Arzneimittelfälschungen: Supranationale Vernetzung der Akteure bekämpft internationale Kriminalität
In einigen afrikanischen Ländern müssen Kliniken ständig fürchten, dass die gelieferten Medikamente gefälscht sind. Bleibt das unbemerkt, sind Patienten in Gefahr. Wird es aber erkannt, sind diejenigen in Gefahr, die die Fälschung aufgedeckt haben. Denn wer Medikamente fälscht oder solche Mittel mutwillig vertreibt, achtet auch sonst kein Menschenleben. Deshalb veröffentlicht ein Alarm-Netzwerk, in dem sich kirchlich getragene Kliniken in 11 afrikanischen Ländern gegenseitig vor gefälschten Produkten warnen, nie, in welcher Klinik die Fälschung enttarnt wurde.
Davon berichtete Dr. Gisela Schneider, Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission DIFÄM, beim Workshop „Falsified and Sub-Standard Medicine – Initiatives and Activities to Secure Access to High Quality Medicines“ auf dem World Health Summit, einem vom 14. bis 16.10. in Berlin stattfindenden Expertentreffen zu Global Health. Gastgeber des Workshops war der vfa. Unter den mehr als 100 Besuchern waren unter anderem afrikanische Gesundheitspolitiker und Ärzte, Health Consultants, Vertreter von Hilfsorganisationen und Unternehmen.
Dr. Richard Neci ist Pharmazeut beim Dépot Central Médic-Pharmaceutique in der Demokratischen Republik Kongo, das Kliniken mit Medikamenten versorgt. Er berichtete, wie man dort Fälschungen aufgedeckt.Organisationen wie das kirchliche Dépot Central Médic-Pharmaceutique (DCMP 8e CEPAC) in der Demokratischen Republik Kongo tragen dazu bei, in Afrika sichere Bezugsquellen für Medikamente zu schaffen. Davon berichtete Dr. Richard Neci, DCMPs oberster Pharmazeut. Wie die vom DIFÄM getragenen Kliniken nutzt seine Einrichtung unter anderem GPHF-Minilabs der deutschen Organisation Global Pharma Health Fund (getragen vom Unternehmen Merck in Darmstadt). Diese Ausrüstungen ermöglichen es geschulten Kräften, viele Fälschungen schon mit vergleichsweise einfacher Labortechnik zu erkennen. DCMP wurde 1997 vom aktuellen Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege gegründet.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO, so berichtete die dort tätige Diana Lee, kennt mittlerweile neben gefälschten Medikamenten und Substandard-Medikamenten (zugelassen, doch mangelhaft hergestellt) auch noch das Phänomen von Mitteln, die sich – ohne ein konkretes Medikament nachzubilden – fälschlich als zugelassenes Arzneimittel ausgeben. Ein Beispiel ist dafür ist „Femalegra“: ein angebliches Potenzmittel für Frauen.
Die WHO schätzt, dass in Schwellen- und Entwicklungsländern im Durchschnitt rund zehn Prozent aller gehandelten Medikamente gefälscht oder ohne Zulassung sind oder aber Qualitätsmängel aufweisen; in manchen Ländern weit mehr. Aber auch in den regulären Vertriebswegen der Industrieländer sind Fälschungen nicht unbekannt.
Der vfa-Vorsitzende Han Steutel berichtete, wir Hersteller, Großhändler und Apotheker in Europa gemeinsam ein Abwehrsystem gegen Arzneimittelfälschungen aufbauen.Zu diesen Vertriebswegen konnte vfa-Vorsitzende Han Steutel von einer konstruktiven Zusammenarbeit der Vertriebs-Akteure berichten: In der EU arbeite die Pharmaindustrie gemeinsam mit Großhändlern und Apothekern an einem Abwehrsystem, das es künftig fast unmöglich machen soll, gefälschte Medikamente unbemerkt in den legalen Vertrieb zu schleusen. Es beruhe auf einer gesetzlichen Grundlage, doch habe hier die EU den Systemaufbau erstmals ganz in die Hände der eigentlichen Akteure gelegt, statt selbst ein System zu entwickeln. Die Akteure müssten nun aber auch beweisen, dass dies die richtige Entscheidung war. Steutel zeigte sich aber zuversichtlich, dass insbesondere für den deutschen Teil des Systems – genannt securPharm – die noch offenen Punkte in der Umsetzung bis zum 9. Februar 2019 ausgeräumt sind, wenn das System live geschaltet werden soll.
Das vorgesehene EU-System beruhe insbesondere auf zwei Sicherheitsmerkmalen, erläuterte Dr. Stefan Artlich vom Unternehmen Bayer: auf Packungen mit Erstöffnungsschutz und auf individuellen Packungsnummern. Letztere würden vom Hersteller in ein geschütztes EU-weites Datenbanksystem eingespeist, mit dessen Hilfe jede Packung vor der Abgabe in der Apotheke noch einmal überprüft werden kann. Der Erstöffnungsschutz (in der Verpackungstechnik Originalitätsverschluss genannt) diene dazu, jede eventuelle Manipulation am Inhalt einer Arzneimittelpackung sichtbar zu machen.
In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass sich das kommende EU-Fälschungsabwehr-System auf absehbare Zeit nicht 1:1 für Schwellenländer übernehmen lässt. Länder und Regionen müssen vielmehr auf ihre Situation angepasste Abwehrmaßnahmen entwickeln. Stets aber gilt, was Han Steutel betonte: Kooperation ist der Schlüssel im Kampf gegen gefälschte und minderwertige Medikamente.