An der Spitze der Präzisionsmedizin
Der Trend zu freien Kombinationen in der Onkologie ist eine logische Folge der Stratifizierung und Individualisierung von Behandlungen. Das sehen nicht nur Fachgesellschaften so, sondern auch kritische Institutionen wie die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft.
Mehr Power im Team - was im Sport gilt, trifft für immer mehr Kombinationen innovativer Arzneimittel zu.
Der gleichzeitige Einsatz mehrerer Arzneimittel ist schon immer ein Standard in weiten Teilen der Onkologie gewesen, sagt Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). Ein noch junges Phänomen sei jedoch der kombinierte Einsatz mehrerer neuartiger und hochpreisiger Arzneimittel.
Synergismen und weniger UAW
Den Nutzen insbesondere auch von Kombinationen sieht auch der Onkologe Professor Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. „Durch die Kombination von Wirkstoffen mit unterschiedlichen Angriffspunkten (z. B. Zytostatika plus monoklonale Antikörper oder Proteinkinaseinhibitoren; Checkpoint-plus Proteinkinaseinhibitoren) sollen synergistische antineoplastische Wirkungen erzielt, Resistenzentwicklungen verzögert und unerwünschte Wirkungen reduziert werden“, schreibt er im jüngsten Arzneiverordnungsreport.
Die Entwicklung einer Vielzahl neuer „zielgerichteter“ Wirkstoffe habe zusammen mit prädiktiven Biomarkern dazu beigetragen, dass „heute die Onkologie eine Vorreiterrolle in der Präzisionsmedizin einnimmt“.
Ausführlich stellt Ludwig die Behandlungserfolge durch neuartige Wirkstoffe am Beispiel des Multiplen Myeloms dar, beispielsweise die Verdoppelung der medianen Überlebensdauer aller Patienten von drei auf sechs Jahre. Einen entscheidenden Beitrag dazu leisten auch Kombinationen neuer Wirkstoffe, insbesondere bei Patienten, die aufgrund von Komorbidität nicht für eine Hochdosis-Chemotherapie oder eine autologe Stammzelltherapie in Frage kommen. Für einen großen Teil der neuen Wirkstoffe hat der GBA, auch in kombiniertem Einsatz, einen beträchtlichen Zusatznutzen anerkannt.
Diese Evidenz setzen Ärzte offenbar auch in der Praxis um: Sie behandeln mehr Patienten, der Verbrauch, gerechnet in Tagesdosen, steigt, und das erklärt auch zu einem erheblichen Teil die Ausgabenentwicklung der Krankenkassen.
Die Kostendynamik nun durch einen pauschalen Kombi-Abschlag zu bremsen, hält Bruns für wenig zielführend. Zum einen stößt dies in der vertragsärztlichen Versorgung auf erhebliche technische Probleme. Wenn nämlich verschiedene Arzneimittel auf verschiedenen Rezepten verschrieben werden, sind die an einer Kombinationstherapie beteiligten Arzneimittel nicht mehr als Kombination zu erkennen. Folglich müsste auf dem Rezept ein zusätzliches Merkmal eingebaut und im Fall einer Kombinationstherapie angekreuzt werden – weiterer bürokratischer Aufwand für die Vertragsärzte und möglicherweise auch aufwendige Kontrollen, ob Rezepte korrekt ausgefüllt sind.
Der Abschlag für Kombinationen würde wie eine Strafsteuer wirken. Die Hürde für den Markteintritt würde kalkulatorisch erhöht.»
Höhere Hürde für Markteintritt
Bruns hält es daher nicht für sinnvoll, Ärzte oder Kliniken in die Erstattungsmodalitäten zu involvieren. In der Tat war es ein wichtiges Ziel des AMNOG, gerade Ärzte von der Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit von innovativen Arzneimitteln zu entlasten, indem die Verantwortung dafür den Krankenkassen und ihren Verhandlungsmöglichkeiten zugeordnet wurde.
Bei den betroffenen Arzneimittelherstellern sieht man den Pauschalabschlag auf Kombinationen kritisch und verweist auf mögliche Kollateralschäden für die Versorgung mit Arzneimittelinnovationen. „Im Ergebnis wirkt der Zwangsrabatt wie eine Strafsteuer.
Er würde, zusätzlich zu bestehenden Preisregulierungen auf den ausgehandelten Abschlag für Erstattungsbeträge noch einmal draufgeschlagen – und das ausgerechnet in einem sehr sensiblen Bereich der Medizin“, argumentiert Han Steutel, der Präsident des Verbandes forschender Pharma-Unternehmen (vfa). Denn die Kombination mehrerer Arzneimittel spielen bei Krankheiten wie Krebs und HIV, beide potenziell lebensbedrohlich, eine besonders wichtige Rolle.
Die Entlastung der Krankenkassen durch eine solche Strafsteuer wäre nur marginal, das befürchtete Defizit lasse sich damit nicht einmal ansatzweise ausgleichen. Deshalb seien auch die Folgewirkungen für die Versorgung zu bedenken: Denn für neue Arzneimittel, die das Potenzial zur sinnvollen Kombination haben, würde die Hürde zum Markteintritt in Deutschland erhöht.
Dieser Text entstand in Kooperation mit der ÄrzteZeitung.