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Anwendungsbeobachtungen: Instrument für die Arzneimittelsicherheit

Anwendungsbeobachtungen: Ärzte dokumentieren den Behandlungs-AlltagDer Hersteller eines Arzneimittels trägt auch nach der behördlichen Zulassung die Verantwortung für die Sicherheit seines Arzneimittels. Zwar hat er im Rahmen von Zulassungsstudien mit bis zu einigen zigtausend Patienten die Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit seines Medikaments nachgewiesen. Mit dem Markteintritt steigt die Zahl der damit behandelten Patienten jedoch meist noch einmal stark an - auf Hunderttausende oder gar Millionen; und erst jetzt zeigen sich eventuell Nebenwirkungen, die so selten sind, dass sie vielleicht nur bei jedem hunderttausendsten Patienten auftreten. Auch seltene Wechselwirkungen, die sich bei ungewöhnlichen Kombinationen mit anderen Medikamenten oder einseitiger Ernährung mit bestimmten Nahrungsmitteln ergeben können, können erst jetzt zu Tage treten. Und in vielen Fällen kann der therapeutische Stellenwert eines innovativen Arzneimittels erst nach etlichen Jahren, wenn das Arzneimittel lange genug im Markt ist, sicher eingeschätzt werden. Deshalb haben die Arzneimittelhersteller ein großes Interesse daran, Daten aus der alltäglichen Anwendung ihres Präparates zu gewinnen.

Aber auch der Gesetzgeber fordert solche Daten von Arzneimittelherstellern ein. Nach der Markteinführung müssen den Behörden zunächst halbjährlich, später - wenn das Medikament zwei Jahre auf dem Markt ist - jährlich und danach alle drei Jahre Berichte vorgelegt werden, die die Sicherheit des Arzneimittels auch im Alltag immer wieder eindeutig bestätigen.

In diese Berichte, die so genannten "Periodic Safety Update Reports" (PSUR), gehen Erkenntnisse aus diversen Quellen ein. Dazu gehören:

  • die ärztlichen Meldungen von Neben- oder Wechselwirkungen,
    • streng reglementierte Studien, die von der Anlage her klinischen Prüfungen vor der Zulassung ähneln und deshalb als Phase-IV-Studien bezeichnet werden, und
      • Anwendungsbeobachtungen.
      Realistisches Abbild des Behandlungsalltages

      Den so genannten Anwendungsbeobachtungen kommt dabei eine besondere Rolle zu. Nur sie sind, wie es die Fachleute nennen, nicht-interventionell. Das heißt, dem behandelnden Arzt werden keine Vorschriften gemacht, wie und mit wem er die Therapie durchzuführen hat. Es gibt bei Anwendungsbeobachtungen also keine so genannten Ein- oder Ausschlusskriterien, die den Kreis der teilnehmen Patienten genau definieren. Damit ist auch eine klare Abgrenzung zu den so genannten Phase-IV-Studien gegeben, die ebenfalls nach der Zulassung von den Arzneimittelherstellern aufgelegt werden. Bei einer Anwendungsbeobachtung kann der Arzt stattdessen seine Therapie mit dem fraglichen Präparat ohne jegliche Intervention oder Vorgaben durchführen. Dies ist von großer Bedeutung, denn nur so bleibt gewährleistet, dass die erhobenen Daten ein reales Abbild des Behandlungsalltages sind und nicht durch bestimmte Vorgaben oder Einschränkungen beeinflusst werden.

      Anwendungsbeobachtungen sind daher ein zuverlässiges und unverzichtbares Instrument, um unter Alltagsbedingungen in einer großen Patientenzahl herauszubekommen,
      • ob ein Arzneimittel sich auch dann noch bewährt, wenn es nicht mehr ganz so exakt zur richtigen Zeit eingenommen wird, wie dies in einer kontrollierten Studie normalerweise der Fall ist - denn im Therapie-Alltag wird der richtige Einnahmezeitpunkt öfters verpasst oder die Einnahme gar vergessen,
        • ob ein Arzneimittel auch dann noch genau so sicher wie in den Zulassungsstudien ist, wenn es über sehr lange Zeiträume eingenommen wird,
          • ob ein Arzneimittel Jahre nach seiner Zulassung auch dann noch genauso wirksam ist, wenn es mit anderen, weniger häufig verschriebenen oder später zugelassenen Arzneimitteln zusammen eingenommen wird - oder ob dabei eventuell Wechselwirkungen auftreten, oder
            • ob ein Arzneimittel auch dann unbedenklich ist, wenn der Arzt es möglicherweise im Therapiealltag etwas anders einsetzt als in der Zulassung vorgesehen.
            Anwendungsbeobachtungen tragen deshalb zu einer optimalen Arzneimittel- und Anwendungssicherheit bei. Gelegentlich wird bei Anwendungsbeobachtungen sogar auch eine weitere, bislang unbekannte therapeutische Wirkung eines Arzneimittels entdeckt - wie etwa, dass der Schmerzmittelwirkstoff Acetylsalicylsäure auch hilft, Thrombosen vorzubeugen.

            Auswertung klinischer Daten: Medizinstatistiker bei einem forschenden PharmaunternehmenAnwendungsbeobachtungen stehen jedoch auch in der Kritik. Denn Ärzte erhalten für die Erhebung der Daten und das Ausfüllen der Fragebögen ein Honorar. Arzneimittelhersteller würden damit ihren Umsatz steigern können, weil Ärzte - wenn das Honorar nur attraktiv genug ist - das entsprechende Arzneimittel möglichst vielen Patienten verordnen, um möglichst viele Fragebögen ausfüllen zu können, so der Vorwurf. Es gebe überdies Anwendungsbeobachtungen, die keinerlei wissenschaftliche Ziele verfolgen, sondern nur der Erhöhung des Medikamentenabsatzes dienen.

            Strenges juristisches Reglement

            Doch längst gibt es umfangreiche rechtliche Regelungen, damit so etwas nicht geschieht: Anwendungsbeobachtungen sind anzeigepflichtig, so dass Heimlichtuerei zwischen Ärzten und Pharmaunternehmen nicht möglich ist.

            Paragraf 67 Absatz 6 des Arzneimittelgesetzes schreibt nämlich vor, dass jede Anwendungsbeobachtung der deutschen Zulassungsbehörde und zusätzlich der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen gemeldet werden muss, und zwar einschließlich einer Liste der daran beteiligten Ärzte.

            Weitere Regelungen enthält der Kodex der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie, zu dessen Einhaltung sich die Unternehmen des VFA sowie weitere Firmen verpflichtet haben. Die Schiedsstelle, die seine Einhaltung überwacht, kann Strafen bis zu 250.000 Euro gegen Pharmaunternehmen verhängen. Verstöße gegen den Kodex können von Jedermann, also auch Patienten und Ärzten, angezeigt werden.

            Angemessenes Entgelt für zusätzliche Arbeit ist zulässigDer Kodex legt fest, "dass die Vergütung für die Durchführung einer Anwendungsbeobachtung (...) so zu bemessen ist, dass dadurch kein Anreiz zur Verordnung eines Arzneimittels entsteht". Darüber hinaus verpflichtet der Kodex die Pharmaunternehmen zur Einhaltung der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für Anwendungs­beobachtungen herausgegebenen Empfehlungen. Diese besagen explizit, dass ein Arzneimittel nicht zu dem Zweck verschrieben werden darf, einen Patienten in eine Anwendungsbeobachtung einzuschließen. Es sei deshalb erforderlich, dass "der Patient erst für die Studie identifiziert wurde, nachdem die Entscheidung über die Therapie getroffen worden ist."

            Die BfArM-Empfehlungen schreiben außerdem für Anwendungsbeobachtungen einen wissenschaftlichen Abschluss vor: "Über die Durchführung und Ergebnisse (...) ist innerhalb angemessener Frist ein Abschlussbericht zu erstellen, der eine biometrische Auswertung und eine Bewertung aus medizinischer Sicht enthält."

            Umfangreiche Bestimmungen regeln also längst genau, was zwischen Ärzten und Pharmaunternehmen möglich ist und was nicht - damit die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch weiterhin zur bestmöglichen Arzneimittelsicherheit in Deutschland beitragen können.

            Die Fachwelt reagierte deshalb irritiert, wie sehr das Magazin "Stern" das Thema nun in den falschen Hals bekam: In seinem gerade erschienen Artikel zu Anwendungsbeobachtungen kommen die Worte "Arzneimittelsicherheit" und "Nebenwirkung" nicht ein einziges Mal vor.
Unsere Mitglieder und ihre Standorte

Unsere Mitglieder und ihre Standorte

Die Mitglieder des vfa repräsentieren mehr als zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland rund 102.000 Mitarbeiter:innen.
Rund 21.000 davon sind für die Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln tätig. Allein in Deutschland investieren die forschenden Pharma-Unternehmen jährlich 9,6 Mrd. Euro in die Arzneimittelforschung für neue und bessere Medikamente. Dies entspricht etwa 42 Millionen Euro pro Arbeitstag.