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Scheuble: Innovationen werden ausgebremst, Patientenversorgung verschlechtert sich

Frankfurt (VFA). "Der jetzt vorliegende Entwurf für das Gesundheitsstruktur-Modernisierungsgesetz hält nicht, was der Name verspricht. Was wir brauchen, ist eine konsequente Neuausrichtung unseres Gesundheitssystems, die den Wettbewerb um die beste Qualität zulässt", erklärte der Vorstandsvorsitzende des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), Prof. Bernhard Scheuble, heute vor Journalisten in Frankfurt. Mit den vorliegenden Plänen werde die Versorgung der Patienten nicht besser, sondern schlechter.

Der VFA-Vorstandsvorsitzende warnte insbesondere vor dem von der Gesundheitsministerin geplanten Amt für Einheitsmedizin, dem so genannten Qualitätszentrum: "Dadurch droht eine elementare Verschlechterung der Patientenversorgung. Gesetzlich versicherte Patienten müssen fürchten, dass sie - wie bei einem entsprechenden Institut in England - auf lebenswichtige, innovative Arzneimittel ein Jahr und länger warten müssen." Denn den Ärzten fehle die Therapiesicherheit, bis nach einem zeit- und kostenaufwändigen bürokratischen Verfahren - dessen Kriterien bisher nicht bekannt sind - die Kosten-Nutzen-Bewertung eines Arzneimittels erfolgt ist, erläuterte Scheuble. "Die Ergebnisse jahrelanger Forschungsanstrengungen werden in dieser Zeit ausgebremst."

Dass der Gesetzentwurf vorsieht, nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung herauszunehmen, begrüßen die forschenden Arzneimittelhersteller. "Mit diesem Schritt - den der VFA seit langem fordert - werden sinnvolle Prioritäten gesetzt. Und der Patient wird durch diese Leistungseinschränkung nicht überfordert." In die richtige Richtung ziele auch die zumindest teilweise Ausgrenzung von versicherungsfremden Leistungen aus der Gesetzlichen Krankenversicherung. Scheuble wandte sich indes gegen die geplanten Festbeträge für patentgeschützte Arzneimittel. "Damit wird der für unsere Branche essenzielle Patentschutz entwertet. Die fatale Botschaft an in- und ausländische Investoren lautet: Patente sind in Deutschland nichts wert."

Deutliche Kritik übte Scheuble auch am Gesetzentwurf der Regierungskoalition für die Positivliste: "Hier wird Innovationen die rote Karte gezeigt, während es grünes Licht für Schweinehaut, Rinderprostata, Potenzholz und Schweinezahn gibt." Etliche innovative Arzneimittel, die zugelassen und therapeutisch anerkannt sind, sowie einige im langjährigen Einsatz erprobte Standardpräparate befinden sich nicht auf dem Entwurf der Positivliste, kritisierte er.

"Diese Politik ist ein eindeutiges Signal gegen Innovationen. Wenn die Bundesregierung die moderne Arzneimittelversorgung ausgrenzen will, um stattdessen Einheitsmedizin für Deutschland zum Standard zu erheben, sollte sie das den Bürgern auch klar sagen", forderte der VFA-Vorstandsvorsitzende. Scheuble verwies darauf, dass beim Zugang zu innovativen Arzneimitteln Deutschland im Vergleich der Industriestaaten bereits heute auf den hinteren Plätzen liegt: Mit einem Anteil von 20 Prozent für die patentgeschützten Arzneimittel am Arzneimittelumsatz der Gesetzlichen Krankenversicherung gehört Deutschland heute zu den Schlusslichtern unter den europäischen Ländern. Von einem Euro, den die Krankenkassen ausgeben, entfallen nur 3,3 Cent auf innovative Arzneimittel.

Der VFA-Vorstandsvorsitzende erinnerte daran, dass bereits 2002 der Arzneimittelsektor zu überproportionalen Belastungen von mehr als einer Milliarde Euro herangezogen wurde. Mit den neuen Regierungsplänen würden diese Einschnitte auf etwa 3 Milliarden Euro jährlich steigen. Dieses Geld werde für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Branche am Standort Deutschland fehlen.

Scheuble kündigte an, die Ministerin in der von ihr in der vergangenen Woche gestarteten "Task Force zur Verbesserung der Standortbedingungen für die pharmazeutische Industrie" unterstützen zu wollen. "Forschende Arzneimittelhersteller werden alle Maßnahmen zur Innovations- und Forschungsförderung, Stärkung der Marktposition in Europa sowie zur Verbesserung der Zulassungsbedingungen aktiv begleiten und ihren Beitrag leisten. Dazu müssen allerdings die Widersprüche zu den aktuellen Gesetzesplänen aufgelöst werden. Die innovations- und standortfeindlichen Elemente der Gesundheitsreform gehören daher als erstes auf den Prüfstand", unterstrich Scheuble.