspiel von klar formulierten, konkreten Impfzielen, Impfempfehlungen und Maßnahmen zur Umsetzung. Denn erst wenn klar ist, wo sich die Impfquoten hinentwickeln sollen, lassen sich solche Maßnahmen ableiten. Dafür bedarf es allerdings einer zielführenden Vernetzung und effizienten Koordinierung aller Akteure des Impfwesens. Zu diesen gehören neben den Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Gesundheitspolitik und Forschung auch die Leistungserbringerinnen und -erbringer, die Kostenträger und die Impfstoffhersteller. Dies wurde bereits im Nationalen Impfplan (NIP) aus dem Jahr 2012 als zentrale Maßnahme identifiziert.(2) Ausreichende Mittel für die dringend notwendige Aktualisierung des NIP sowie die Stärkung der relevanten Stellen des Impfwesens, vor allem der STIKO, des RKI und der Nationalen Lenkungsgruppe Impfen (NALI) sollten dabei keine Hürde darstellen. Immerhin zeigen Daten, dass sich Investitionen in Schutzimpfungen in vielerlei Hinsicht wortwörtlich auszahlen. Das Office of Health Economics in London hat berechnet, dass Investitionen in Impfungen für Erwachsene sich durch Effekte auf Wirtschaftsleistung und Gesundheitsschutz bis zu 19-fach rentieren können(3) , in Deutschland sogar bis zu 22-fach.(4)

Höhere Impfquoten gelingen nur gemeinsam

Impfungen schützen nicht nur Individuen; die gesamte Gesellschaft profitiert von ihnen. Impfen geht alle an. Deshalb lassen sich auch die Impfquoten nicht durch einzelne isolierte Aktionen und Aktivitäten nachhaltig erhöhen. Das kann nur gelingen, wenn alle relevanten Akteure dies gemeinsam angehen. Wenn es jetzt gelingt, pragmatisch zu handeln, die relevanten Akteure zu stärken, vielversprechende Ideen schnell umzusetzen und Impfungen den Menschen bequem und einfach zugänglich zu machen, ist schon sehr viel gewonnen.

Quellen

(1) https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/Epidemiologisches-Bulletin/2024/50_24.pdf?__blob=publicationFile&v=5

(2) https://www.nali-impfen.de/fileadmin/pdf/NationalerImpfplan.pdf

(3) https://www.ohe.org/publications/the-socio-economic-value-of-adult-immunisation-programmes/https://ilcuk.org.uk/wp-content/uploads/2018/11/Adult-vaccination_a-key-component-of-health-ageing.pdf

(4) ttps://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7188416335779954688?updateEntityUrn=urn%3Ali%3Afs_updateV2%3A%28urn%3Ali%3Aactivity%3A7188416335779954688%2CFEED_DETAIL%2CEMPTY%2CDEFAULT%2Cfalse%29