AMR Action Fund: ein Investitionsprogramm der Industrie für neue Antibiotika
Anfang April 2022 berichtete der AMR Action Fund von ersten Investitionen in Unternehmen, die antibakterielle Medikamente entwickeln. Der vom Internationalen Pharmaverband IFPMA und zahlreichen Pharma-Unternehmen und weiteren Akteuren gegründete Fund verfolgt das Ziel, bis 2030 zwei bis vier zusätzliche Antibiotika gegen multiresistente Problemkeime zur Marktreife zu bringen, deren Entwicklung sonst durch Finanzierungsprobleme gefährdet wäre. Das "AMR" im Namen des Funds steht für "antimicrobial resistance", also das Problem zunehmender multiresistenter Keime.
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Die ersten Investitionen fließen den Unternehmen Adaptive Phage Therapeutics und Venatorx Pharmaceuticals zu. Ihre Entwicklungsprojekte adressieren multiresistente Keime auf ganz unterschiedliche Weise:
Bakteriophagen sind natürlich vorkommende, bakterientötende Viren, die jeweils auf ganz bestimmte Bakterien spezialisiert sind. Adaptive Phage Therapeutics baut beständig seine Sammlung solcher Bakteriophagen aus, damit Patient:innen damit behandelt werden können, wenn sie mit einem multiresistenten Keim infiziert sind. Die Auswahl des jeweils besten Phagenstamms erfolgt durch einen unternehmenseigenen "Eignungstest". Einsatzfelder sind u.a. Infektionen an Gelenkprothesen, Knochen und Lunge. Die Investition des Funds wurde als Erweiterung einer von der Deerfield Management Company geführten Serie-B-Runde getätigt.
Venatorx Pharmaceuticals entwickelt Kombinationsmedikamente, in denen ein Betalactam-Antibiotikum mit einem neuartigen Inhibitor kombiniert wird, der bakterielle Abbauenzyme (Betalactamasen) blockiert, die sonst den antibiotischen Wirkstoff unwirksam machen würden. Am weitesten fortgeschritten (Phase III) ist die Entwicklung von Cefepim / Taniborbactam, das intravenös gegen komplizierte Harnwegsinfektionen und Lungenentzündungen eingesetzt werden soll. Die Investition des Funds wurde im Rahmen einer Serie-C-Runde getätigt, bei der Abingworth Management als Co-Investor auftrat.
Insgesamt will der Fund 2022 mehr als 100 Millionen US-Dollar in Unternehmen investieren. Das gab der CEO des Funds, Henry Skinner, bei der Veröffentlichung der ersten Investments bekannt.
Der AMR Action Fund
Der AMR Action Fund ist die weltweit größte Public-Private Partnership, die in die Entwicklung antibakterieller Medikamente investiert. Er besteht seit Juli 2020. Schon zu Beginn hatten die Gründer, zu denen mehr als 20 Pharma-Unternehmen zählen, fast 1 Milliarde US-Dollar an Finanzmitteln aufgebracht, die in kleinere, antibakterielle Medikamente entwickelnde Unternehmen investiert werden sollen. Die auf diese Weise geförderten Firmen können auch Know-how und technische Unterstützung von den investierenden Unternehmen erhalten. Bis Februar 2021 kamen noch einmal 140 Millionen US-Dollar von nicht-industriellen Investoren hinzu: von der Boehringer Ingelheim Foundation, der Europäischen Investment Bank (unterstützt von der EU-Kommission) und dem Wellcome Trust.
Seit Februar 2021 wird der Fund geleitet von CEO Henry B. Skinner, PhD, der zuvor Senior Vice President of Venture at Tekla Capital Management in Boston war. Für sein Investment stützt sich der Fund auf einen wissenschaftlichen Beirat.
Der AMR Action Fund ist gedacht als Überbrückung, bis die Antibiotika-Entwicklung durch veränderte Marktgegebenheiten oder Forschungsförderung wieder von allein die Entwicklungstätigkeit zahlreicher Unternehmen auf sich ziehen kann. Er setzt sich deshalb parallel zu seinem Investment bei Regierungen für geeignete Marktreformen ein.
Das Investment des Fonds setzt an einer entscheidenden Stelle an: bei kleineren Unternehmen, die schon neuartige Antibiotika im Labor erfunden haben, aber nicht über die Finanzmittel verfügen, sie nun mit klinischen Studien bis zur Zulassungsreife zu entwickeln.»
Der Hintergrund der bestehenden Antibiotika-Krise ist die Diskrepanz, dass die Pharmabranche zwar beständig um die Entwicklung von Antibiotika gegen Problemkeime ersucht wird – aber nur, damit diese dann so selten wir möglich eingesetzt werden; eben nur als Reserve für den Notfall. Das ist medizinisch sinnvoll, aber ökonomisch problematisch, weil es bedeutet, dass diese Antibiotika auf herkömmlichem Wege – allein über den Umsatz aufgrund des Verbrauchs – meist nicht rentabel sind. Mehrere Biotech-Unternehmen, die sich auf Antibiotikaentwicklung fokussiert hatten, mussten deshalb schon Konkurs anmelden. Aus diesem Grund werden andere Marktinstrumente gebraucht, um den Nachschub zu stimulieren, auf internationaler wie auf nationaler Ebene.
Wer am Fonds beteiligt ist
25 Pharma-Unternehmen und assoziierte Stiftungen unterstützen bereits den Fonds:
Almirall, Amgen, Bayer, Boehringer Ingelheim, Boehringer Ingelheim Foundation, Chugai, Daiichi Sankyo, Eisai, Eli Lilly and Company, GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson, LEO Pharma, Lundbeck, Menarini, Merck, MSD, Novartis, Novo Nordisk, Novo Nordisk Foundation, Pfizer, Roche, Shionogi, Takeda, Teva und UCB.
Beteiligt sind auch der Wellcome Trust und die Europäischen Investitionsbank (EIB) (unterstützt durch die EU-Kommission unter Horizon 2020, the 2014-2020 European Union research and innovation program). Diese hat sich darauf spezialisiert, mit innovativen Finanzierungsinstrumenten da einzuspringen, wo der Markt erkennbar versagt.
Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Initiativen
Der AMR Action Fund ist die bislang größte Gemeinschafts-Initiative zur Bekämpfung des Resistenz-Problems, aber nicht die einzige. Mit anderen wie etwa CARB-X strebt er eine gute Zusammenarbeit an. So können sich die Aktivitäten verzahnen und die Antibiotika-Pipeline nachhaltig gestärkt werden.
Auch die WHO hat angekündigt, mit dem AMR Action Fund zusammenarbeiten zu wollen. Am Konzept für den Fund hat sie bereits mitgewirkt, wie die EIB und beispielsweise auch der Wellcome Trust.
Kriterien für das Investiment
Die Unternehmen, in die der AMR Action Fund investieren wird, werden nicht nach den Wünschen einzelner am Fonds beteiligter Unternehmen ausgesucht. Vielmehr gelten drei Prinzipien:
- Basis für das Investment ist die Liste priorisierter bakterieller Erreger der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Center for Disease Control (CDC).
- Priorität haben Projekte für neuartige antibakterielle Medikamente, die (nach Einschätzung führender Einrichtungen für Public Health) absehbar die Mortalität von Patienten senken und sich für den klinischen Einsatz eignen.
- Dabei sollen die Investitionen auf Projekte in allen Phasen der klinischen Erprobung verteilt werden.