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Preis für künstliche Haut als Alternative zu Versuchstieren

Prof. Dr. Günther Weindl, Pharmakologe an der FU BerlinDie Hautstückchen in der roten Nährlösung sind nur so groß wie ein Fingernagel. Doch sie könnten in Zukunft helfen, dass Chemikalien und Arzneimittel nicht mehr unbedingt an Meerschweinchen und Mäusen getestet werden müssen. Für die Entwicklung seines neuartigen Hautmodells wurde der Professor Dr. Günther Weindl (Freie Universität Berlin), am 09.08.2013 mit dem Preis des Landes Berlin zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden für Tierversuche ausgezeichnet. Das Preisgeld von 15.000 Euro wurde vom vfa gestiftet.

Mit dem Preis sollen Forschungsarbeiten unterstützt werden, mit denen künftig die Zahl der Tierversuche reduziert werden kann. Hierfür liefert das von Preisträger Prof. Weindl und seinen Mitarbeitern in rund zehnjähriger Arbeit entwickelte Hautmodell einen neuen, vielversprechenden Ansatz. Weindl ist seit 2011 Professor für Pharmakologie an der Freien Universität Berlin.


Künstlich und doch abwehrbereit

Verschiedene Formen von Haut aus dem Labor gibt es schon seit rund 30 Jahren, aber keine kann menschliche Haut bislang in allen wesentlichen Aspekten nachbilden. Insbesondere die Fähigkeit menschlicher Haut zur Immunabwehr fehlte bisherigen Hautmodellen völlig.

In natürlicher Haut fungieren sogenannte Langerhans-Zellen als Wächter, die darüber entscheiden, ob eingedrungene Fremdkörper (etwa Bakterien) oder Fremdstoffe vom Immunsystem bekämpft werden sollen. Wenn ja, alarmieren sie für solche Reaktionen andere Abwehrzellen. Hierdurch kommt es zu einer Entzündungsreaktion in der Haut, auf deren Nachweis letztlich die Verträglichkeitstests für neue Substanzen und Wirkstoffe in Tierversuchen beruht.

Weindl gelang es, seiner Haut aus dem Labor zumindest mit rudimentären Immunfunktionen auszustatten. Als Ausgangsmaterial für sein wesentlich verbessertes Hautmodell verwendet Weindl kleine Hautreste aus Operationen, die er mit Zustimmung der Patienten erhält. Daraus rekonstruiert er die untere und die mittlere der drei menschlichen Hautschichten, und kultiviert sie in fingernagelgroßen Stücken in einer Nährlösung. Nach einer Weile bildet sich darauf dann auch die äußere Hornschicht der Haut von selbst. In diese Haut werden nun – und das ist das Neue – aus dem Blut isolierte Langerhans-Zellen dauerhaft integriert.

Weindl konnte zeigen, dass sie in seinen Hautstücken die gleiche Wächterfunktion übernehmen wie in normaler Haut. Das neue „immunkompetente Hautmodell“ bietet sich damit als Alternative zu Tierversuchen an, wenn es darum geht, neue Substanzen auf eine mögliche hautreizende Wirkung hin zu testen. Solche Tests sind von Bedeutung in der dermatologischen Grundlagenforschung und als Sicherheitstests im Rahmen der präklinischen Entwicklung neuer Arzneistoffe und anderer Chemikalien.

Ehe Weindls Modell jedoch zum Routinetest für solche Zwecke werden kann, sind noch einige Hürden zu überwinden. So muss nachgewiesen werden, dass das Modell zuverlässig und reproduzierbar ist. Ebenso müssen Wege gefunden werden, die Methode in einem größeren Maßstab als nur in kleinen Laborexperimenten durchzuführen. Ist das aber erst gelungen, könnten mit dem Modell nach Einschätzung Weindls alleine in Deutschland mehrere tausend Tiere pro Jahr eingespart werden.


Forschende Pharma-Unternehmen setzen auf Testalternativen

Dass solche Projekte für die Pharmaindustrie von großer Bedeutung sind, unterstrich Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung/Entwicklung/Innovation beim Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), bei der Preisverleihung im Roten Rathaus in Berlin. „Ich hoffe, dass diese Auszeichnung anderen Wissenschaftlern Ansporn für die Suche nach weiteren Alternativmethoden ist; denn sie macht deutlich, dass diese Forschung gebraucht und geschätzt wird – auch von der Pharmaindustrie. Für industrielle Pharmaforscher ist es ein Dilemma, dass sie Tiere beanspruchen müssen, um Menschen und auch anderen Tieren helfen zu können. Aber mit jedem verlässlichen neuen Alternativverfahren gewinnen sie Möglichkeiten, weitere Versuchstiere einzusparen oder weniger zu belasten.“

Aus dieser Motivation heraus sponsert der vfa den Berliner Forschungspreis für Ersatz- und Ergänzungsmethoden seit seiner Einrichtung im Jahr 2011. Darüber hinaus unterstützt der vfa die Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen, die im Sinne des 3R-Prinzips (Reduce, Refine, Replace) einen allmählichen Ersatz von Tierversuchen durch alternative Verfahren propagiert.