vfa-Impfdashboard
Wie sich die Nachfrage nach Impfungen gegen einzelne Krankheiten in Deutschland entwickelt hat, lässt sich anhand der entsprechenden Verordnungen der GKV abschätzen. Das folgende Diagramm zeigt, wie sich diese Verordnungszahlen zwischen 2018 und 2023 entwickelt haben.
Durch Anklicken der Krankheitsnamen im Dropdown-Menü oben links über dem Diagramm können Sie auswählen, welche Zeitreihen einzeln angezeigt werden sollen. So können Sie beispielsweise die Entwicklungen bei den Masern- und Tetanus-Impfungen vergleichen.
Trends im Impfverhalten
Aus den jährlichen Verordnungen von Impfstoffen zulasten der GKV lassen sich zwar nicht alle Impfungen in Deutschland ersehen, doch machen sie trotzdem Trends im Impfverhalten sichtbar. So lässt sich beobachten, welche Impfungen im Jahr 2023 beispielsweise häufiger wahrgenommen wurden als in den Jahren zuvor oder welche Impfungen in den Pandemiejahren vernachlässigt bzw. bevorzugt worden sind. Daraus lassen sich auch Veränderungen im Impfschutz in der Bevölkerung abschätzen – wenn auch nicht exakt quantifizieren (s. Infobox "Datenlage zu den Impfquoten in Deutschland" weiter unten).
Ein großer Vorteil ist, dass die Verordnungsdaten zeitnah zur Verfügung stehen. Das hier präsentierte Diagramm ist daher als Hilfsmittel gedacht, das den Fokus auf erste Auffälligkeiten richtet, bis zu einem späteren Zeitpunkt die umfassendere Auswertung der Impfsurveillance des RKI vorliegt. Das Diagramm orientiert sich an den meisten üblichen Impfungen, die von gesetzlich Versicherten wahrgenommen werden; aus verschiedenen Gründen werden folgende Bereiche bei der Ermittlung von Impftrends im Diagramm nicht berücksichtigt:
- privat bezahlte Reiseimpfungen (z. B. gegen Gelbfieber oder Tollwut),
- privat bezahlte Grippeimpfungen (von gesunden Erwachsenen unter 60 Jahren),
- betriebsärztliche Impfungen (v. a. gegen Grippe),
- Impfungen, die noch nicht durch die Ständige Impfkommission bewertet wurden (z. B. gegen RSV-Infektionen).
- Covid-19-Impfungen (die verfügbaren Impfstoffe wurden – und werden z. T. weiterhin – von der Bundesregierung beschafft und zentral zur Verfügung gestellt. Somit sind sie noch nicht vollständig zum GKV-Bereich zuzurechnen), und
- von der PKV erstattete Impfungen.
Bei den Verordnungen zu Lasten der PKV ist allerdings zu erwarten, dass sie über die Zeit den gleichen Trends folgen wie die GKV-Verordnungen.
Eine Verordnung bezieht sich stets auf nur eine Impfdosis. Für eine vollständige Immunisierung gegen Rotainfektionen muss beispielsweise zweimal eine Impfdosis verabreicht und folglich auch zweimal verordnet werden. Bei HPV hängt die Zahl der für die vollständige Immunisierung erforderlichen Impfdosen hingegen vom Alter der Geimpften ab.
Datenlage zu den Impfquoten in Deutschland
Aktuelle Daten zu den Impfquoten sind wichtig für das Steuern von Maßnahmen für die öffentliche Gesundheit. Dazu wurde am RKI die Auswertung der Daten der Kassenärztlichen Vereinigungen eingerichtet (KV-Impfsurveillance), die seit 2020 gesetzlich verankert ist. Im jüngst aktualisierten Projekt VacMap werden diese Daten übersichtlich und frei zugänglich präsentiert. Prozessbedingt unterliegt die KV-Impfsurveillance einem zeitlichen Verzug, der noch verschärft wird, wenn weitere Faktoren die Veröffentlichung verzögern. So konnten die aktuellen Auswertungen der Daten von 2021 nicht wie üblich Ende 2023 veröffentlicht werden, sondern werden voraussichtlich erst im Laufe des Jahres 2024 vorliegen. Die hier vom vfa veröffentlichen Impfverordnungsdaten aus dem GKV-Bereich bieten dafür keinen Ersatz, können aber helfen, diese Informationslücke zu überbrücken.
Was die Graphen erkennen lassen
Die Veränderungen von Jahr zu Jahr lassen sich gut in Balkendiagrammen veranschaulichen:
- HPV-bedingte Krebserkrankungen: Die Verordnung von Impfstoffen gegen Humane Papillomaviren (HPV) und zur Vorbeugung der damit assoziierten Krebserkrankungen (Gebärmutterhalskrebs, Analkrebs, Peniskrebs u. a.) stagniert bei rund 1 Mio. Impfdosen. Der leichte Anstieg der Verordnungen in 2023 nach dem starken Rückgang in den Pandemiejahren 2021 uns 2022 könnte ein Hinweis auf vermehrte Nachholimpfungen sein. Von den Verordnungszahlen von 2019 ist 2023 aber noch ein gutes Stück entfernt.
- Influenza (Grippe): Die erhöhten Verordnungszahlen in den Jahren 2020 und 2021 dürften auf das während der Pandemie verstärkte Bewusstsein für den Sinn von Schutzmaßnahmen gegen Atemwegsinfekte zurückgehen.
- Masern, Mumps, Röteln: Die Zahl der Verordnungen ergibt sich aus Impfungen zur Grundimmunisierung von Säuglingen/Kleinkindern und Nachholimpfungen für Jugendliche und Erwachsene. Fast immer wurden diese mit Kombiimpfstoffen gegen Masern/Mumps/Röteln oder Masern/Mumps/Röteln/Windpocken durchgeführt. Dass Nachholimpfungen enthalten sind, lässt sich daran erkennen, dass mit den 1,99 Mio. verordneten Impfdosen von 2023 rein rechnerisch die Grundimmunisierung von 995.000 Kindern und damit von mehr als einem ganzen Jahrgang (einschl. privat versicherter Kinder) möglich gewesen wäre. Der Spitzenwert von 2,85 Mio. Impfdosen wurde 2020 vermutlich durch zusätzliche Nachholimpfungen infolge der neuen Masern-Impfpflicht erreicht. Dass die Verordnungszahlen seither abfallen, wird zum Teil durch die seit 2021 leicht sinkende Geburtenzahl beeinflusst.
- Pneumokokken: Der Spitzenwert von 2020 bei den Verordnungen ist möglicherweise eine Folge der Impfempfehlungen des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn.
- Rota-Infektionen: Seit 2021 folgt die Kurve der von Jahr zu Jahr leicht sinkenden Geburtenzahl (Geburten 2023: ca. 690.000).
Die Trends bei einigen anderen Impfungen wie Gelbfieber oder Typhus lassen sich vermutlich im Zusammenhang mit der Zahl der Fernreisen deuten.
Geringe Abfärbe-Effekte durch Corona-Impfungen
In der Corona-Pandemie wurden in Deutschland circa 190 Millionen Dosen an Covid-19-Impfstoffen verimpft. Insgesamt ist zu erkennen, dass die intensiven Impfaktionen gegen Covid-19 die Bereitschaft in der deutschen Bevölkerung zu weiteren Impfungen gegen andere Krankheiten weder nachhaltig gesteigert noch gedämpft haben. Es gab also keinen nachhaltigen "Abfärbe-Effekt" durch die Covid-19-Impfungen.
Wesentliche und nicht nur vorübergehende Steigerungen der Impfzahlen hat es im Beobachtungszeitraum nur gegen zwei Krankheiten gegeben: gegen Gürtelrose bei Menschen ab 60 Jahren und gegen Meningokokken-B-Infektionen bei Kindern. Bei beiden Impfungen stagnierten die Verordnungszahlen aber zuletzt.
Jetzt die Weichen für zeitnahe Impfquoten stellen
Das dokumentiert einmal mehr, dass in Deutschland ein struktureller Verbesserungsbedarf angegangen werden muss, bevor die Impfziele der WHO erfüllt werden können. Um diese Ziele zu erreichen, ist die zeitnahe Kenntnis der Impfquoten unbedingt erforderlich. Die hier präsentierten Verordnungsdaten sind zwar früh verfügbar, aber nur bedingt geeignet. Neue digitale Prozesse, die gewährleisten, dass alle dokumentierten Impfungen schnell erfasst werden, könnten dies viel besser ermöglichen. Die Digitalgesetze ebnen dafür den Weg, der jetzt bei der Implementierung konsequent weiter beschritten werden muss.
Zusätzlich sollten vor allem solche Maßnahmen ergriffen werden, die das Impfen für grundsätzlich daran interessierte Bürger:innen einfacher machen, wie etwa der Ausbau niedrigschwelliger Impfangebote.