Unterschiede in der Impfstoffzulassung: Grippe & Covid-19
Drei an die Omikron-Variante angepasste Impfstoffe sind mittlerweile in der EU zugelassen. Bei zwei der Vakzine war die älteste Subvariante BA.1 Vorbild für die Entwicklung. Bei dem dritten ist mRNA für das Spike-Protein der Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5 (identisch) und das des ursprünglichen Stammes enthalten. Die Zulassung erfolgte ohne abschließende Humanerprobung. Diese Art der Zulassung fand sich bislang nur bei Grippeimpfstoffen.
Wie Covid-19-Impfstoffe vor ihrer Zulassung erprobt werden, ist hier ausführlich beschrieben.
In Deutschland wird – wie in den meisten EU-Ländern – ausschließlich mit Covid-19-Impfstoffen geimpft, die von der EU-Kommission nach der strengen Prüfung durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA zugelassen wurden. Die Impfstoffe müssen dafür klar definierte Anforderungen erfüllen.
Strenger Anforderungskatalog für Impfstoffe
Der Anforderungskatalog ist für neue Impfstoffe am umfangreichsten: Vergleichende Ergebnisse zur Wirksamkeit als Krankheitsschutz und zur Verträglichkeit müssen ebenso eingereicht werden wie Daten aus Tierversuchen und zur Produktion. Für eine nur an eine Virusvariante angepasste Version eines schon zuvor zugelassenen Impfstoffs müssen weniger Ergebnisse eingereicht werden (schließlich hat sich am Herstellungsverfahren und vielen anderen Aspekten ja nichts verändert). Bislang verlangt die EMA (1) aber weiterhin für jede neue angepasste Version eines Impfstoffs, dass diese auch mit Freiwilligen erprobt wird. Das aber braucht mehrere Monate Zeit.
Um die angepassten Impfstoffe schneller verfügbar zu machen, wird immer wieder diskutiert, ob die Zulassungsregeln für Corona-Impfstoffe an die der Grippe-Impfstoffe angepasst werden sollten. Hier kommen saisonal neue Versionen auf den Markt, die keine klinischen Studien erfordern.
Am 12. September hat die EU erstmals eine an die Omikron-Variante angepasste Version eines Corona-Impfstoffes als Booster zugelassen, die keine abschließende Humanerprobung durchlaufen hat.
Saisonale Anpassung aufgrund von Mutationsfähigkeit
Die Herstellung neuer Versionen der Impfstoffe ist nötig aufgrund der erstaunlichen Mutationsfähigkeit der Grippeviren: ständig entstehen so neue Varianten, die Virenstämme genannt werden. (2)
Kein Arzt, keine Ärztin würde mit einem Vakzin der vorangegangenen Saison impfen. Da es vorkommen kann, dass sich in der Zeit von Entwicklung bis zum tatsächlichen Start der Grippesaison schon wieder andere Virusstämme durchgesetzt haben, schwankt die Impfeffektivität der Vakzine stark. Bei sehr guter Übereinstimmung der für die Impfstoffe genutzten und tatsächlich grassierenden Virusstämme kann eine Schutzwirkung von 80 Prozent erzielt werden.
Im Februar oder März jedes Jahres teilt die WHO mit, welche Variante des Grippevirus sie als die vorherrschende in der kommenden Grippesaison einschätzt und welche Virenstämme die Hersteller daher ihren neuen Impfstoffversionen zugrunde legen sollen. (3)
Diese können dann mit den Vorbereitungen für die Produktion beginnen. Unabhängig davon, ob es sich um einen mit Hilfe von Hühnereiern, Zellkulturen oder gentechnisch hergestellten Impfstoff handelt: Ab Juni beginnt bei den meisten Herstellern bereits das „Ernten“ der Antigene (der impfwirksamen Virusbestandteile), worauf die Herstellung der Impfstoffe und das Abfüllen in Vials oder Spritzen folgt. Die Impfstoffe durchlaufen während der Herstellung und danach zahlreiche Qualitätskontrollen, wozu auch Impfversuche mit Tieren gehören. Doch dank jahrzehntelanger positiver Erfahrung mit den jährlichen Impfstoffversionen ist für sie keine Kontrolle durch klinische Studien mit Menschen nötig: Ihre Zulassung erhalten sie auch ohne diese. Nach dieser erfolgt die Distribution und die Auslieferung der Vakzine. Ab Oktober wird dann meist geimpft. (4)
Umfang der Erprobung
Dieses Vorgehen, bei dem nach einer Anpassung an einen neuen Virenstamm bei einem Impfstoff keine neue Humanerprobung der neuen Impfstoff-Version erforderlich ist, ist bei Grippeimpfstoffen seit Jahrzehnten gebräuchlich. Für Corona-Impfstoffe ist es mit der Zulassung einer angepassten Impfstoff-Version, der mRNA für das Spike-Protein der Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5 (identisch) und das des ursprünglichen Stammes enthält, eine Neuerung.
Allerdings könnten sich die Zulassungsbehörden dafür auch schon auf weit mehr Erfahrung stützen, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Denn fast alle Hersteller der ersten zugelassenen Impfstoffe haben schon mehrere angepasste Versionen ihrer Impfstoffe entwickelt und erprobt; sie haben nur die meisten davon nicht zur Zulassung eingereicht, etwa weil das Pandemiegeschehen immer wieder eine neue Wendung nahm.
Corona-Impfstoffe – der aktuelle Stand
Sechs Impfstoffe plus drei Impfstoff-Varianten sind derzeit in der EU zugelassen. Weitere könnten bald folgen. Eine Übersicht zu den Projekten, die ausdrücklich auch auf eine EU-Zulassung hinarbeiten und bei denen mindestens schon die Erprobung mit Freiwilligen begonnen hat, sowie Informationen zu weiteren Projekten für Covid-19-Impfstoffe, finden sich hier: www.vfa.de/corona-impfstoffe